Deutsch-holländische Kumpelmusik Sonos Cliq über Heimat, Grenzkontrollen und Nazis

Das Aachener Duo Sonos Cliq gehört fest zur deutschen Hip-Hop-Szene. In ihren Songs erzählen sie vom Aufwachsen in der Grenzstadt Aachen und ihrer engen Verbindung zu Holland. Was für sie gegen das offene Miteinander am Dreiländereck spricht: der Rechtsruck.
Im März 2021 hat Corona das Dreiländereck fest im Griff. Der Lockdown geht bereits Monate, die Grenzen werden streng kontrolliert, Schnelltests und Maskenpflicht bestimmen den Alltag. An einer Kartbahn im holländischen Vaals spielen sich dennoch Szenen ab, die vielen Jugendlichen in der Grenzregion einen musikalischen Lichtblick in tristen Zeiten geben sollten.
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Mit schäumendem Heineken-Bier in der Hand stampfen dort die Rapper Radrik Gee und Jonko2x – bekannt als Duo Sonos Cliq – energisch zu einem schnellen Elektrobeat mit Hardstyle-Elementen, was an die holländische Kinofilmreihe "New Kids" erinnert. Darauf rappen sie über ihre Liebe zu Holland – und wie sehr sie in Corona-Zeiten eine frittierte Käsespezialität vermissen. "Uh, es tut so weh, ich hatte schon lange, schon lange kein Kaassoufflé", singt Radrik im Refrain, der zu einer neuen Hymne der Aachener Jugend wird. Innerhalb weniger Stunden sammelt das Musikvideo zum Song "Kaassoufflé" auf YouTube Hunderttausende Aufrufe – Stand heute sind es mehr als 400.000. Auf der Musik-Plattform Spotify verzeichnet der Song mittlerweile knapp zwei Millionen Streams.
"Aufgewachsen zwischen Pommesbuden und sehr vielen Gabbern, ich konnt‘ es mir nicht aussuchen, doch ich komm’ aus Holland"
Radrik Gee in dem Song "Kaassoufflé"
Auch über die Grenze hinaus wird der Song gefeiert. "Der wurde ja gerade in Holland geteilt, das war für uns auf jeden Fall auch neu", sagt Jonko. Er und Radrik machen seit mehr als zehn Jahren zusammen Musik, veröffentlichen anfangs Dutzende Songs auf der Plattform Soundcloud. Die meisten von ihnen produziert Jonko selbst – so auch "Kaassoufflé".
Nachdem der Song online geht, ist für die beiden nichts mehr wie vorher. Deutsche, belgische und holländische Musiker hätten ihnen plötzlich Nachrichten geschickt – darunter der Holländer Joost Klein, der 2023 mit dem Song "Friesenjung" die deutschen Charts dominierte, und Dr. Peacock, einer der größten French- und Hardcore-DJs Hollands. "Damit hatte ich vorher nicht gerechnet", sagt Jonko. "Obwohl ich wusste, dass der Song geil ist und Leute verbinden kann."
Radrik fügt hinzu: "Gerade bei den Leuten in der Grenzregion, da war ich mir schon ziemlich sicher, dass die den Song sehr fühlen werden. Man kannte es halt: Man wollte über die Grenze fahren und man durfte nicht, man wollte raus und man durfte nicht." Mit der Sehnsucht nach einem Kaassoufflé haben sich deswegen grenzübergreifend viele identifizieren können, so Radrik. Er selbst lebte bis zu seinem neunten Lebensjahr in der Provinz Limburg, spricht die Sprache fließend und integriert sie wie im Song "Oh Schatje" (übersetzt: "Oh Schatzi") in seine Texte.
"Kleiner, deutscher Junge aufgewachsen an der Grenze, hat‘ schon Joppie an den Händen, da konnt‘ ich noch nicht mal denken"
Jonko2x in dem Song "Kaassoufflé"
Der Song "Kaassoufflé" habe ein Gemeinschaftsgefühl ausgelöst. "Das hat mir auf jeden Fall noch mal bildlich vorgeführt, was ich vorher auch immer schon gespürt habe: Die Grenzregion ist wie ein Bezirk", sagt Jonko. Auch die Art der Musik habe dabei eine Rolle gespielt – Rap auf Elektrobeats. "Zu der Zeit war das im Deutschrap noch gar nicht üblich", sagt Radrik. "In Holland hat diese Gabber-Hardcore-Szene aber viel Einfluss. Die Holländer dachten sich bei dem Song dann: 'Geil, das kennen wir doch.' Für die Deutschen war es gleichzeitig etwas Neues." Deshalb hätten Menschen aus beiden Ländern ihre Musik gefeiert.
Freundschaft und Harmonie: Sonos Cliq machen Kumpelmusik
Diese nennen sie Kumpelmusik – in Anlehnung an ihre Freundschaft. Denn seit ihrem elften Lebensjahr sind die beiden beste Kumpel, erzählen sie. Kumpelmusik ist somit das Motto für ihre Musik, die Freundschaft, Harmonie, Gleichberechtigung und Antidiskriminierung predigt. Es hat aber auch einen geschichtlichen Hintergrund mit niederländischem Bezug. "In Limburg waren früher Minen und Kohlekraftwerke. Die Leute, die unten im Tagebau gearbeitet haben, wurden auch Kumpel genannt", erklärt er. "Die Holländer nennen sich auch untereinander 'Kumpels'."
Mit dem Mix aus Deutschrap und Hardstyle schaffen $ono$ Cliq den musikalischen Durchbruch. Das Berliner Plattenlabel Four Music nimmt sie 2021 unter Vertrag, sie treten fortan bei Deutschrap-Größen wie RIN, Bausa und Ski Aggu auf und spielen eigene ausverkaufte Konzerte im Aachener Musikbunker. Auch auf Festivals sind die beiden gebucht, unter anderem beim größten Hip-Hop-Festival Deutschlands, dem Splash, treten sie zweimal auf. Im März 2024 stürmen sie mit ihrem bislang erfolgreichsten Song "Bauchnabelpiercing" sogar auf Platz 34 der deutschen Single-Charts. Der Song hat bis heute mehr als 29 Millionen Streams auf Spotify erreicht – fast 600.000 Menschen hören dort monatlich ihre Musik.
Von Aachen nach Berlin: Radrik vermisst "die guten Bäcker"
In Aachen leben sie mittlerweile nicht mehr, vor zwei Jahren zog es sie nach Berlin. Dort habe man deutlich mehr Möglichkeiten durch Dutzende Musikstudios und Kreative. Einmal im Monat seien sie aber mindestens in ihrer Heimat. Was Radrik an Aachen besonders vermisst? "Die Nähe zu Holland und Belgien natürlich, außerdem sind die Leute hier sehr offen", sagt er. Er vermisse auch "die guten Bäcker" mit frisch belegten Brötchen, die es so in der Hauptstadt nicht gebe. "Wenn ich in Aachen ankomme, hole ich mir als Erstes immer ein belegtes Käse-Ei-Brötchen", so Radrik.
"Endlich wird wieder gejumped, Holland, Belgien und Deutschland"
Jonko2x in dem Song "Oh SChatje"
Jonko merkt an, dass in Aachen "alles so übersichtlich und klein ist". "Du kennst eigentlich jeden um zwei Ecken, und selbst, wenn du die Person nicht kennst, dann kennst du jemanden, der sie kennt".
Vermissen würden sie auch das Frankenberger Viertel, wo sie ihre gesamte Jugend verbracht haben. Lange, unbeschwerte (Party-)Nächte und Tage mit Freunden gehörten zu ihrem Alltag. "Das war für uns auf jeden Fall immer das Viertel, wo alle zusammenkommen und sich ausleben können – wie ein Schmelzpunkt", sagt Jonko. "Wenn ich da hinkomme, denk' ich sofort, dass ich zu Hause bin. Man kennt alle, man fühlt sich da sicher und geborgen. Das ist schon richtig Heimat für uns", ergänzt er. Radrik sieht das ähnlich: "Da stecken so viele Erinnerungen und Erlebnisse drin – sei es der Musikbunker, der Frankenberger Park oder Wohnungen von Freunden. Sehr viel Nostalgisches."
Sonos Cliq: Der Rechtsruck als Gefahr für offene Grenzen
In ihrer Musik verarbeiten sie diese Erinnerungen an ihr Aufwachsen in der Grenzstadt. Dazu gehören auch Ausflüge über die belgische Grenze, wie Radrik erzählt: "Mit dem Bus bis nach Eupen und von dort aus für ein paar Euro mit dem Zug drei Stunden nach Ostende ans Meer. Da haben wir uns ein paar Bierchen geholt, uns den ganzen Tag ans Wasser gesetzt und sind abends wieder zurückgefahren."
Offene Grenzen gehören für die beiden dazu. Was diese Offenheit ihrer Meinung nach bedroht: der Rechtsruck. "Der hat ja dazu geführt, dass sich Politiker dazu entscheiden, die Grenzkontrollen zu verstärken", sagt Radrik. Er habe dies beim letzten Besuch in Vaals erlebt, wo nun regelmäßig Polizeiwagen an der Grenze stehen. "Man denkt sich sofort, ob man kontrolliert wird und ob man etwas falsch gemacht hat, obwohl man einfach nur eine Pommes essen will." Er kritisiert auch, dass vor allem Menschen kontrolliert würden, die für Ausländer gehalten werden. "Das macht dieses weltoffene Euregio-Ding, was ich immer gespürt habe, auf jeden Fall kaputt", sagt er.
Der Rechtsruck in Deutschland mit dem Erstarken der AfD bewegt $ono$ Cliq dazu, Haltung zu zeigen. Kurz vor der Bundestagswahl im Februar 2025 veröffentlichen sie deswegen ihren Song "Hausverbot", eine klare Ansage gegen rechts. "Hausverbot, schmeiß die Nazis raus", rappen sie im Refrain, der mit mehr als 2,6 Millionen Streams auf Spotify ihr zweiterfolgreichster Song wird.
Die Reaktionen seien überwiegend positiv ausgefallen. "Viele haben uns geschrieben, dass der Song ihnen Kraft gegeben hat", sagt Radrik. "Das fühlt sich natürlich schön an". Jonko ergänzt: "Das hat uns wiederum die Kraft gegeben, um weiterzumachen und das Gefühl zu haben, dass es die richtige Entscheidung war."
"Wer blau wählt, wählt dumm, meine Welt bleibt kunterbunt"
JOnko2x in dem SOng "Hausverbot"
Sie hätten sich aber im Vorfeld viele Gedanken gemacht – vor allem wegen ihrer Sicherheit und der ihrer Familie. Man habe nach der Veröffentlichung auch "viel rechte Hetze" an Nachrichten erhalten. "Da muss man schon kurz schlucken", sagt Radrik.
Am Freitag, dem 6. Juni, erschien nun ihr erstes Studioalbum namens "2x Alles". "Soll bedeuten, dass wir im Leben eigentlich alles mitnehmen und genießen wollen, und das am besten doppelt", sagt Jonko. Es werde wieder viel um ihre Verbindung zu Aachen und ihr Aufwachsen in der Grenzregion gehen – als Featuregäste sind passend dazu der holländische Rapper Gotu Jim und Leo Kaminski aus Aachen vertreten.
Für die Grenzregion wünschen sie sich für die Zukunft Austausch statt Abschottung, sagt Jonko: "Die Grenze ist keine spaltende, sondern eine verbindende Grenze, wo Menschen zusammenkommen."
- Interview mit Sonos Cliq
- Eigene Recherche