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Tickende Zeitbombe im Grunewald: Hat der Senat die Gefahr unterschätzt?


Tickende Zeitbombe im Grunewald
Wir sind nicht mehr im Kalten Krieg

MeinungEin Kommentar von Antje Hildebrandt

Aktualisiert am 05.08.2022Lesedauer: 3 Min.
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Gepanzerte Fahrzeuge: Die Bundeswehr ist vor Ort mit Spezialtechnik im Einsatz. (Quelle: t-online)

Wegen des Großbrands diskutiert Berlin über den Sprengplatz im Herzen des Grunewalds. Hat der Senat die Gefahr unterschätzt?

Einen Tag, nachdem im Grunewald plötzlich Munition explodierte und das größte Feuer der Nachkriegsgeschichte in Berlin ausbrach, steht die Frage wie ein rosafarbener Elefant im Raum: Warum gibt es mitten im Grunewald einen Sprengplatz?

Alte Berliner kennen die Antwort schon. Der Platz ist ein Relikt aus der Zeit, als die Stadt noch geteilt war. Ein Gelände von 80.000 Quadratmetern Fläche, auf dem Bomben aus dem Zweiten Weltkrieg deponiert und entschärft wurden – weit weg von der Stadt, die damals noch eingemauert war. Es war eine Notlösung der Alliierten, aber sie wurde zum Dauerzustand. Und schon länger wird in der Politik darüber gestritten, ob es nicht höchste Zeit sei, für die Lagerung und Sprengung von Munitionsfunden einen neuen Standort zu suchen.

Sprengplatz in Berlin: Eine tickende Zeitbombe

Der Grunewald ist schließlich kein Truppenübungsplatz. Er ist ein beliebtes Naherholungsgebiet, das täglich Tausende Berliner anzieht: Spaziergänger, Radfahrer, Hundefreunde, Familien mit Kindern. Auf dem Gelände schlummern aber 30 Tonnen Kampfmittel und Munition, sowie mehrere hundert Kilo Pyrotechnik, die die Polizei in der Stadt beschlagnahmt hat. Die Sicherheitsanforderungen an das Gelände sind ziemlich hoch. Um den Sprengplatz hat die Polizei eine fünf Meter hohe, breite Brandschutzschneise in den Boden gezogen. Das Gelände hat eine eigene Brandmeldeanlage. Die Munitionsdepots werden im Sommer dauerhaft beregnet, damit sich der in ihnen enthaltene Phosphor bei hohen Temperaturen nicht entzünden kann.

Trotzdem bleibt ein Risiko. Der Klimawandel hat aus solchen Geländen tickende Zeitbomben gemacht. Die Brandenburger können ein Lied davon singen. Im Boden der Wälder schlummern bis heute Bomben und Munition aus dem Zweiten Weltkrieg. Eine unachtsam weggeschnippte Zigarettenkippe reicht, um einen Großbrand zu verursachen. Im Sommer kommt die Feuerwehr mit dem Löschen von Waldbränden kaum noch hinterher.

Der Großbrand wird zum Politikum

Handelt der Berliner Senat nicht grob fahrlässig, wenn er die Bürger im Grunewald diesem Risiko aussetzt? Es ist eine alte Debatte, und befeuert wird diese Debatte jetzt wieder von der Berliner CDU. Schon 2004 hatte sie beantragt, Berlin und Brandenburg sollten sich an anderer Stelle einen Sprengplatz teilen, wenn möglich, weit weg vom Schuss. Doch der rot-rote Senat nahm die Warnungen nicht ernst.

Jetzt trumpft der Chef der Berliner CDU auf. Noch ist gar nicht geklärt, warum am frühen Donnerstagmorgen die Munition explodiert ist, da fordert Kai Wegner, der Senat müsse den Sprengplatz im Grunewald sofort schließen und ein neues Areal suchen, fernab der Stadt.

Auf die Idee ist die Berliner Polizei auch schon selbst gekommen. In Brandenburg gibt es einen ähnlichen Sprengplatz in Kummersdorf, 40 Autominuten südlich von Berlin. Warum sollte man sich dieses Gelände nicht mit den Kollegen aus Brandenburg teilen?

Was spricht gegen den Standort Brandenburg?

Der Plan scheiterte aus zwei Gründen. In Kummersdorf gibt es nicht genug Platz, um Munitionsvorräte zu entschärfen und deponieren. Auch der Transport ist ein Problem. "Auch eine grundsätzlich entschärfte Weltkriegsbombe möchte man nicht 80 Kilometer weit fahren", sagt der Sprecher der Berliner Polizei, Thilo Cablitz.

Nach dem Großbrand sollte der Senat das Thema jetzt aber schleunigst wieder auf die Tagesordnung setzen. Warum ging im Grunewald mitten in der Nacht eine Bombe hoch? Liegt das wirklich am Klimawandel, oder war es möglicherweise Brandstiftung? Was die Stadt jetzt braucht, ist eine gründliche Gefahren-Analyse, keine politischen Schnellschüsse, keine gegenseitigen Schuldzuweisungen.

Sollte sich der Verdacht erhärten, dass der Grunewald kein sicherer Ort mehr ist, muss schnell ein anderes Gelände für den Sprengplatz her. Franziska Giffey (SPD) hat das erkannt. Die eilig aus ihrem Urlaub zurückgekehrte Bürgermeisterin hat am Donnerstag angekündigt, sie werde mit Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke gemeinsam nach einer Lösung suchen. Man kann nur hoffen, dass das kein Lippenbekenntnis bleibt. Wenn es um die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger geht, darf die Stadt kein Risiko eingehen.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
  • rbb-Abendschau: "Sprengplatz im Grunewald seit Jahren umstritten"
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