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Prozess um Tod von Hertha-Fan | Angeklagter: "Es tut mir unendlich leid"


Hertha-Fan starb nach Streit
Biere, Wodka, weißes Pulver: So kam es zum tödlichen Schlag

Von Jannik Läkamp

Aktualisiert am 24.02.2023Lesedauer: 5 Min.
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Beginn Prozess wegen des Todes eines Hertha-FansVergrößern des Bildes
Brandon H. und sein Verteidiger Thomas Löcker aus Rostock: H. soll im Streit einen Fan der Hertha getötet haben. (Quelle: Paul Zinken/dpa/dpa-bilder)

"Es tut mir unendlich leid": Nach dem Tod eines Hertha-Fans steht nun der Angeklagte vor Gericht. Er äußerte sich emotional – will jedoch nicht angefangen haben.

Es war wohl das tragische Ende eines Streits nach einem Fußballspiel: Nach einem Relegationsspiel zwischen Hertha und dem Hamburger SV im Mai 2022 liegt ein 55-jähriger Fan der Hertha tot am Boden. Nun steht der mutmaßliche Täter vor Gericht. Vorgeworfen wird ihm schwere Körperverletzung mit Todesfolge. Gleich zu Beginn äußert der Angeklagte Bedauern für die Tat. Auch ein Freund des Verdächtigen macht eine interessante Aussage, er war mit dem Mann im Stadion.

Angeklagt ist ein 25-Jähriger aus Rostock, Brandon H. Zum Tatzeitpunkt war er noch 24 Jahre alt. Ein junger Mann, kurze Haare, kurzer Bart, im blauen Hemd sitzt er im Gerichtssaal. Er soll nach dem Spiel im Streit dem Hertha-Fan mit der Faust ins Gesicht geschlagen haben. Dadurch sei dieser ungebremst zu Boden gefallen und mit dem Hinterkopf auf dem Asphalt aufgeschlagen. Der 55-Jährige erlitt laut Anklage ein schweres Schädel-Hirn-Trauma und starb wenige Tage später in einem Krankenhaus.

Berlin: Nach Tod von Hertha-Fan – Verdächtiger zeigt Bedauern

Der große Saal 500 im Amtsgericht Tiergarten, in dem die Verhandlung stattfindet, ist voll. Zahlreiche Pressevertreter und Zuschauer sind vor Ort, einige für den Prozess extra nach Berlin gereist. Zu Beginn des Verfahrens wird ein schriftliches Geständnis von Brandon H. verlesen. Der gelernte Hafenlogistiker hört dabei schweigend zu, blickt auf seine gefalteten Hände vor sich auf dem Tisch.

In seinem Geständnis gibt der Verdächtige den Schlag zu. Auch berichtet er sehr emotional von den Folgen seiner Tat. "Ich hätte nicht damit gerechnet, dass ein Schlag so große Schäden anrichten kann. Ich hätte nie zugeschlagen, wenn ich von den Folgen gewusst hätte." Auch entschuldigt sich Brandon H. in der Einlassung für seine Tat. "Es tut mir unendlich leid, auch wenn ich weiß, dass eine Entschuldigung nicht ausreicht."

Als er von dem Tod seines Kontrahenten erfahren habe, habe er, der selbst eine Familie hat – einen Sohn und eine Verlobte – jeden Tag an den Mann und seine Familie gedacht. Er habe nach der Tat viel Alkohol getrunken, um zu verdrängen. Er sei verzweifelt gewesen. Auch habe er sich stellen wollen, dazu sei es aber aus persönlichen Gründen bis zu seiner Verhaftung nicht gekommen.

Jeden Tag an Opfer und Familie gedacht

Brandon H. gibt jedoch auch an, nicht als Erster zugeschlagen zu haben, sondern provoziert worden zu sein. Direkt nach dem Schlag soll er auch von einer Gruppe anderer Fans gejagt und angegriffen worden sein. Das schriftliche Geständnis bestätigt der Angeklagte nach dem Vorlesen mündlich, lässt durch seinen Verteidiger mitteilen, sich an einem späteren Prozesstag auch selbst noch zu Wort melden zu wollen.

Als erste Zeugin ist die Verlobte von Brandon H. geladen, eine 32-jährige Arzthelferin. Als Verlobte gilt für sie das Zeugnisverweigerungsrecht, davon will sie Gebrauch machen, auch eine Aussage bei der Polizei zurückziehen. Der Richter hat jedoch zunächst Zweifel an der Echtheit der Verlobung, schließlich könnte dies auch ein Trick der Verteidigung sein. Die beiden sind noch nicht lange ein Paar. Doch sie kann den Richter überzeugen. Mit dem Heiratsantrag, den sie dem Verdächtigen bei einem Besuch in der U-Haft gemacht haben will, wolle sie zeigen, dass sie hinter ihrem Verlobten stehe. "Egal was kommt."

Noch auf der Hinfahrt: Alkohol und Drogen

Danach wird Michael K. in den Zeugenstand gerufen. Er ist ein Freund des Angeklagten, der Schwager seiner Verlobten. Der 28-Jährige fuhr damals zusammen mit Brandon H. zu dem Fußballspiel, nahm ihn nach der Tat wieder mit zurück nach Rostock. Seiner Aussage wird in dem Prozess wohl große Bedeutung zukommen. Er gibt an, der Verdächtige habe schon auf der Hinfahrt zu dem Spiel viel Alkohol getrunken, mehrere Biere, eine dreiviertel Flasche Wodka. Auch soll Brandon H. noch im Auto, kurz vor Berlin, Drogen konsumiert haben. "Er zog mit einem Geldschein weißes Pulver von seinem Handybildschirm." Während des Spiels habe H. weitergetrunken, sei angetrunken gewesen.

Nach dem Spiel sei es dann zu dem verhängnisvollen Zwischenfall gekommen. Die beiden seien mit dem Auto losgefahren, noch in der Nähe des Olympiastadions habe Michael K. einen Fußgänger, das spätere Opfer, übersehen. Nur kurz vor dem Mann sei er zum Stehen gekommen. Der Hertha-Fan habe ihm und H. dann beide Mittelfinger gezeigt und auf die Motorhaube geschlagen.

Das hätte die beiden Rostocker geärgert. Der Angeklagte soll daraufhin gesagt haben: "Halt mein Bier, ich kläre das", und aus dem Auto ausgestiegen sein. Daraufhin muss es zu dem verhängnisvollen Streit gekommen sein, K. sei aber schon weitergefahren und habe in der Nähe geparkt. Einige Minuten später sei H. wieder zu dem Auto gelaufen. "Ich dachte, er will einsteigen. Aber er warf nur sein Handy ins Auto und lief weiter. Er wurde von mehreren Männern verfolgt", sagt K. in seiner Aussage. Erst rund zwei Stunden später und nach einer längeren Suche hätten sich die beiden Männer wiedergetroffen. H. habe dann gehumpelt, aber nicht darüber reden wollen, was passiert war. Er sei dann auch bald im Auto eingeschlafen.

Nach Tod des Opfers: "In Tränen ausgebrochen"

Die beiden Freunde hätten auch später nicht über den Vorfall gesprochen – erst als die ersten Medienberichte über den Vorfall publik wurden. Zu dem Zeitpunkt lag das 55-jährige Opfer noch im Koma. Die Polizei hatte seinerzeit mit einem Phantombild nach einem Verdächtigen gesucht. Das Bild war auf Grundlage einer Zeugenaussage erstellt worden. Schließlich wurde der aus Rostock stammende 24-Jährige als mutmaßlicher Täter identifiziert.

Auch Michael K. habe sich dann an den Vorfall erinnert, H. anhand der Zeugenaussage erkannt. Daraufhin hätten die beiden über die Tat gesprochen. H. soll gesagt haben, der andere habe ihn zuerst geschlagen, danach habe er einen Schlag ausgeteilt. "Da ist dann aber schon eine Gruppe anderer Fans auf ihn losgegangen, hat er gesagt." Der Angeklagte sei bei dem Gespräch bedrückt gewesen, am Boden zerstört. Als dann der Tod des Opfers bekannt wurde, habe er zwar erst einmal nicht mehr über den Vorfall gesprochen. "Er hat total zugemacht." Irgendwann sei H. dann in Tränen ausgebrochen und soll gesagt haben: "Ich habe das nicht gewollt."

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Am 3. August 2022 kam er zunächst in Untersuchungshaft, inzwischen ist er jedoch wieder auf freiem Fuß. Für den Prozess sind noch sieben weitere Verhandlungstage angesetzt.

Hertha BSC hatte damals mit großer Bestürzung auf den Tod des Fans reagiert und der Familie und Angehörigen ihr Beileid ausgesprochen. Auf der außerordentlichen Mitgliederversammlung Ende Juni gab es eine Schweigeminute für den Mann. Ebenfalls rief der Verein Zeugen auf Twitter dazu auf, sich bei der Polizei zu melden.

Verwendete Quellen
  • Reporter vor Ort
  • Presserolle der Berliner Strafgerichte
  • Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
  • Hertha BSC auf Twitter
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