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"Löwin" in Berlin: So oft wurde das Wildschwein gesichtet


"Auf 20 Meter ohne Zweifel"
So oft wurde die vermeintliche Berliner Löwin gesichtet

  • Jonas Mueller-Töwe
Von Yannick von Eisenhart Rothe, Jonas Mueller-Töwe

Aktualisiert am 31.08.2023Lesedauer: 4 Min.
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Michael Grubert: Der Bürgermeister von Kleinmachnow erklärt, weshalb es sich bei dem gesuchten Raubtier nicht um eine Löwin handelt. (Quelle: Paul Zinken/dpa/dpa-bilder)

Zwei Tage lang hielt eine vermeintliche Löwin das beschauliche Kleinmachnow in Atem. Das Einsatzprotokoll gibt einen Einblick hinter die Kulissen der Jagd auf ein Phantom.

Ein verwackeltes Handyvideo, aufgenommen im Juli in Kleinmachnow bei Berlin, löste eine der meist verfolgten Geschichten des Sommers aus. Darauf zu sehen war ein Tier, das viele auf den ersten Blick für eine Löwin hielten.

Wie geht eine Gemeinde damit um, wenn vermeintlich ein gefährliches Raubtier durch die Straßen zieht und jederzeit auf Menschen treffen könnte? t-online liegt das ausführliche Einsatzprotokoll der Gemeinde Kleinmachnow vor, die die Suche größtenteils koordiniert hat. Es gewährt spannende Einblicke in den Ablauf der Jagd auf die Löwin, die gar keine war. Und zeigt, wie viele Menschen beteuerten, eine Löwin gesehen zu haben.

19. Juli, später Abend

Alles beginnt mit einem Video, das Nico M. aufnimmt. M. ist mit dem Auto in Kleinmachnow unterwegs, als er plötzlich Wildschweine sieht. Er filmt sie mit dem Handy und schickt das Video sofort an Freunde, ohne sich dabei etwas zu denken.

In der Freundesgruppe entfachte dann aber eine Diskussion um das Tier, das im Video zu sehen ist. Sieht so wirklich ein Wildschwein aus? Nico M. schaut sich das Video selbst noch einmal an und glaubt jetzt auch nicht mehr, dass das ein Wildschwein ist, was er da gefilmt hat. Ein Freund und dessen Vater verständigen die Polizei. Die Suche beginnt.

20. Juli, 3.15 Uhr

Die Polizei Brandenburg warnt erstmals die Öffentlichkeit. Auf Twitter schreibt sie: "#Eilnews. Bitte meiden Sie es aufgrund eines entlaufenen Wildtieres aktuell im Bereich Kleinmachnow, Teltow und Stahnsdorf, das Haus zu verlassen." Suchmaßnahmen der Polizei sind im Gange.

8 Uhr: Sichtung "auf 20 Meter ohne Zweifel"

Die Polizei Brandenburg übergibt die Einsatzleitung an das Ordnungsamt der Gemeinde Kleinmachnow. Der Lagedienst der Polizei teilt der Gemeinde mit, dass es eine "gesicherte Meldung der Raubkatze" um 5.16 Uhr am Stahnsdorfer Damm/Hufeisen gegeben habe. Später teilt die Polizei mit, dass diese Sichtung in den Morgenstunden "durch eine Funkstreifenwagenbesatzung auf 20 Meter ohne Zweifel" erfolgt sei.

8.05 Uhr

Das Ordnungsamt nimmt Kontakt zum Veterinäramt des Landkreises Potsdam-Mittelmark auf. Ein Tierarzt und zwei Jäger stehen auf Abruf, falls sie benötigt werden.

10.46 Uhr

Aus der Beethovenstraße im benachbarten Stahnsdorf wird die Sichtung eines "großen Tieres" gemeldet. Die Polizei fährt dorthin, findet aber nichts.

11.21 Uhr

Die Polizei meldet dem Ordnungsamt, dass zwei Drohnentrupps im Einsatz sind, um nach dem Tier zu suchen. Außerdem stehen Präzisionsschützen bereit. "Vornehmlich Immobilisation des Tieres anvisiert, soweit Lage dies hergibt", heißt es im Einsatzprotokoll.

12.30 Uhr: Tier mit Hubschraubern aufscheuchen?

In der Einsatzleitung wird über die Idee diskutiert, Hubschrauber im Tiefflug über den Wald fliegen zu lassen, um das Tier aufzuscheuchen. Nach Rücksprache mit dem Veterinäramt wird dies aber verworfen.

14.04 Uhr

Ein Feuerwehrmann meldet, dass er im Bereich des Campingplatzes Dreilinden ein "großes, helles Tier", gesichtet habe. Er beschreibt es als sandfarben hell und schätzt die Schulterhöhe auf einen Meter. Er habe es aus 50 Metern Entfernung auf einem Waldweg gesehen.

Das Ordnungsamt fragt bei der Polizei an, ob sie einen Hubschrauber dorthin schicken kann. Da zu dem Zeitpunkt aber keiner in der Luft ist, werden Bodentrupps nach Dreilinden geschickt. Kleinmachnows Bürgermeister Michael Grubert erteilt dem Jagdpächter die Erlaubnis, das Tier zu betäuben oder abzuschießen.

14.39 Uhr

Das Ordnungsamt bespricht mit dem Veterinäramt, was zu tun ist, wenn die vermeintliche Löwin wirklich gefangen werden sollte. Schließlich erklärt sich der Tierpark Berlin bereit, den Transport und die Unterbringung des Tieres zu übernehmen.

16.18 Uhr

Gut zwei Stunden nach der Sichtung in Dreilinden kommt die Meldung von der Polizei: Die Suche hat nichts ergeben. Keine Spur von einer Löwin.

16.38 Uhr

Das Ordnungsamt Kleinmachnow übergibt die Einsatzleitung für den Abend und die Nacht zurück an die Polizei Brandenburg.

21. Juli, 7.25 Uhr: Eindeutig "Großkatze identifiziert"

Das Ordnungsamt ist wieder im Dienst. Die Leiterin des Veterinäramts berichtet, dass Einsatzkräfte der Polizei das Tier in der Nacht erneut gesichtet und eindeutig eine "Großkatze identifiziert" hätten.

7.44 Uhr

Erstmals ist im Einsatzprotokoll von Zweifeln an der Löwen-Theorie die Rede. Ein namentlich nicht weiter genannter Experte meldet sich telefonisch bei der Gemeinde und berichtet, dass er über Nacht Bilder gesichtet und analysiert habe. Er sei zu dem Schluss gekommen, dass es sich nicht um einen Löwen handle.

8 Uhr

Die Polizei beschließt, das Gebiet, wo Nico M. das Video aufgenommen hat, systematisch mit einer Menschenkette zu durchsuchen. Diese Suche beginnt eine Stunde später.

8.37 Uhr: Ein Fährtenleser meldet sich

Georg Messerer, ein Experte für Tierfährten, bietet der Gemeinde Kleinmachnow seine Hilfe an. "Um eine Raubkatze ausschließen zu können bzw. zu bestätigen", heißt es im Einsatzprotokoll.

8.55 Uhr

Das Ordnungsamt teilt dem Veterinäramt mit, dass mittlerweile "mehrere unabhängige Stellen von einem Wildschwein ausgehen".

9.15 Uhr: "Raubkatze mit Hund in Konflikt"

Ein Anrufer meldet der Polizei, dass er in einem Wäldchen am Schleusenweg in Kleinmachnow einen Löwen gesehen habe. "Raubkatze mit Hund in Konflikt", schreibt das Ordnungsamt ins Einsatzprotokoll. Die Einsatzkräfte und ein Jäger eilen dorthin.

9.49 Uhr

Wieder einmal finden die Einsatzkräfte vor Ort keinen Löwen. Allerdings befindet sich eine Rotte Wildschweine in dem Wäldchen. Der Zeuge behauptet weiter felsenfest, einen Löwen gesehen zu haben. Polizei und Jäger ziehen wieder ab.

12 Uhr

Die Suche am Ort der Videoaufnahme wird ebenfalls ergebnislos abgebrochen.

12.19 Uhr

Der Fährtenleser Georg Messerer trifft ein. Laut "Tagesspiegel" hat dieser sich vorher mit internationalen Experten abgestimmt. Diese gehen davon aus, dass auf dem Video keine Großkatze zu sehen ist, sondern ein Wildschwein. Messerer teilt der Einsatzleitung diese Einschätzungen mit.

12.36 Uhr

Das Veterinäramt teilt Bürgermeister Grubert mit, dass Haar- und Kotproben an das Leibniz-Institut in Berlin geschickt wurden. Diese ergeben später, dass es sich um ein Wildschwein handelte.

13.10 Uhr: Entwarnung

Bürgermeister und Polizei geben eine Pressekonferenz. Dabei teilt Michael Grubert mit, dass bei den Durchsuchungen keine Hinweise auf eine Löwin gefunden wurden. Außerdem seien zwei unabhängige Experten nach Ansicht des Videos zu dem Schluss gekommen, dass es sich bei dem Tier um ein Wildschwein handle. Er zeigt Fotos der Analyse der Experten. "Nach allem menschlichen Ermessen gehen wir davon aus, dass es keine Löwin ist", sagt Grubert. Die Gefährdungslage wird aufgehoben. Die wohl mitunter aufregendsten Stunden in der Geschichte des beschaulichen Kleinmachnows enden.

Verwendete Quellen
  • Einsatzprotokoll der Gemeinde Kleinmachnow
  • twitter.com: Post der Polizei Brandenburg vom 20. Juli
  • t-online.de: "Keine Löwin in Berlin: Das sagt der Filmer des Videos"
  • tagesspiegel.de: "Rekonstruktion der Löwenjagd: Wie kam es zur Sommersensation, die keine war?"
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