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TV-Koch Tim Raue verrät: Das ist wirklich der beste Döner in Berlin


Starkoch Tim Raue
Erhöhung der Mehrwertsteuer? "Die ganze Branche zittert"


Aktualisiert am 17.09.2023Lesedauer: 5 Min.
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Koch und Gastronom Tim Raue (Archivbild):Vergrößern des Bildes
Koch und Gastronom Tim Raue (Archivbild): "Ich wurde als Kind auf übelste Weise von meinem Vater verprügelt." (Quelle: IMAGO / Future Image)

Tim Raue ist einer der besten Köche Deutschlands. Im Interview spricht er über Kreuzberg, Gewalt, den Görlitzer Park und seinen Lieblingsdöner.

Ein sehr beschäftigter Mann ist er, der Starkoch Tim Raue. Das Interview gibt er telefonisch aus dem Taxi, auf dem Weg von einem Termin zum anderen. Aber als es um sein Kreuzberg geht, ist er sofort voll bei der Sache.

t-online: Friedrich Merz hat kürzlich gesagt, dass Kreuzberg nicht Deutschland sei. Was sagen Sie als Kreuzberger dazu?

Tim Raue: Zu parteipolitischen Aussagen will ich mich nicht äußern. Ich kann Ihnen aber sagen, was Kreuzberg für mich bedeutet.

Gerne.

Wenn man mich fragt, woher ich komme, denke ich nicht zuerst an Deutschland. Ich bin Berliner und vor allem durch und durch Kreuzberger. Hier ist es egal, welche Religion du hast, welche sexuelle Orientierung, oder ob du grüne Haare hast. Diese Freiheit, diese Möglichkeiten bieten nur wenige andere Orte in Deutschland.

Wie hat sich Kreuzberg in den vergangenen Jahren verändert?

Mich frustriert es sehr, dass das Gewaltmonopol offenbar nicht mehr beim Staat liegt. Wenn ich etwa die Probleme mit Dealern im Görlitzer Park sehe. Ich verstehe nicht, warum da nicht knallhart durchgegriffen wird. Trotz meiner liberalen Einstellung sage ich: Das geht nicht. Das Kreuzberg meiner Jugend war eines, wo die meisten sehr wenig hatten, sich aber enorm unterstützt haben. Das ist heute verloren gegangen, auch durch die Gentrifizierung.

Aber gab es im Kreuzberg Ihrer Jugend weniger Gewalt?

Es war eine andere. Die brach sich vor allem am ersten Mai Bahn und war gegen die staatlichen Institutionen gerichtet. Aber auch das war eine schwachsinnige Gewalt, weil wir nicht verstanden haben, wie gut es uns geht.

Sie waren Mitglied der Jugendgang "36 Boys". Wie war Ihr persönliches Verhältnis zu Gewalt?

Ich habe Gewalt ausgeübt und das war definitiv falsch. Ich habe lange gebraucht, um zu verstehen, warum ich das gemacht habe. Ich wurde als Kind auf übelste Weise von meinem Vater verprügelt. Irgendwann wurde ich vom Opfer zum Täter. Aber die Gewalt richtete sich gegen andere Gangs, nie gegen unbeteiligte Zufallsopfer.

Was würden sie denn tun, um die heutige Situation zu ändern?

Ich bin sehr häufig in Singapur. Das müssten wir uns in einigen Belangen mal zum Vorbild nehmen. Da sind noch alle Teil der Gesellschaft, bringen sich mit Arbeit oder sozialen Leistungen ein, es gibt ein sehr gutes Miteinander.

In Singapur gibt es sehr strenge Gesetze. Zum Beispiel ist Kaugummikauen verboten.

Ach ja, das wird immer wieder gerne ausgepackt. Das greift aber viel zu kurz. Damit ausgespuckte Kaugummis das Stadtbild nicht verschandeln, haben sie die halt verboten. Oder möchten Sie, dass bei Ihnen zu Hause auf den Boden gespuckt wird? In Singapur gibt es für Fehlverhalten dieser Art Geldstrafen. Und auch ich finde, dass Strafen finanziell wehtun müssen. Das tun sie hier vielen offenbar nicht. Wenn Telefonieren am Steuer 5.000 Euro kosten würde, würde das auch niemand mehr machen.

Spüren Sie denn in Singapur dieselbe Freiheit, die sie an Kreuzberg so schätzen?

Auch in Singapur spüre ich Freiheit, wenn natürlich auch anders als in Kreuzberg. Frei Drogen nehmen kann man da zum Beispiel nicht, da droht einem die Todesstrafe. Und natürlich verurteile ich das. Ich behaupte auch nicht, dass Singapur alles richtig macht, aber gewisse Dinge finde ich dort eben besser.

Was hat Sie damals aus der Gang rausgeholt?

Meine Jugend war vorbei und damit auch die Zeit in der Gang. Ich habe eine Ausbildung als Koch angefangen und hatte einfach keine Zeit mehr dafür.


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Am 1. Mai haben sie Polizisten aus Bayern rangekarrt, die nur dafür da waren, Stressmacher wie mich windelweich zu prügeln. Und das haben sie dann auch gemacht.


Tim Raue


Hätten Ihnen damals härtere Strafen geholfen?

Leute, die ich kannte, sind im Knast gelandet, das hat schon abgeschreckt. Und der Staat hat mich davon überzeugt, dass er das Gewaltmonopol hat. Am 1. Mai haben sie Polizisten aus Bayern rangekarrt, die nur dafür da waren, Stressmacher wie mich windelweich zu prügeln. Und das haben sie dann auch gemacht. Da wusste ich, wer der King auf der Straße ist. Am nächsten 1. Mai habe ich lieber an meiner Coladose geschlürft. Die Lektion hatte ich verstanden.

Kommen wir zur Gastronomie: Wie geht es der Berliner Gastro-Szene?

Ich kann nicht für die Szene sprechen. Aber: Die ganze Branche zittert, weil die verringerte Mehrwertsteuer für die Gastronomie am Ende des Jahres auslaufen soll. In der deutschen Politik werden Essen und Trinken einfach viel zu wenig wertgeschätzt.

Wie stark sind die Auswirkungen der Pandemie noch?

Berlin hat noch nicht das Tourismus-Niveau von vor der Pandemie erreicht. Und die Berliner Spitzengastronomie ist vom Tourismus abhängig. Deshalb läuft es nicht für alle gut, für einige sogar gar nicht gut. Hinzu kommt die Rezession, die es nicht einfacher macht. Da müssen Gastronomen sich noch mehr hinterfragen und den Menschen etwas bieten, damit sie noch kommen. Heutzutage möchten die Gäste nicht nur essen, sondern unterhalten und begeistert werden. Und das noch zu einem Preis-Leistungs-Verhältnis, das nachvollziehbar ist.


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Wir ringen jeden Monat darum, wo wir Preiserhöhungen von Lebensmittel und Energie weitergeben müssen.


Tim Raue


Ihr Restaurant gehört zu den besten in Deutschland. Das Menü kostet aktuell 268 Euro. Wären Sie nicht auch noch ausgebucht, wenn sie 100 Euro mehr nehmen würden?

Wir als Kreuzberger sehen schon eine Verantwortung, nicht zu gierig zu werden. Es geht uns nicht darum, den letzten Euro rauszupressen. Ich halte ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis für ganz entscheidend, damit die Gäste zufrieden sind. Das schafft auch eine angenehmere Atmosphäre. Zu uns kann man in Anzug und Krawatte kommen, aber auch in zerschlissener Jeans und Flipflops. Unsere Qualität hat ihren Preis, was auch daran liegt, dass wir unsere Mitarbeiter sehr gut bezahlen. Aber wir ringen jeden Monat darum, wo wir Preiserhöhungen von Lebensmitteln und Energie weitergeben müssen und wo wir es lassen.

Weg von der Sterneküche: Was ist aktuell Ihr Lieblingsimbiss in Berlin?

Das kommt auf die Stimmung an. Aber ich ziehe immer den Döner der Currywurst vor.

Und was ist der beste Dönerladen?

Da gibt es drei. Mustafa’s Gemüsekebab ist natürlich großartig, Gründer Tarik kenne ich schon ewig. Da gehe ich aber nur hin, wenn ich Tarik erreiche und mich vordrängeln darf, die Schlange ist viel zu lang. Ich liebe auch den Superhahn in der Kantstraße, weil da die Saucen so schön kräftig gewürzt sind. Und drittens Rüyam, die haben mehrere Läden. Da flasht mich vor allem das knusprige Brot.

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Verwendete Quellen
  • Telefonisches Interview mit Tim Raue
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