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Oldenburg: Absoluter Exot – Dieser Mann besitzt seine eigene Lok


Vom Schrottplatz zurück auf die Schiene
Dieser Mann besitzt eine eigene Privat-Lokomotive

Von dpa
Aktualisiert am 30.11.2023Lesedauer: 4 Min.
Roland Sandkuhl, selbstständiger Lokführer aus Oldenburg, bedient seine Diesellokomotive der DB-Baureihe V 169 aus dem Jahr 1965.Vergrößern des BildesRoland Sandkuhl, selbstständiger Lokführer aus Oldenburg, bedient seine Diesellokomotive der DB-Baureihe V 169 aus dem Jahr 1965. (Quelle: Hauke-Christian Dittrich/dpa)
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Die Lok stand in einer Schrottecke und dennoch griff Roland Sandkuhl zu. Heute kann man ihn und sein Gefährt mieten – für Aufträge in ganz Deutschland.

Eigentlich begann alles auf einem Abstellgleis. Bald 40 Jahre ist es nun her, aber Roland Sandkuhl erinnert sich noch genau. "Ich habe die Lok in der Schrottecke entdeckt, bei einer Führung im Ausbesserungswerk Bremen", erzählt der Lokführer aus Oldenburg.

Eine Dieselzugmaschine der Baureihe 219, ein Einzelstück. Seit diesem Moment ließ er sie nicht mehr aus den Augen: Für Fotos mit der Lok reiste er später bis nach Italien, verfolgte jeden Bericht über ihre Unfälle und Reparaturen. Aber dass er die Lok eines Tages nicht nur als Modelleisenbahn besitzen würde? "Daran hab ich damals nicht mal im Traum gedacht."

Doch genau mit dieser Lok fährt Roland Sandkuhl nun beinahe täglich. Als selbstständiger Lokführer ist er quer durch Deutschland im Güterverkehr unterwegs, auch mal von Hamburg bis nach Offenburg. Er holt Waggons gefüllt mit Getreide oder Kerosin ab, bringt Eisenbahnwagen in die Werkstatt oder einfach nur zu einem anderen Bahnhof. "Die Lok und ich werden vermietet", erklärt der 55-Jährige. Dafür arbeitet er mit fünf privaten Eisenbahnverkehrsunternehmen zusammen, erledigt für sie unter anderem Aufträge für die Deutsche Bahn.

"Wenn das daneben geht, lande ich in einer Sozialwohnung"

Wenn eine Anfrage reinkommt, setzt sich Roland Sandkuhl an den Fahrplan. Er gibt die Daten für seine Fahrt in ein Online-Portal ein, das ganz ähnlich funktioniert wie die übliche Fahrplanauskunft der Deutschen Bahn. Keine zehn Minuten später erhält er digital die Abfahrtszeiten und die genaue Strecke für seine Fahrt, dann kann er von dem privaten Nebengleis in Oldenburg mit seiner Lok aufbrechen.

Lokführer war schon immer sein Traumberuf, erzählt der 55-Jährige. Mit Beginn seiner Ausbildung fängt er bei der Deutschen Bahn an, arbeitet später für ein privates Gleisbauunternehmen. Mehr als zehn Jahre fährt er dort mit einer Lok. Als sie ausrangiert wird, ist für ihn klar: Er möchte nicht mit einer neuen Zugmaschine fahren. Lieber macht er sich selbstständig und kauft seinem bisherigen Arbeitgeber die Lok ab. Ein gewagtes Unterfangen: Gerade einmal 50 Lokführer seien in Deutschland selbstständig, schätzt Sandkuhl. Nur vier davon mit einer eigenen Lok.

Auch bei Roland Sandkuhl mag es anfangs nicht klappen. Er bekommt die Lok nicht, dafür stößt er wieder auf die Dieselzugmaschine der Baureihe 219. "Ich hatte schon immer einen Bezug zu der Lok", meint der 55-Jährige. Sie stand nach einem Unfall jahrelang in einer Halle. Nach langem Überlegen und vielen Gesprächen kauft Sandkuhl die Lok im August 2021. "Mir war klar: Wenn das daneben geht, lande ich in einer Sozialwohnung."

Sandkuhl verbraucht seine gesamten Ersparnisse

Die Lok kostet Sandkuhls ganze Ersparnisse – und noch mehr Nerven. Als gelernter Schlosser schraubt und bastelt er ein Jahr lang an der Maschine, baut sich sogar eine Werkbank ein. Nur das Fahrwerk und die Bremsen übernahm eine zertifizierte Werkstatt in Brandenburg. Das Risiko an seiner Selbstständigkeit sei allein die Zugmaschine. "Die Karre muss laufen", sagt Sandkuhl. Das technische Wissen, jahrelange Erfahrung und jede Menge Kontakte bringt er mit.

Noch bevor er im September 2022 tatsächlich mit seiner Lok zur ersten Fahrt aufbricht, füllen sich die Auftragsbücher. "Wenn ich nicht fahre, brechen Welten zusammen", sagt Sandkuhl. Dann würden Waggons die Bahnstrecken blockieren, Güterwägen könnten nicht weiter eingesetzt werden. Denn seinen Traum vom Lokfahren teilen nicht mehr viele. "Uns fehlt der Nachwuchs. Junge Leute wollen nicht mehr nachts arbeiten oder am Wochenende."

Personalmangel macht Deutscher Bahn Probleme

Rund 19.400 Lokführer sind derzeit für die Deutsche Bahn (DB) im Einsatz, allein in diesem Jahr wurden 2.200 Lokführer nach Angaben des Konzerns eingestellt. "Doch auch die DB spürt mehr als früher: Der Fachkräftemangel nimmt stetig zu", teilt eine DB-Sprecherin mit. Ein Grund dafür sei der demografische Wandel. Aber wegen der vielen Baustellen müssten auch mehr Mitarbeitende eingesetzt werden. "Wenn Züge länger fahren, etwa wegen Umleitungen, müssen mehr Schichten besetzt werden", erklärt die Sprecherin. Die Bahn werde weiterhin "massiv rekrutieren" – Personal im Ausland anwerben, Mitarbeitende im Seniorenalter weiter beschäftigen und Quereinsteiger einlernen.

Solche Umschulungen zum Lokführer bietet Ronald Schmidt in Bremen und Wunstorf (Region Hannover) an. Auch er hat sich vor einigen Jahren als Lokführer selbstständig gemacht und seitdem 280 Kolleginnen und Kollegen ausgebildet. "Der gesellschaftliche Stellenwert des Lokführers muss wieder höher werden, weil mit der Tätigkeit eine große Verantwortung verbunden ist", sagt der 54-Jährige.

Bald soll auch ein Bett in seine Lok

Neben den Lokfahrschulen vermittelt Schmidt als Personaldienstleister Lokführer an Eisenbahnverkehrsunternehmen. "Wie viele Anfragen ich zum Wochenende bekomme, wie viele Züge wir übernehmen könnten … Wir sind schon lange an dem Punkt, dass wir das nicht mehr stemmen können." Das überlastete und sanierungsbedürftige Schienennetz sei gar nicht für mehr Zugfahrten ausgelegt, meint Schmidt. Früher habe er beispielsweise von Bremerhaven bis nach Fulda mit dem Zug sechs Stunden gebraucht – nun zwischen neun und zwölf Stunden. "Wir stehen an jedem zweiten Signalmast. Das kostet weitaus mehr Geld und man braucht insgesamt mehr Ressourcen."

Zwar soll das Schienennetz in Deutschland bis 2030 um rund 750 Kilometer wachsen. Aber im laufenden Jahr sei kein einziger Kilometer Schiene neu hinzugekommen, kritisierten kürzlich die Bahnwettbewerber. In den vergangenen sechs Jahren waren es demnach im Schnitt jährlich lediglich rund 23 Kilometer.

"Wir haben keinen Platz auf der Schiene", sagt auch Roland Sandkuhl. Warten gehört zu seinem Alltag als Lokführer, er sei schon mal zwei, drei Tage unterwegs. Erst recht bei einem Warnstreik der Lokführergewerkschaft GDL, wenn viele Stellwerke stillliegen. "Es kann sein, dass ich dann irgendwo strande." An solchen Tagen hilft ihm seine Kaffeemaschine im Führerstand und ein kurzes Nickerchen mit zurückgeklappter Lehne. Bald möchte Roland Sandkuhl neben seiner Werkbank noch ein Bett einbauen. "Man weiß ja nie, wann man ankommt."

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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