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Frankfurt: Rettungsdienstleiter spricht über Arbeit während Corona


Rettungsdienstleiter über Corona
"Wir beißen die Zähne zusammen, es kommen auch wieder gute Zeiten"

Pelin Abuzahra/Stadt Frankfurt

16.12.2020Lesedauer: 4 Min.
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Dr. Frank Naujoks, Ärztlicher Leiter Rettungsdienst des Frankfurter Gesundheitsamtes: Im Interview spricht er über die Arbeitsbelastung während der Pandemie.Vergrößern des Bildes
Dr. Frank Naujoks, Ärztlicher Leiter Rettungsdienst des Frankfurter Gesundheitsamtes: Im Interview spricht er über die Arbeitsbelastung während der Pandemie. (Quelle: Stadt Frankfurt)

Im Interview mit Pelin Abuzahra von der Stadt Frankfurt berichtet Rettungsdienstleiter Frank Naujoks von der aktuellen Belastung, warum der erste Lockdown hilfreich für die zweite Welle ist, und warum er trotz der enormen Arbeitsbelastung nicht aufgibt.

Frank Naujoks ist Ärztlicher Leiter des Rettungsdiensts im Frankfurter Gesundheitsamt. Der Anästhesist und Notfallmediziner studierte an der Goethe-Universität und ist in Frankfurt aufgewachsen. Damit hat Naujoks die Aufsicht über die medizinische Qualität des Rettungsdienstes. Zudem ist er maßgeblich am Aufbau des Corona-Impfzentrums in der Messe beteiligt.

Pelin Abuzahra/Stadt Frankfurt: Inwiefern hat sich Ihr Berufsleben seit Ausbruch der Corona-Pandemie verändert?

Frank Naujoks: Ich bin unglaublich stolz auf die Kolleginnen und Kollegen, die tagtäglich trotz der hohen Infektionsgefahr Einsätze im Rettungswagen fahren. Sie arbeiten die ganze Zeit mit Maske – und das bei körperlich belastender Arbeit. Am Anfang der Pandemie haben wir uns gefragt, was kommt da auf uns zu? Wir sahen die furchtbaren Bilder aus Italien und wussten: Wir müssen gut vorbereitet sein. Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht – so mussten wir für die zweite Welle und den zweiten Lockdown nichts neu regeln. Die Abläufe und die Prozesse im Kontaktfall zu einem Corona-Patienten sind klar geregelt.

Wie ist die Arbeitsbelastung momentan bei den Rettungsdiensten? Gibt es einen Unterschied zwischen der ersten und der zweiten Welle?

Beim ersten Lockdown haben wir einen Rückgang der Rettungsdienst-Einsätze registriert. Laut einer Untersuchung der DAK kamen in dieser Zeit zum Beispiel ein Viertel weniger Patienten mit Herzinfarkt-Verdacht ins Krankenhaus. Dafür gibt es keine sichere Erklärung, nur Thesen. Es kann sein, dass viele wegen der Ansteckungsgefahr Angst hatten, ins Krankenhaus zu gehen. Man stellte aber auch in einzelnen Fällen fest, dass Menschen einen Herzinfarkt durchgemacht haben und später ins Krankenhaus gegangen sind. Vielleicht trug auch die vermehrte Arbeit im Homeoffice, und damit der verringerte Stress des fehlenden 'zur Arbeit kommens' dazu bei, dass weniger Herzinfarkte auftraten.

Wie sieht die Situation zurzeit aus?

Momentan ist der Rettungsdienst stark belastet. Ein wichtiger Grund ist die jahreszeitlich bedingte Grippewelle. Außerdem müssen Patienten zum Teil wegen der tageweise ausgeschöpften Versorgungskapazitäten in umliegende Bereiche verlegt werden. Und die Zahl derer, die an Covid-19 erkrankt sind, und mit dem Rettungsdienst transportiert werden müssen, steigt. Denn bei einem milden Verlauf der Infektion müssen die Patienten nicht im Krankenhaus bleiben, aber in häuslicher Isolation verbleiben. Doch diese Patienten müssen ja auch nach Hause kommen – das übernimmt mittlerweile der Rettungsdienst, denn private Fahrer oder Taxis machen das meist nicht. Wir sind auch die Profis in Sachen Infektionskrankheiten und wissen, wie ein solcher Transport ablaufen muss.

Wie sieht Ihr Arbeitsalltag mit der Pandemie aus?

Ein Zwölf-Stunden-Tag und Arbeiten am Wochenende ist zurzeit Normalität bei uns allen im Gesundheitsamt. Ich habe auch bei der Kontaktverfolgung ausgeholfen, bis wir die personellen Hilfen von außen bekommen haben. Der Flughafen liegt im Zuständigkeitsbereich des Gesundheitsamtes und ich werde in einem Infektions- oder Verdachtsfall – wenn ich Rufdienst habe – dazu gerufen. Während der ersten Welle war ich gemeinsam mit den Infektiologen regelmäßig auf dem Vorfeld anwesend, als die Urlauber aus dem Ausland geholt wurden. Da damals das Nachtflugverbot aufgehoben war, zu jeder Zeit – auch nachts um drei.

Verraten Sie uns, wie viele Überstunden inzwischen aufgelaufen sind?

Ich liege da in einem dreistelligen Bereich, es gibt Kollegen im Gesundheitsamt, die haben Überstunden im vierstelligen Bereich. Auch die Arbeitsintensität ist enorm gestiegen. Wir müssen wesentlich schneller erfassen, handeln und umsetzen. Dass man Probleme dann auch mit nach Hause, mit ins Bett, in die Familie mitnimmt, ist leider nicht verhinderbar.

Gibt es etwas, das Sie in diesen Zeiten im Arbeitsalltag vermissen?

Ja, Dinge voranzubringen, neue Projekte zu beginnen, den Rettungsdienst noch weiter zu optimieren – all diese Dinge schiebe ich vor mir her, denn momentan reagieren wir mehr als zu agieren.

Sie sind inzwischen auch mit dem Aufbau des Corona-Impfzentrums betraut. Wie viele Menschen können pro Tag geimpft werden, wenn dieses in Betrieb geht?

In Frankfurt sollen zu Spitzenzeiten bis 4.000 Menschen am Tag geimpft werden, das ist die Zahl, die vom Land Hessen gefordert ist. Das ist das vierfache von der üblichen Impfquote in Landkreisen. Das liegt daran, dass Frankfurt so viele Einwohner hat, deshalb müssen täglich 4.000 Impfdosen zur Verfügung gestellt werden. Es muss sieben Tage die Woche geimpft werden, etwa 300 zu Impfende pro Stunde – das ist strukturell kein Problem, aber der Zeitmangel ist hier die große Herausforderung. Das Land legt nur grob das Konzept vor und es wird eine schnelle Umsetzung verlangt.

Und wie wollen Sie das schaffen?

Dafür brauchen wir medizinisches Personal – viele Medizinstudenten und Ärzte, die bereits in Rente sind, werden mitarbeiten. Aber auch medizinische Assistenten werden vor Ort gebraucht. Da wir ein akademisches Lehrgesundheitsamt sind, hat die Universität mit ihren Medizinstudierenden uns ihre Hilfe angeboten.

Können Sie verstehen, dass es in Teilen der Öffentlichkeit Vorbehalte gegen Corona-Impfungen gibt?

Absolut. Es ist ein neuer und innovativer Impfstoff, zu dem bislang zu wenige für die Allgemeinbevölkerung nachvollziehbare Informationen verfügbar sind. Aber es ist wahrscheinlich unsere einzige Möglichkeit, die Pandemie zu überstehen.

Wie motivieren Sie sich und die Mitarbeiter, trotz der enormen Belastung weiterzumachen?

In Berufen wie im Rettungsdienst, in Hilfsorganisation und Heilberufen ist Helfen in der DNA drin. Wir alle wissen, dass das System aufrechterhalten werden muss. Wir beißen jetzt die Zähne zusammen, in der Hoffnung, es kommen auch wieder gute Zeiten. Diese Zuversicht hilft uns allen, weiterzumachen.

Verwendete Quellen
  • Mitteilung der Stadt Frankfurt per E-Mail
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