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Hamburg: Sexualisierte Gewalt – mehr Männer Opfer von Vergewaltigungen


Zahlen steigen in Hamburg
Sexualisierte Gewalt: "Von Männern wird erwartet, kein Opfer zu sein"


09.02.2024Lesedauer: 3 Min.
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Mann stützt Gesicht in seine Hände (Symbolbild): Immer mehr Männer zeigen bei der Polizei Hamburg Vergewaltigungen an. (Quelle: Andriy Popov/imago-images-bilder)

Immer mehr Männer suchen sich nach sexualisierter Gewalt Hilfe. Doch das Beratungsangebot ausschließlich für männliche Betroffene ist klein – auch in der Millionenstadt Hamburg.

Seine Partnerin fordert von Thomas* immer wieder sexuelle Handlungen, die er nicht will. Marian* möchte Teil einer Gruppe werden – dann wird er während des Aufnahmerituals vergewaltigt. Situationen wie diese schildern Betroffene Clemens Fobian, Mitbegründer der Fachberatungsstelle "basis-praevent". Die Menschen, denen er hilft, haben eines gemein: Sie sind Jungen und Männer, die sexualisierte Gewalt erfahren haben.

Die Beratungsstelle hat großen Zulauf. Denn Angebote ausschließlich für männliche Opfer gibt es nur wenige. Doch der Bedarf wächst.

Immer mehr männliche Betroffene zeigen bei der Polizei Vergewaltigungen an. Während es sich im Jahr 2022 noch um 26 Fälle mit männlichen Opfern handelte, waren es 2023 bereits 45. Jan Hieber, Chef des Landeskriminalamtes, bezeichnet diese Entwicklung jüngst bei der Vorstellung der Kriminalstatistik als "bemerkenswert". Den Grund für den Anstieg sieht Hieber nicht in einer tatsächlichen Zunahme von Taten, sondern in der wachsenden Bereitschaft von männlichen Opfern, über Erlebtes zu sprechen.

Die Kollision mit dem männlichen Rollenbild

Männer stehen im öffentlichen Diskurs vor allem als Täter im Fokus. Während sich Präventionsangebote zwar immer häufiger an sie richten, gibt es hingegen kaum Anlaufstellen für männliche Opfer. Die Beratungsstelle "basis-praevent" richtet sich als einzige Institution in Hamburg ausschließlich an Jungen und Männer als Betroffene von sexualisierter Gewalt. Auch Trans-, Inter- und nichtbinäre Personen können sich an sie wenden.

"Von Männern wird erwartet, stark zu sein und kein Opfer zu sein. Sexualisierte Gewalt, die sich gegen Männer richtet, kollidiert mit diesem Rollenbild", erklärt Fobian. Deshalb falle es vielen Männern nicht leicht, sich Hilfe zu suchen.

Auch wenn die Zahl weiblicher Opfer die der männlichen deutlich übersteige, seien spezialisierte Hilfsangebote für Jungen und Männer laut Fobian wichtig. Diese würden auch helfen, Hemmungen zu nehmen, sich Hilfe zu suchen.

"Es geht um Demütigung"

Seit 2010 gibt es deshalb die Beratungsstelle "basis-praevent" in Hamburg. Mehr als 400 Beratungskontakte habe es innerhalb der vergangenen drei Jahre gegeben. Der Bedarf sei höher. Zeitweise gebe es Wartelisten.

"Männer erfahren sexualisierte Gewalt vor allem aus ihrem näheren Umfeld", erklärt Fobian. Etwa in der Partnerschaft, von Eltern und Bekannten. Rund 80 Prozent der Täterinnen und Täter sind männlich. Am häufigsten berät er Jungen und Männer, die in ihrer Kindheit Missbrauch erlebt haben. Doch auch Männer, die im Erwachsenenalter Opfer sexualisierter Gewalt werden, unterstützt er.

Die Sexualität stehe bei der sexualisierten Gewalt nicht im Fokus. "Es geht vor allem um Macht und Demütigung", sagt Fobian. Über das Erlebte zu erzählen, gelingt vielen Männern erst einige Jahre nach der Tat.

Finanzielle Förderung nur für Kinder und junge Männer

Viele Opfer, die sich an Fobian und seine Kollegin und seinen Kollegen wenden, sind zwischen 50 und 55 Jahre alt. Umso problematischer erscheint die finanzielle Förderung des Vereins. Denn: Seitens der Stadt wird nur die Beratung von männlichen Betroffenen bis 27 Jahren gefördert. Für die älteren Hilfesuchenden ist der Verein auf Stiftungsgelder angewiesen.

Fobian hofft, dass sich daran langfristig etwas ändert. Durch seine Arbeit mit den Betroffenen weiß er, dass der Schmerz auch nach vielen Jahren nicht immer verblasst. "Gewalterfahrungen wachsen oft mit", sagt er. Sein ältester Klient war 77 Jahre alt, die Tat lag rund 70 Jahre zurück. Das Leid blieb.

* Die Namen wurden von der Redaktion geändert

Verwendete Quellen
  • Vorstellung der Kriminalstatistik am 8. Februar 2024
  • Telefonat mit Clemens Fobian am 9. Februar 2024
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