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Julia Willie Hamburg: Streit um grüne VW-Aufsichtsrätin – sie ist die richtige Kandidatin


Autogegnerin im VW-Aufsichtsrat
Zur rechten Zeit am rechten Ort

  • Patrick Schiller ist t-online Regio Redakteur in Hannover.
MeinungVon Patrick Schiller

Aktualisiert am 11.11.2022Lesedauer: 3 Min.
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Julia Willie Hamburg auf dem Fahrrad (Archivbild): Die neue grüne Kultusministerin fährt selbst kein Auto, wurde aber für den VW-Aufsichtsrat nominiert.Vergrößern des Bildes
Julia Willie Hamburg auf dem Fahrrad (Archivbild): Die neue grüne Kultusministerin fährt selbst kein Auto, wurde aber für den VW-Aufsichtsrat nominiert. (Quelle: Grüne Niedersachsen/Ole Spata)

Eine Grüne und erklärte Autogegnerin soll VW-Aufsichtsratsmitglied werden – das sorgt für Kritik. Dabei könnte Julia Willie Hamburg genau die Richtige für den Job sein.

Eine Fahrradfahrerin mit abgebrochenem Studium, ohne Berufsausbildung, weiblich und dann auch noch eine Grüne: Fast alle Argumente gegen die Nominierung der neuen niedersächsischen Kultusministerin und Vize-Ministerpräsidentin Julia Willie Hamburg als zukünftige VW-Aufsichtsrätin sind oberflächlich, traditionell und vor allem eins: männlich.

Dabei ist die Besetzung des zweiten Aufsichtsratsmandats des Landes Niedersachsen durch eine kritische Stimme im Kontrollgremium des zweitgrößten Autoherstellers der Welt nicht nur ein Gewinn im Kampf gegen den Klimawandel, sondern auch für die Partei der Grünen.

Die 36-Jährige sei eine "offensichtliche Fehlbesetzung", sagte der Präsident der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz, Ulrich Hocker, der "Neuen Osnabrücker Zeitung" am Donnerstag; er prüfe nun eine Klage gegen die Entsendung Hamburgs. Hocker beruft sich dabei auf den VW-Geschäftsbericht aus dem Jahr 2021. Darin heißt es, dass der Konzern-Aufsichtsrat aus Fachleuten mit einem gewissen "Kompetenzprofil" bestehen müsse.

Auch der Autobranchenexperte Ferdinand Dudenhöffer sieht in Hamburgs Berufung eine problematische Entscheidung: Wer den "Weltkonzern VW" steuern wolle, müsse vor allem ein tiefes Verständnis und eine thematische Expertise in der Auto- sowie Zulieferindustrie mitbringen, sagt Dudenhöffer.

Einzelqualifikation im VW-Aufsichtsrat nicht entscheidend

Allerdings übersehen Hocker und Dudenhöffer, dass die Corporate Governance Empfehlung im Geschäftsbericht bei der Nominierung der Aufsichtsratsmitglieder nicht von Einzelanforderungen spricht: Der Nominierungsausschuss solle demnach Kandidaten wählen, die für die "Ausfüllung des vom Aufsichtsrat für das Gesamtgremium erarbeiteten Kompetenzprofils" geeignet sind. Qualifikationen einzelner Mitglieder stehen also per se gar nicht zur Diskussion, da der Gesamt-Aufsichtsrat über eine hinreichende Kompetenz verfügen soll.

"Ich bin mir sicher, Julia Willie Hamburg wird hier einen guten Job machen", sagt der frisch gebackene Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) über seine Kollegin. Lies war zwischen 2013 und 2017 selbst Aufsichtsrat beim Autobauer, weiß also, worauf es ankommt – und dass die im Landtag über Parteigrenzen hinweg respektierte Hamburg durchaus Kompromisse eingehen kann. Während der Corona-Pandemie gelang es ihr immer wieder, bei verschleppten Themen der Großen Koalition, wie etwa Luftfiltern an Schulen, immer wieder den Finger in die Wunde zu legen – und ihre Partei zurück an die Regierungsbank zu führen.

Bringt Kritik neue Impulse?

Auch der Schulterschluss mit der wirtschaftsliberalen FDP in der Opposition wurde unter der Führung der von Kritikern als manchmal "zu links" geltenden Hamburg fortgesetzt, wie der NDR im Sommer berichtete. Gemeinsam setzten sich beide Parteien gegen das rot-schwarze Polizeigesetz, für die Cannabis-Legalisierung ein und fanden auch in der Schulpolitik eine gemeinsame Linie. Wenn das kein Qualifikationsmerkmal ist, was dann?

Auch die Aktionäre brauchen keine Angst zu haben, wenn mit Hamburg eine kritische Person im VW-Kontrollgremium sitzt: Eine Umwelt- und Klima-Aufsichtsrätin bei VW könnte neue Ideen entfesseln – und potenzielle Skandale abwenden.

Auch ein Synergieeffekt ist möglich: Indem Hamburg die Grundgedanken der VW-China-Strategie in ihre Partei trägt und somit langfristig auch für mehr Realismus bei den Grünen sorgt. Vielleicht ist Julia Willie Hamburg genau darum jetzt die richtige Person im VW-Aufsichtsrat: zur rechten Zeit am rechten Ort.

Verwendete Quellen
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