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Jesidin droht die Abschiebung – weil ihr Vater Suizid begangen hat


Von Analphabetin zur Fachkraft
Suizid ihres Vaters bringt junge Jesidin in Abschiebegefahr

Von t-online, pas

Aktualisiert am 29.03.2023Lesedauer: 3 Min.
Ein Flugzeug der Fluggesellschaft Lufthansa startet hinter einem Sicherheitszaun mit Stacheldraht (Symbolfoto): Einer jungen Frau aus Hannover droht die Abschiebung.Vergrößern des BildesEin Flugzeug der Fluggesellschaft Lufthansa startet hinter einem Sicherheitszaun mit Stacheldraht (Symbolfoto): Einer jungen Frau aus Hannover droht die Abschiebung. (Quelle: Rene Traut/imago images)
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Hayfaa Sharaf Elias, eine junge Jesidin aus Hannover, die sich erfolgreich integrierte, soll mit ihrer Familie in den Irak abgeschoben werden. Ein Einzelfall?

Eine junge Jesidin aus Hannover, die 2017 als Analphabetin aus dem Nordirak nach Deutschland geflohen ist, steht offenbar kurz vor der Abschiebung. Hayfaa Sharaf Elias konnte bei ihrer Ankunft in Deutschland nicht einmal schreiben, hat aber trotzdem den Realschulabschluss gemacht und eine Lehrstelle als medizinische Fachangestellte gefunden. Trotz erfolgreicher Integration soll die heute 20-Jährige nun zusammen mit ihrer Familie in den Irak zurückgeschickt werden, weil das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) ihren Asylantrag abgelehnt hat. Das berichtete die "Hannoversche Allgemeine Zeitung" (HAZ).

Ihr Vater war nach dem Völkermord an den Jesiden durch den "Islamischen Staat" (IS) geflohen, hatte Asyl beantragt und später seine Familie nachgeholt. Doch inzwischen ist der Vater tot – Suizid.

Und sein Tod sorgt neben aller Trauer jetzt offenbar für weitreichende Probleme mit den deutschen Behörden.

Bundestag hat Völkermord an den Jesiden anerkannt

Denn obwohl der Bundestag den Völkermord an den Jesiden vor zwei Monaten offiziell anerkannt hat, werden Jesiden aus dem Irak verstärkt aus Deutschland abgeschoben. Laut einer Anfrage der Linken an die Bundesregierung bekamen nur noch 48,6 % der Jesiden 2022 einen Schutzstatus, im Vergleich zu 91,8 % im Jahr 2017. Im vergangenen Jahr wurden von 4706 Asylprüfungen zu Jesiden aus dem Irak 2420 abgelehnt.

Hayfaa Sharaf Elias und ihre Familie lebten früher viele Jahre in Shingal, einem Ort im Irak, wo am 3. August 2014 das Massaker gegen die Jesiden begann. Die Familie floh laut "HAZ" in die Berge, wurde jedoch vom IS gefangen genommen und mit vorgehaltener Waffe gezwungen, in die Stadt zurückzukehren. Der IS versuchte, die Jesiden zum Islam zu zwingen, und diejenigen, die sich weigerten, zu töten. Hayfaa Sharaf Elias und ihre Familie flüchteten erneut in die Berge und harrten sieben Tage aus, bevor sie in die Türkei und später nach Deutschland flüchteten.

In Deutschland angekommen, besuchte Hayfaa Sharaf Elias im Alter von fünfzehn Jahren zum ersten Mal eine Schule. Dreieinhalb Jahre später schloss sie mit ihrem Realschulabschluss ab. Auch ihre Geschwister besuchen Schulen und zwei von ihnen arbeiten bereits. Die 20-Jährige macht derzeit eine Ausbildung zur medizinischen Fachangestellten, die Übermöglichkeiten gelten laut "HAZ" als wahrscheinlich.

Vater stirbt nach Suizid-Versuchen

Nun will das BAMF die Familie jedoch aufgrund des Todes des Vaters zurück in den Irak schicken. Aufgrund seiner Kriegs- und Fluchterfahrungen litt er an psychischen Erkrankungen, darunter eine Depression mit psychotischen Schüben. Wie die "HAZ" weiter berichtet, soll er bei seiner Arbeit einen Mann mit einem Messer angegriffen haben. Sharafs Vater wurde für schuldunfähig erklärt und in die Psychiatrie eingewiesen. Dort beging er zwei Suizidversuche. Den zweiten überlebte er nicht.

Durch den Tod hat die Familie ihren Flüchtlingsschutz verloren, obwohl sie in ihrer Heimat voraussichtlich weiterhin verfolgt und diskriminiert werden würde. Dies steht im Widerspruch zum Beschluss des Bundestags zum Genozid an den Jesiden, der besagt, dass ihnen Schutz gewährt werden muss.

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Abschiebung sorgt für Empörung

Kai Weber vom Flüchtlingsrat Niedersachsen äußerte sich gegenüber der Zeitung empört und betont, dass Hayfaa Sharaf Elias kein Einzelfall sei. "Unfassbar", findet auch Autorin und Kriegsberichterstatterin Düzen Tekkal. "Erst vor zwei Monaten erkannte der Deutsche Bundestag den Genozid an den Jesiden offiziell an und jetzt sollen Sie abgeschoben werden?", fragt sie bei Twitter.

In der Vergangenheit wurde fast 1.500-mal der gewährte Schutzstatus für Jesiden aus dem Irak widerrufen. Das BAMF argumentiert zwar, dass es in der Heimatprovinz der Familie keine unmittelbare Verfolgung gibt, jedoch bleibt die Familie aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit gefährdet.

Hinweis: Falls Sie viel über den eigenen Tod nachdenken oder sich um einen Mitmenschen sorgen, finden Sie hier sofort und anonym Hilfe.

Verwendete Quellen
  • haz.de: ""Engagiert, beliebt, qualifiziert": Warum einer jungen Jesidin aus Hannover dennoch die Abschiebung droht" (kostenpflichtig)
  • Twitter-Account von Düzen Tekkal
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