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ÖPNV-Streik in Niedersachsen: Diese Probleme haben Busfahrer im Alltag


Busfahrerin über ihren Alltag
"Das ist körperlich wirklich anstrengend"


Aktualisiert am 29.02.2024Lesedauer: 4 Min.
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Busfahrerin Michaela Grube-Douak: Sie ist seit elf Jahren Busfahrerin in Braunschweig.Vergrößern des Bildes
Michaela Grube-Douak: Sie ist seit elf Jahren Busfahrerin in Braunschweig. (Quelle: Imago / spfimages / t-online)

Die Beschäftigten im öffentlichen Nahverkehr streiken, sie fordern Entlastung in ihrem Arbeitsalltag. Mit welchen Herausforderungen sie zu kämpfen haben.

Die Busse und Bahnen stehen in dieser Woche vielerorts einige Tage still, auch in Niedersachsen. Es wird gestreikt. Die Beschäftigten fordern mit dem Ausstand mehr Entlastung in ihrem Arbeitsalltag. "Es muss dringend etwas geschehen", sagt Marian Drews, Verhandlungsführer der Gewerkschaft Verdi in Niedersachsen. Denn die Anforderungen bei den Verkehrsbetrieben seien enorm. "Die Arbeitgeber aber wollen die Belastungsschraube durch Mehrarbeit noch weiter anziehen und den Krankengeldzuschuss kürzen." Das gefährde die Verkehrswende und sei rücksichtslos.

"Die Menschen gehen schon jetzt auf dem Zahnfleisch. Insbesondere im Fahrdienst, aber auch in den Werkstätten und in der Verwaltung", sagt Metin Dirim. Er ist stellvertretender Betriebsratsvorsitzender bei der Üstra in Hannover, hat selbst viele Jahre im Fahrdienst gearbeitet. Die Bedingungen seien sehr belastend, es fehlten Fahrer, der Krankenstand sei hoch. Im vergangenen Jahr, so Dirim, haben die Beschäftigten der Üstra insgesamt 44.000 Überstunden gemacht.

"Es ist schon so weit, dass sich die Kollegen ducken, wenn sie nach Feierabend beim Disponenten vorbeigehen", berichtet er. "Sie verstecken sich, damit er bloß nicht auf die Idee kommt, sie zu fragen, ob sie morgen noch einmal einspringen können."

"Das ist körperlich wirklich anstrengend"

Michaela Grube-Douak weiß aus eigener Erfahrung, wie sich die Belastung anfühlt. Die 52-Jährige arbeitet seit elf Jahren als Busfahrerin in Braunschweig. "Ich bin nur im Spät- und Nachtdienst", berichtet sie. An manchen Tagen müsse sie bis morgens um 5 Uhr arbeiten, um dann am Nachmittag desselben Tages um 16 Uhr wieder am Steuer zu sitzen. "Da liegen nur elf Stunden zwischen. Und man fährt ja nicht nach Hause, macht das Licht aus und kann direkt einschlafen." Die elf Stunden seien so knapp bemessen, dass sie manchmal nur fünf oder sechs Stunden Schlaf bekomme. "Das ist körperlich wirklich anstrengend."

Bei der Braunschweiger Verkehrs GmbH ist Grube-Douak seit 2013 tätig, seit 2015 ist sie Schmerzpatientin. "Man weiß nicht, ob da nicht auch ein Zusammenhang besteht", sagt sie. Alle 14 Tage müsse sie sich in einem Krankenhaus wegen der Schmerzen behandeln lassen. Damit sie nicht zu oft ausfalle, lege sie diese Termine immer auf ihre freien Tage. "Sonst rufen die eh an und fragen, ob ich einspringen kann", sagt sie. "Man kommt kaum zur Ruhe."

Da einen Ausgleich zu finden, ist gar nicht leicht. Um sich mit Freunden zu treffen, müsse sie weit im Voraus planen. "Was ich oft gar nicht kann, weil ich meine Dienste erst vier Tage vorher bekomme."

Busfahrer werden beleidigt und bedroht

Auch der Umgang mit den Fahrgästen sei manchmal schwierig. Sie grüßten kaum noch und seien nur am Meckern. "Sie sollten sich mal eine Woche lang zu uns in den Bus setzen. Um einfach einmal mitzubekommen, welche Arbeitszeiten wir haben. Worauf wir alles achten müssen, wie wir uns konzentrieren müssen."

Aber die Menschen seien respektloser geworden. "Oft werde ich schon angeblafft oder beleidigt, wenn ich nur nach der Fahrkarte frage." Zudem sei sie auch schon bedroht worden. "Man wollte mich sexuell belangen", erzählt sie. "Ich habe dann mit meinem Vorgesetzten gesprochen und gefragt, ob ich die Person weiter befördern muss. Und ja, das muss man, solange die Person eine Fahrkarte hat." Sie habe später eine Anzeige gegen den Fahrgast erstattet.

Trotzdem hallen solche Situationen natürlich nach. So gab es Zeiten, in denen es ihr mulmig auf der Arbeit war. "Ich kann nicht die ganze Zeit in den Rückspiegel schauen, wenn da jemand schon aggressiv einsteigt. Ich muss ja nach vorne gucken und auf den Verkehr achten."

Dafür wird im ÖPNV gestreikt

Verdi fordert unter anderem 33 Tage Urlaub für die Beschäftigten (drei Tage mehr als bisher). Zudem soll die Mindestruhezeit von elf auf zwölf Stunden verlängert werden und der Fahrdienst soll als Schichtarbeit gelten.

Kaum Zeit zum Essen und Durchatmen

Solche Probleme kennt auch Dominik Vogl. Er sei schon häufig von Fahrgästen beleidigt worden. "Und auch die Hemmschwelle zur Gewalt ist drastisch gesunken", sagt der 26-Jährige, der in Göttingen als Busfahrer arbeitet. "Die Leute trauen sich immer mehr, auch gegenüber dem Busfahrer – weil sie wissen, dass wir nicht viel machen können." Der Arbeitgeber aber stünde in solchen Situationen immer weniger hinter den Beschäftigten. "Man fühlt sich da oft alleingelassen."

Weitere Probleme sieht Vogl bei den Fahrtzeiten. Die Verkehrslage in Göttingen werde immer schwieriger, unter anderem aufgrund der vielen Radfahrer und Baustellen. An den Endhaltestellen bleibe ihm meistens nur wenig Ruhezeit. Und somit wenig Zeit, um kurz den Stress zu vergessen oder etwas zu essen. "Man hat regelmäßig so viel Verspätung, dass selbst für den Toilettengang keine Zeit mehr ist."

Nach Feierabend gelinge es ihm zwar, abzuschalten. Durch die Arbeit im Schichtdienst sei es aber schwierig, Zeit für Familie und Freunde zu finden. Seine fünfjährige Tochter frage oft, wo er sei.

Trotzdem mache Vogl die Tätigkeit an sich Spaß. "Ich habe auch wirklich schöne Tage in meinem Job. An denen ich mich mit den Fahrgästen unterhalten kann und ein Dankeschön dafür bekomme, dass ich ihnen helfe."

Verwendete Quellen
  • Persönliche Gespräche
  • Pressekonferenz vom Verdi-Landesbezirk Niedersachsen-Bremen
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