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Ehemalige KZ-Sekretärin hatte "reines Gewissen"


Itzehoe
Ehemalige KZ-Sekretärin hatte "reines Gewissen"

Von dpa
08.02.2022Lesedauer: 3 Min.
Prozess gegen frühere Sekretärin im KZ StutthofVergrößern des BildesDie 96-jährige Angeklagte sitzt zu Beginn des Prozesstages im Gerichtssaal neben ihren Anwälten. (Quelle: Marcus Brandt/dpa Pool/dpa/dpa-bilder)
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Knapp vier Jahre vor Beginn des Itzehoer Prozesses gegen eine ehemalige Sekretärin im KZ Stutthof hat die Beschuldigte in einer Vernehmung nach Angaben eines Beamten bestätigt, in dem Lager bei Danzig gearbeitet zu haben. Sie habe Anfang 2017 angegeben, dass sie als Schreibkraft für den damaligen KZ-Kommandanten Paul Werner Hoppe tätig war, sagte der Beamte der Staatsanwaltschaft am Dienstag als Zeuge vor der Strafkammer am Landgericht. Auf die Frage, ob sie dienstverpflichtet wurde, habe die Beschuldigte angegeben: "Ich wurde gerufen und musste gehen." Sie habe jedoch "ein reines Gewissen" und nie jemanden getötet. Auch habe sie keinerlei Tötungen im KZ wahrgenommen.

Die 96 Jahre alte Irmgard F. soll von Juni 1943 bis April 1945 als Zivilangestellte in der Kommandantur des Lagers gearbeitet haben. Die Staatsanwaltschaft wirft ihr vor, durch ihre Schreibarbeit Beihilfe zum systematischen Mord an über 11 000 Gefangenen geleistet zu haben. Weil sie damals erst 18 bis 19 Jahre alt war, findet der Prozess vor einer Jugendstrafkammer statt.

Ihr Verteidiger, Wolf Molkentin, widersprach der Verwertung der Zeugenaussage. Es blieben Zweifel daran, dass seiner Mandantin bei der Vernehmung klar gewesen sei, welche Konsequenzen ihre Äußerungen haben könnten. Der Vernehmungsbeamte, selbst Staatsanwalt, hatte jedoch zuvor erklärt, die damals 92-Jährige ordnungsgemäß über ihre Rechte als Beschuldigte belehrt zu haben. Beschuldigte dürfen die Aussage verweigern und auf Anwesenheit eines Rechtsanwalts bestehen. Vor Gericht hat die Angeklagte bislang geschwiegen. Ihre Aussagen als Zeugin in anderen NS-Verfahren dürfen nicht verwendet werden.

Die Vernehmung Anfang 2017 fand am Rande einer Durchsuchung des Zimmers der Beschuldigten statt, die in einem Seniorenheim in Quickborn (Kreis Pinneberg) wohnt. Sie habe die Belehrung über ihren Status als Beschuldigte nach seinem Eindruck verstanden, sagte der Staatsanwalt. Sie habe geistig wach und rege gewirkt. Auf Nachfrage des Verteidigers, ob sich die Beschuldigte der Ernsthaftigkeit ihrer Lage bewusst war, sagte der 43-jährige Beamte: "Da war ich nicht sicher."

Die Situation sei sehr "dynamisch" gewesen. Frau F. habe emotional, unwirsch und mit "Bockigkeit" reagiert, als er ihr den Vorwurf erklärt habe. In früheren Zeugenvernehmungen sei ihr gesagt worden, sie habe in der Vergangenheit nichts falsch gemacht. Sie habe wenig Verständnis dafür gezeigt, dass nach so langer Zeit ein Ermittlungsverfahren gegen sie eingeleitet worden sei. Das sei "lächerlich", habe sie gesagt.

Zu Häftlingen des Konzentrationslagers habe sie während ihrer Tätigkeit in der Kommandantur kaum Kontakt gehabt und das eigentliche Lagergelände auch nicht betreten. Sie habe nur mal einen Gefangenen in der Gärtnerei des Lagers und einen in der Druckerei gesehen. Auf die Frage nach ihren Schreibarbeiten habe sie sich nur noch erinnern können, einmal eine Bestellung für Gartenbedarf geschrieben zu haben. An die Namen zweier Telefonistinnen in der Kommandantur habe sie sich ebenfalls erinnern können, sagte der Staatsanwalt.

Als zweiten Zeugen hörte das Gericht einen Beamten des Landeskriminalamts, der damals an der Durchsuchungsaktion teilgenommen hatte. Der 58-Jährige gab wie der Staatsanwalt an, dass keine Beweismittel gefunden worden seien. Die Ermittler hatten gehofft, alte Tagebücher oder Fotos sicherstellen zu können. Der Zeuge fügte hinzu, dass die Beschuldigte nach einer rechtlichen Belehrung die Aussage verweigert habe. Es blieb unklar, ob sich diese Aussage auf eine gemeinsame Vernehmung der Ermittler bezog oder ob die Beamten von Staatsanwaltschaft und LKA damals jeder für sich die Beschuldigte befragten. Der Verteidiger widersprach auch der Verwertung der Aussage dieses Vernehmungsbeamten.

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