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Kiel: Tourismus-Boom lässt nicht nach


Immer mehr Hotels
Kiel wird für Touristen immer beliebter – wohin führt das?

InterviewVon Sven Raschke

02.03.2020Lesedauer: 5 Min.
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Leckereien mit Hafenblick: Kiel hat Besuchern einiges zu bieten.Vergrößern des Bildes
Leckereien mit Hafenblick: Kiel hat Besuchern einiges zu bieten. (Quelle: Archivbild/Kiel-Marketing/L. Burmester)

Kiel scheint bei Geschäftsreisenden wie Touristen immer attraktiver zu werden. Die Hotelbranche reagiert mit dem Bau vieler neuer Hotels. Wo führt das hin? t-online.de hat zwei Experten dazu gesprochen.

Der Kieler Tourismus hat ein starkes Jahr hinter sich. Vor kurzem veröffentlichte das Statistikamt Nord die Zahlen für 2019. Demnach gab es knapp 870.000 Übernachtungen in Unterkünften ab zehn Betten, was einen Anstieg von 7,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr bedeutet. Damit liegt Kiel über dem Landesdurchschnitt von 4,4 Prozent. Das positive Ergebnis reiht sich in den Trend der vergangenen zehn Jahre.

Herr Wanger, Herr Böhm, bevor wir zu den guten Nachrichten kommen, vorweg die unangenehme Frage: Wird sich die Ausbreitung des Coronavirus auch negativ auf den Tourismus in Kiel auswirken?

Uwe Wanger: Wir merken hier noch nichts, aber die Besorgnis ist natürlich da, dass das Reiseverhalten beeinträchtigt wird. Je nachdem, wie es sich entwickelt, kann der Reiseverkehr eingeschränkt werden und das sehen wir ja jetzt schon anderswo.

Peter Böhm: Wir sind sowieso in der Grippezeit, und dadurch ist bei uns im Hotel schon Vorsicht angesagt. Wegen des Coronavirus sensibilisieren wir alle jetzt noch einmal besonders. Es gibt bei uns Desinfektionsgeräte, auf die wir hinweisen. Neben dem regelmäßigen Händewaschen sollen unsere Mitarbeiter darauf achten, nicht unnötig Hände zu schütteln. Wenn ein Corona-Fall im Hotel vorkäme, dann müssten wir das gesamte Hotel absperren.

Noch geht es dem Kieler Tourismus aber besser denn je. Woran liegt das?

Wanger: Wir haben in den letzten Jahren ein erhöhtes Angebot an Zimmern und Betten. Das sorgt automatisch für erhöhte Zahlen. Außerdem profitieren wir durch den Wegfall von anderen Reisezielen wie den Maghrebstaaten oder der Türkei. Zusätzlich kommen mehr Urlaubstouristen. Die Küste ist ja ein klassischer Urlaubsort. Der Städtetourismus wächst deutschlandweit. Und Kiel ist die einzige deutsche Großstadt am Meer.

Böhm: Einer der Punkte, die wir immer wieder hören: Durch den Hafen direkt im Zentrum ist Kiel unheimlich attraktiv – auch für viele, die geschäftlich hier sind. Durch die Neueröffnungen von Hotels wurden zudem neue Märkte abgeschöpft. Und man muss Kiel Marketing zugute halten, verschiedene Attraktionen geschaffen zu haben: etwa den Bootshafensommer, den Weihnachtsmarkt, das Eisfestival.

Spielt das immer milder werdende Wetter auch eine Rolle für den Kieler Tourismus?

Böhm: Nein. In den Wintermonaten spielt das überhaupt keine Rolle bei den Besucherzahlen. Im Sommer kann es natürlich schon sein, dass wir bei schlechterem Wetter einige Übernachtungsgäste weniger haben.

Wanger: Wenn es im Sommer regnet, kommen dagegen mehr Tagestouristen zum Einkaufen, weil sie sonst am Strand sind.

Was für Besucher kommen nach Kiel?

Böhm: Ich leite ja ein Hotel für Geschäftsreisende. Die machen bei uns 70 bis 80 Prozent aus. Für ganz Kiel liegt der etwa bei 60 bis 70 Prozent. Aber der Anteil der Kreuzfahrer steigt langsam.

Wanger: Wir haben mittlerweile über 25 Prozent ausländische Übernachtungsgäste. Der größte Anteil davon sind Dänen. Um die haben wir uns in der Vergangenheit auch besonders bemüht.

Glauben Sie, dass sich die positive Entwicklung fortsetzt? Wann wird die Millionengrenze geknackt?

Wanger: Rein rechnerisch müsste es fast schon nächstes Jahr soweit sein.

Böhm: Allein schon durch die neuen Hotels, die zur Zeit in Kiel entstehen. Das sind ja eine ganze Menge: das Hampton by Hilton am Exerzierplatz, das Me & All in der Kaistraße, Ibis Styles und Adagio Apartment Hotel am Bootshafen, das Atlantic Budget beim Hauptbahnhof, ein weiteres B&B in der Willestraße, das Niu Welly in der Holstenstraße – die Liste ließe sich fortsetzen.

Ist das nicht trotz der guten Entwicklung ein bisschen übertrieben?

Böhm: Ja, da kommen 50 Prozent mehr Bettenkapazität dazu. Da ist es natürlich schwer, diese auch auszulasten. Dagegen wehren wollen wir uns natürlich nicht, weil Mitbewerber das Geschäft beleben. Die Frage bleibt aber, ob die Vielzahl der neuen Hotels nicht ein Stocken hervorruft. Denn mehr Hotels heißt nicht automatisch, dass das eine entsprechend steigende Nachfrage auslöst.

Wanger: Wir wären dankbar, wenn es bei der jetzigen Wachstumsquote bleiben wird. Im Durchschnitt sind die Zimmer in Kiel zurzeit zu 73 Prozent ausgelastet. Das wird durch die neuen Hotels ein bisschen runtergehen, ganz klar. Da werden wir eine kleine Talsohle durchlaufen. Aber das stetige Wachstum wird das in einigen Jahren wieder ausgleichen.

Trotz der positiven Entwicklung müssen in Kiel einige große und attraktive Veranstaltungsorte schließen. Warum ist das so?

Wanger: Die Halle 400 schließt, weil dort Wohnbebauung entsteht und die sich nicht mit der Lärmbelästigung verträgt. Das Treibgut wird ab August nicht mehr weiterbetrieben werden können. Dort gab es eine Klage wegen formellen Gründen. Und die Renovierung des Schlosses wird sicher zu einer längeren Schließung führen. Das kann sich über Jahre hinziehen. Eine Alternative ist da noch nicht in Sicht.

Böhm: Der Legienhof schließt endgültig, weil die Zukunft wegen Umbaumaßnahmen zu ungewiss war.

Wie geht es mit dem Kieler Tourismus weiter?

Wanger: Wir haben haben jetzt gerade mit allen relevanten Akteuren von Stadt und Tourismus das touristische Entwicklungskonzept "Kieler Förde 2030" erarbeitet. Damit haben wir über 70 Projekte ausgemacht, die für den Tourismus Kiel von Bedeutung sind. Das wichtigste davon ist sicher ein Tagungs- und Kongress-Center.

Böhm: Ja, für Kiel ist es super wichtig, ein solches Kongresszentrum zu haben, in dem wir 600 bis 1.000 Teilnehmer aufnehmen könnten. Das ist ein Meilenstein, den wir uns schon lange wünschen. Jetzt haben wir die Möglichkeit, das mithilfe der Stadt voranzubringen. Auch die Nebensaison noch attraktiver zu gestalten, wäre noch ein wichtiger Punkt.

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Wanger: Auch die weitere Entwicklung des Stadtteils Schilksee, als unsere Fahrkarte für Olympia, steht ganz oben auf der Liste. Er soll strukturell mit der Ausrichtung darauf weiter entwickelt werden. Ein großes Projekt ist da das geplante "Maritime Adventure and Environment Center". Der beste Ort dafür wäre das jetzige Geomar-Gebäude, das ja in zwei Jahren geräumt werden soll. Dort könnte es dann Ausstellungen und einen 360-Grad-Dome zum Thema Meereswissenschaften und Meeresschutz geben.

Böhm: Allgemein gesagt, ist es für uns als Hotelbranche wichtig, dass wir uns vorausschauend immer wieder selbst hinterfragen, ob das, was wir machen und anbieten, noch zeitgemäß ist.

Wanger: Wir glauben, die richtige Strategie ist, nicht den Kuchen anders zu verteilen, sondern größer zu machen. Und das bekommen wir nur hin, wenn wir das gemeinsam bewerben. Deshalb wollen wir künftig noch stärker mit den Beherbergungsbetrieben zusammenarbeiten, etwa durch eine gemeinsame Werbekampagne.

Zu den Personen: Uwe Wanger ist Geschäftsführer von Kiel Marketing. Peter Böhm ist der Direktor des Hotels Berliner Hof und Vorstandsmitglied im DEHOGA (Deutschen Hotel- und Gaststättenverband) Schleswig-Holstein.

Verwendete Quellen
  • Interview mit Uwe Wanger und Peter Böhm
  • Pressemitteilung der Stadt Kiel
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