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1. FC Köln in Nizza: Hooligans riskieren Leben der Gegner


Hooligans eskalieren völlig
Plötzlich fliegen Absperrpfosten, Stühle und E-Scooter

Von Marc L. Merten, Nizza

Aktualisiert am 09.09.2022Lesedauer: 3 Min.
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Fans des 1. FC Köln im Stadion von Nizza: Im Rahmen des Spiels kam es zu Ausschreitungen.Vergrößern des Bildes
Fans des 1. FC Köln im Stadion von Nizza: Im Rahmen des Spiels kam es zu Ausschreitungen. (Quelle: Daniel Cole/AP/dpa)

Das Spiel des 1. FC Köln in Nizza gerät zum Skandal: Massenschlägerei und Messerangriffe vor dem Stadion – ein t-online-Reporter berichtet von erschütternden Szenen.

Zumindest innerhalb des Stadions beginnt alles eine Dreiviertelstunde vor dem Anpfiff. Knapp 8.000 Kölnerinnen und Kölner haben sich über die gesamte Nordkurve des Stade de Nice versammelt. Vom Unterrang über den Mittel- bis zum Oberrang – eine eindrucksvolle rote Wand, die elektrisiert ist vor dem ersten Europapokal-Spiel seit fünf Jahren.

Doch in L1, im Übergang der Nordkurve zur Westtribüne, braut sich etwas zusammen. Der Unterrang wird von knapp 20 Polizisten bewacht. Mehr Sicherheitskräfte sind jedoch nicht zu sehen, als sich immer mehr Männer in rot-weißen Sturmhauben sammeln. Der Mittelrang wird gerade einmal von einer Handvoll Ordner besetzt. Eine Sektorentrennung, wie bei Spielen mit Sicherheitsrisiken zumindest in Deutschland üblich, gibt es nicht.

Baumgart und Journalisten müssen Krawallen zuschauen

Und so stürmen 50 bis 100 Hooligans, größtenteils in Rot und Weiß gekleidet sowie zumeist mit Sturmhauben vermummt, die Haupttribüne über den Mittelrang. Ihr Ziel: die Fankurve des OGC Nizza, wo gerade die Ultras der Gastgeber durch die Mundlöcher auf die Südkurve strömen. Der Zusammenstoß erfolgt nahezu unmittelbar vor den Augen von Steffen Baumgart sowie den versammelten Journalisten.

Der für das Spiel gesperrte FC-Trainer steht nur wenige Meter oberhalb der vorbeistürmenden Vermummten in einer Loge. Seine Familie ist bei ihm. Die Medienvertreter befinden sich einen Rang darüber auf der Pressetribüne. Sie alle haben plötzlich ungewollt Plätze in der ersten Reihe für ein Schauspiel, das niemand sehen will.

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Auch am Boden Liegende werden getreten

Es erwächst eine Massenschlägerei, die scheinbar keinen Gesetzen folgt. Nicht nur schlagen und treten Kölner und Nizzaer Hooligans mit Fäusten und Füßen aufeinander ein, werfen Bengalos und provozieren verbal weitere Gewalt. Sie riskieren die Leben ihrer Gegenüber, als sie mit über zehn Kilogramm schweren Absperrpfosten auf die Köpfe der Gegner einhieben und Flaschen aus dem VIP-Bereich sowie Stühle als Schlaginstrumente nutzen. Selbst in die Arena mitgebrachte E-Scooter werden als Waffen benutzt. Am Boden liegende Verletzte werden mit gezielten Tritten gegen Kopf und Körper traktiert.

Amateurvideos von Fans zeigten, wie ein Anhänger von der Tribüne im Mittelrang stürzte, als er einem Feuerwerkskörper ausweichen wollte. Dabei handelte es sich laut Polizeipräfektur um einen Anhänger aus Paris. Mit den Fans dieser Mannschaft pflegen FC-Ultras eine Fanfreundschaft. "Es zeigt, dass das, was hier passiert ist, pervers ist", sagte Kölns Geschäftsführer Christian Keller. Dass am Ende nur ein Schwerverletzter in der Bilanz steht, gleicht einem Wunder.

Es ist der Höhepunkt der Gewalt, die bereits vor dem Zusammenstoß im Stadion außerhalb der Arena ihren Anfang genommen hat. Die spät eingreifende und zunächst hoffnungslos unterbesetzte Polizei schafft es erst nach über einer Viertelstunde, die Haupttribüne zu räumen. Sodann muss sie auf der anderen Seite einschreiten, weil Nizzaer Anhänger einen Gegenangriff initiieren. Zumindest dieser endet an einem Zaun. Doch auch hier gibt es Polizeiberichten zufolge Verletzte. Insgesamt müssen 32 Verletzte ärztlich behandelt und teilweise ins Krankenhaus eingeliefert werden.

Auch auf der Medientribüne rückt das Sportliche komplett in den Hintergrund. Einige Journalisten ziehen sich in die Katakomben zurück, aus Angst um ihre Gesundheit. Andere halten das Geschehen filmisch fest, telefonieren mit Verantwortlichen der Klubs, kontaktieren ihnen bekannte Fans auf den Tribünen, erhalten weitere Schilderungen des Geschehens. Schnell sickert durch, dass Nizzaer Hooligans bereits vor dem Spiel Kölner Anhänger bei ihrem Marsch zum Stadion angegriffen haben – einem Polizeibericht zufolge sogar mit Stichwaffen.

Hector beruhigt die Fans im Stadion

Im Stadion beruhigen die Spielführer beider Mannschaften die Fans. Jonas Hector spricht auf Deutsch mit Mikro zu den FC-Anhängern, der Ex-Bundesliga-Spieler Dante auf Französisch zu den OGC-Anhängern. Nur so ist es möglich, dass das Spiel schließlich mit einer Stunde Verspätung angepfiffen wird. Doch die Stimmung bleibt bis in die Nacht angespannt. Manche Fans verlassen erst Stunden nach Schlusspfiff das Stadion in der Angst, dass es draußen zu weiteren Zusammenstößen kommt.

Von der Euphorie der Kölner Fans nach der Qualifikation des FC für Europa ist nach den Vorfällen in Nizza auch am nächsten Morgen nichts mehr zu spüren. Ein Wunsch scheint viele Fans zu verbinden, die sich vor Ort gegenüber den Medienvertretern oder in den sozialen Netzwerken äußern: Der 1. FC Köln solle hart durchgreifen und die Täter bestrafen. Denn die Tausenden friedlichen Fans wissen: Die Hooligans haben dafür gesorgt, dass diese Auswärtsreise durch Europa für die FC-Fans die vorübergehend letzte gewesen sein dürfte. Die Uefa wird den Klub mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mit einer Fan-Sperre für Auswärtsspiele belegen.

Verwendete Quellen
  • Reporter vor Ort
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