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Abitur-Panne in NRW: Wofür sich Hendrik Wüst wirklich entschuldigen sollte


Prüfungspanne in NRW
Warum wir das Abitur abschaffen sollten

MeinungVon Bob Blume

Aktualisiert am 19.04.2023Lesedauer: 2 Min.
Meinung
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Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.

Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.
Schüler und Schülerinnen legen eine Abiturprüfung ab (Symbolbild): In Niedersachsen sorgt eine Aufgabe für Trubel.Vergrößern des Bildes
Abiturprüfung (Archivbild): In NRW mussten die Prüfungen in einigen Fächern spontan verschoben werden. (Quelle: Felix Kästle/dpa)

Nach der Verschiebung der Prüfungen in NRW ist die Empörung groß. Dabei ist nicht die verschlafene Digitalisierung das größte Problem, sondern das Abitur selbst.

"Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen", heißt es. Schaden und Spott sind groß nach dem misslungenen Download der Abiturunterlagen in NRW. Dass der neue Prüfungstermin am kommenden Freitag auf das muslimische Zuckerfest fällt, wäre als Pointe schon ausreichend. Dass der bundesweite Bahnstreik die Umstände noch weiter erschwert, macht das Desaster perfekt.

NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst versprach eine gründliche Aufarbeitung und entschuldigte sich: "Die Schülerinnen und Schüler haben ein Recht auf gute und faire Bedingungen für ihr Abitur."

Diese Aussage ist gerade vor dem Hintergrund einer jüngst erschienenen Studie des Leibniz-Instituts interessant. Deren wichtigstes Ergebnis ist nicht neu und dennoch ein Armutszeugnis für Deutschland, einem der reichsten Länder Europas: 80 Prozent der Kinder aus Familien, in denen beide Eltern Abitur haben und das Haushaltseinkommen über 5.500 Euro monatlich liegt, besuchen ein Gymnasium. Haben beide Eltern kein Abitur und ein Einkommen unter 2.600 Euro, sind es nur 20 Prozent.

Über den Autor

Bob Blume ist Oberstudienrat am Windeck-Gymnasium in Bühl und unterrichtet die Fächer Englisch, Deutsch und Geschichte. Als "Netzlehrer" ist er auf Twitter und Instagram unterwegs und betreibt den Podcast "Die Schule brennt".

Unis stellen auf Zugangstests um

Diese massive Chancenungleichheit sorgt für weit weniger Aufregung als die aktuelle Technikpanne. Das merkte auch der Bildungsjournalist Christian Füller und kommentierte die Studie so: "Stay cool. Schon morgen ist die Empörung vorbei." Der Autor des Buches "Muss mein Kind aufs Gymnasium?" stellte 2018 eine "Flucht ins Abitur" fest. Und zog den Schluss, dass es ein anderes Lernen braucht.

Damit ist er nicht allein. Nirgendwo zeigen sich die Probleme des deutschen Bildungsföderalismus so sehr wie beim höchsten Bildungsabschluss. Unabhängig von der oft bemängelten "Noteninflation" stellen deutsche Universitäten schon lange auf Zugangstests um. Allerdings nicht flächendeckend, und das ist ein Problem. Denn auf diese Weise wird Schülern verwehrt, ihre Fähigkeiten für ein Studienfach unter Beweis zu stellen, die möglicherweise nichts mit dem Grund für ihr unzureichendes Abitur zu tun haben. Anders gesagt: Die Schülerin aus Bundesland A wird für einen Zugangstest gar nicht erst zugelassen, den der Einserschüler aus Bundesland B nicht besteht.

Das goldene Kalb macht Probleme

"Gute und faire Bedingungen", wie von Herrn Wüst propagiert, sehen anders aus. Und während Handwerksbetriebe weiter händeringend Nachwuchs suchen, bleibt das Abitur das goldene Kalb der Bildungspolitik, dessen Wert gerade von Universitäten angezweifelt wird, zu denen es doch Zutritt verschaffen soll.

Die Frage sollte also nicht lauten, warum jemand kein Abitur hat. Die Frage sollte lauten, was das Abitur noch aussagt. Und ob der große Aufschrei und die öffentliche Entschuldigung eines Ministerpräsidenten sich auf einen zweifellos peinlichen Download-Fehler beziehen sollten oder auf die Tatsache, dass seit Jahren bekannt ist, wie ungerecht es zugeht im deutschen Bildungssystem. Alternativen zu schaffen, die allen jungen Menschen gerecht werden, das wären "gute und faire Bedingungen".

Die im Gastbeitrag geäußerten Ansichten geben die Meinungen der Autoren wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der t-online-Redaktion.

Verwendete Quellen
  • Eigene Gedanken des Autors
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