Kölner Drogenkrieg Angeklagter fürchtete mächtigen Drogenboss

Der erste große Kölner Drogenprozess spitzt sich zu. Im Fokus: Eine brisante Aussage des mutmaßlichen Verräters Aymen G.
Es ist Anfang Juli 2024, als Aymen G. überraschend sein Schweigen bricht. Der Mann, der mutmaßlich zum Auslöser des Kölner Drogenkriegs wurde, möchte kurz nach seiner Festnahme mit der Polizei sprechen. Ausdrücklich ohne Rechtsanwalt. In den darauffolgenden zwei Tagen äußert sich sich Aymen G. umfassend zu den Verbrechen der Drogenbande aus Köln-Kalk äußern, deren Taten die Stadt über Monate verängstigten.
So schildert es eine Polizeibeamtin, die am Mittwoch (21. Mai) in dem bisher größten der Kölner Drogenprozesse aussagt. Sie berichtet von dem Verhör mit G., in dem dieser teilweise detailliert Auskunft über die Beteiligten an den Drogengeschäfte gibt, genutzte Fahrzeuge nennt oder sich an Ereignisse unmittelbar vor dem spektakulären Raub von rund 350 Kilogramm Marihuana erinnert.
Die Aussagen sind durch das Vernehmungsprotokoll unterlegt, aus dem das Gericht ebenfalls zitiert und das dem Angeklagten vorgelegt wurde. Aymen G. selbst spielt dabei laut eigener Aussage allerdings nicht die Hauptrolle, die ihm die Anklage unterstellt.
Kölner Drogenkrieg: Mutmaßlicher Verräter sagt bei der Polizei aus
"Er sagte, er sei leichtgläubig und naiv gewesen. Als netter Mensch hätte er gerne Freunden und Bekannten seine Transporter geliehen, um zu helfen", erinnert die Ermittlerin die Aussagen des Angeklagten vor Gericht. Aymen G. habe als Paketbote gearbeitet und parallel mehrere Transporter vermietet. Darunter auch das Fahrzeug, das er regelmäßig für seine Arbeit nutzte.
In einer Bar in Köln-Mülheim habe er Ilias E. kennengelernt. Die beiden Männer freundeten sich schnell an, Aymen G. fuhr seinen neuen Freund gelegentlich durch das Kölner Umland oder holte ihn aus dem Fitnessstudio ab. So schildert es G. laut Protokoll. Geld wollte er dafür nie haben. Dass es bei diesen Fahrten nicht immer um legale Treffen ging, ahnte der Angeklagte laut seiner Vernehmung bei der Polizei. "Wenn wir angehalten werden, werde ich direkt auf dich zeigen", soll G. zu Ilias K. einmal gesagt haben.
Heroin, Crack, Kokain: Kölner Drogenbande dealt in großem Stil
Ilias E. gilt als einer der wichtigsten Männer der Kölner Drogenbande. Er soll Bandenchef Sermet A. direkt unterstellt gewesen sein und Kokain und Marihuana aus den Niederlanden organisiert haben. Laut Aymen G. soll er zudem Verwandtschaft in Belgien haben. G. hatte demnach nahezu ausschließlich Kontakt mit Ilias E., kannte aber auch weitere Mitglieder der Drogenbande.
Demnach wusste Aymen G auch, dass sein neuer Freund schon einmal Schwierigkeiten wegen Drogengeschäften hatte. Nach einem aufgeflogenen Drogentransport soll er in Frankreich in Haft gesessen haben. Aymen G. vermutete laut Polizeivernehmung, dass Ilias E. mit Marihuana dealte. Von anderen Drogen, wie etwa Crack. Heroin oder Kokain, wusste er laut eigener Aussage nichts.
Spektakulärer Überfall auf Drogenversteck: Wer steckt hinter dem Verrat?
Als sich Ilias E. einmal seinen Transporter auslieh und diesen nicht zurückbrachte, fuhr Aymen G. zum Drogenversteck in Hürth. Dort sah er nach eigener Darstellung, wie 700 Kilogramm Marihuana, versteckt zwischen Nacho- und Chipstüten, aus einem Lkw mit polnischen Kennzeichen ausgeladen wurden. "Er gibt zu, beim Ausladen geholfen zu haben. Ansonsten hätte er nie Kontakt zu den Drogen gehabt", berichtet die Ermittlerin weiter.
Kurz darauf überfielen Unbekannte die Lagerhalle nahe der Kölner Stadtgrenze, bedrohten Wachleute mit Maschinenpistolen und stahlen 350 Kilogramm Marihuana. Aymen G. soll den Dieben vorher einen Tipp gegeben haben – er selbst äußert sich dazu bei der Polizei nicht. Stattdessen hätte er nur seinen Transporter wiederhaben wollen, den er für seine Arbeit gebraucht habe.
Kölner Bandenboss Sermet A.: Er soll selbst eigene Leute gefoltert haben
Dabei kommt es auch zu einem Telefonat mit dem Mann, den Aymen G. fürchtet. Sermet A., von der Staatsanwaltschaft als "Schlüsselfigur" im Drogenkrieg betitelt, spricht mit G. über die Rückgabe des Transporters sprechen. Aymen G. bezeichnet ihn als "skrupellos" und "asozial", fürchtet sich vor den Methoden des Drogenbosses. Er soll auch nicht davor zurückgeschreckt haben, seine eigenen Leute zu foltern. Für hundertprozentige Loyalität.
Woher Aymen G. all diese Dinge weiß, ist unklar. Denn laut eigener Aussage hatte er nichts mit den Drogengeschäften zu tun. Dennoch zeichnet er den Ermittlern bei seiner Vernehmung eine Art Stammbaum der Drogenbande auf, schreibt zudem eine Liste mit genutzten Fahrzeugen – teilweise sogar mit Angaben zu den Kennzeichen. Seine Aussagen zu den Tagen um den Marihuana-Raub werden dann allerdings überraschend schwammig.
"Mein Handy ist heiß": Angeklagter vermutet verwanztes Smartphone
Ebenfalls auffällig: Aymen G. erklärt gegenüber seinen Freunden: "Mein Handy ist heiß." Er hatte den Verdacht, abgehört zu werden. In der Vernehmung habe er allerdings nicht das Gefühl vermittelt, dass er sich als Beschuldigter sehe.
Auf Nachfrage von Wolfgang Kutsch, Verteidiger von Aymen G., erklärt die Ermittlerin: "Die Widersprüche sind offenkundig. Ich persönlich glaube ihm nicht. Er wollte eine Version der Geschichte erzählen, die ihn außen vor lässt."
Saddam B., Aymen S. und Aymen G. sind die ersten Angeklagten im Kölner Drogenkriegsprozess. Ihnen wird unter anderem bewaffneter, bandenmäßiger Handel mit Cannabis bzw. die Beihilfe dazu vorgeworfen. Aymen G. zudem besonders schwerer Raub, Freiheitsberaubung und die Beihilfe zu bewaffnetem Handel mit Cannabis. Der Prozess soll Anfang Juni fortgesetzt werden.
- Reporter vor Ort
- Eigene Berichterstattung