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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Prozesse in Köln Geiselnehmer legt erstes Geständnis im Drogenkrieg ab

Im Kölner Drogenkrieg schreibt ein Angeklagter Briefe an seine Opfer. Ein schnelles Prozessende ist aber bisher nicht zwingend in Sicht.
In den Kölner Drogenprozessen hat einer der Geiselnehmer seine Taten eingeräumt. Das geht aus mehreren Briefen hervor, die Sudnyson B. an seine fünf Opfer geschrieben hat und die am Mittwoch (4. Juni) im Kölner Landgericht verlesen wurden. B., sowie seine Mitangeklagten Dhelmar B. und Wesley S., sollen in einer Lagerhalle in Hürth mehrere Mitglieder einer Kölner Drogenbande festgehalten und verletzt haben.
"Ich realisiere jetzt erst, wie schlimm es war, was ich dir und den anderen angetan habe. Ich hoffe, du hast mittlerweile keine Albträume mehr", schreibt Sudnyson B. an Saddam B., eine der Geiseln. Saddam B. ist in einem weiteren Prozess angeklagt, unter anderem geht es dort um eine Lieferung von rund 700 Kilogramm Cannabis. In einem ähnlichen Ton entschuldigt sich Sudnyson B. auch bei vier weiteren jungen Männern.
Kölner Drogenkrieg: Geiselnehmer entschuldigt sich vor Gericht
Alle Geiseln sind mittlerweile selbst angeklagt oder stehen vor einer Anklage, sie sollen tief in den Kölner Drogenkrieg verstrickt sein. Sie waren entweder dafür zuständig, die 700 Kilogramm Cannabis zu bewachen oder wussten von dem Versteck. Kurz nach der Ankunft der Ware wurde die Hälfte von noch unbekannten Tätern gestohlen. Der mutmaßliche Bandenchef Sermet A. soll danach fieberhaft nach dem "Verräter "gesucht haben.
Sudnyson B. und seine Mitangeklagten, alle niederländische Staatsbürger, sollen angeheuert worden sein, um den Schuldigen in der Gruppe auszumachen. Dabei sollen sie die fünf Männer am 25. Juni gefesselt, geschlagen und stundenlang festgehalten haben. In den Abendstunden konnte die Polizei die Geiseln bei einem Großeinsatz befreien und die drei Niederländer noch vor Ort festnehmen.
Videos enthüllen neue Details zu Drogen-Geiselnahme in Hürth
Die Briefe von Sudnyson B. sind dabei juristisch kein Geständnis, könnten aber einer möglichen Einigung zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung den Weg ebnen. Denn B. hat seinen Opfern auch eine finanzielle Entschädigung versprochen. Nach einem Rechtsgespräch im Mai hatte das Gericht durchblicken lassen, dass sich ein Täter-Opfer-Ausgleich neben einem Geständnis positiv auf das Strafmaß auswirken könnte.
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Die Beweislage gegen die drei mutmaßlichen Geiselnehmer ist ohnehin erdrückend. Mehrere Überwachungskameras einer benachbarten Firma zeigen über Stunden das Vorgehen am Drogenversteck: Wer das Gelände betritt, wer es verlässt, wie die Polizei anrückt. Die Videos werden am Mittwoch im Gericht erstmals begutachtet.
Kopfverletzungen: Video zeigt Polizeizugriff an Drogenversteck
Dabei ist auch zu sehen, wie die Polizei die Geiseln aus der Halle führt. Ein Mann trägt einen Kopfverband, ein anderer fasst sich an die Stirn. Dass es sich bei den Opfern auch um Tätern handelt, wird es im weiteren Ermittlungsverlauf deutlich. Dass für die Geiselnahmen Niederländer angeheuert werden, ist übrigens kein Einzelfall. Auch bei der Geiselnahme in Rodenkirchen sind es drei Niederländer, die den Auftrag ausführen. "Bei denen ist das üblich", sagt ein Mitglied der Kölner Drogenbande bei seiner Vernehmung aus.
Die Verhaftung der Geiselnahme ist in der Nachbetrachtung skurril: Denn Aykut E., einer der wichtigsten Männer für Bandenchef Sermet A., gibt sich vor Ort als Unbeteiligter aus, der sich nur verfahren hätte. Weil der Mann einen gepflegten Eindruck gemacht habe, hatten ihn die Ermittler zunächst gehen lassen. Auf den Videoaufnahmen ist Aykut E. zu sehen, wie er noch am Tatort wild gestikulierend telefoniert.
Kölner Drogenkrieg: Bandenmitglied muss vor Gericht aussagen
E. sagt später aus, er hätte in der Halle nur zwischen den Geiseln und den Geiselnehmern übersetzen sollen. Er sei selbst bedroht worden und nur auf Anweisung von Sermet A. dort hingefahren. Er streitet eine Tatbeteiligung ab. Es ist bezeichnend in diesem Fall: Die Beschuldigten reden gerne und viel mit der Polizei – nur wenn es um sie selbst geht, weichen sie aus oder können sich nicht erinnern.
Der Prozess wird kommenden Mittwoch fortgesetzt. Dann soll ein Bandenmitglied vor Gericht aussagen.
- Reporter vor Ort
- Eigene Berichterstattung