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Köln: Reker empfängt politische Gefangene: "Strafmaß wie bei Stalin"


Reker empfängt politische Gefangene
"Das Strafmaß ist wie bei Stalin mittlerweile"

Von t-online, yst

03.08.2025 - 19:18 UhrLesedauer: 4 Min.
Ukrainerin Liusiena Zinovkina: Sie setzt sich für die Befreiung ihres Mannes ein.Vergrößern des Bildes
Ukrainerin Liusiena Zinovkina: Sie setzt sich für die Befreiung ihres Mannes ein. (Quelle: Yannick Stracke)
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Ein Jahr nach dem größten Gefangenenaustausch seit dem Kalten Krieg empfängt Henriette Reker politische Ex-Häftlinge in Köln. Ihr Schicksal berührt die Bürgermeisterin.

Vor genau einem Jahr ist es zum größten Gefangenenaustausch zwischen der Russischen Föderation und der Bundesrepublik Deutschland seit dem Ende des kalten Krieges gekommen. Anlässlich des Jahrestags hat Henriette Reker nun einige ehemals politische Gefangene aus Russland und Belarus im Historischen Rathaus empfangen.

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Reker zitierte in ihrer Rede den Kölner Schriftsteller Heinrich Böll, der sagte: "Freiheit wird nie geschenkt, immer nur gewonnen". Freiheit sei kein Naturzustand und keine Selbstverständlichkeit, führte die Oberbürgermeisterin aus. Freiheit müsse gelebt und notfalls auch errungen werden, so Reker. Dass die ehemals Inhaftierten, die beim Empfang anwesend waren, ein Jahr zuvor freigekommen waren, sei ein Erfolg der Demokratie.

Doch die Oberbürgermeisterin wählte auch mahnende Worte: "Hier im Westen Europas träumen noch zu viele davon, dass die eigene Freiheit unberührt bliebe. Das kann ein Trugschluss sein."


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Hier im Westen Europas träumen noch zu viele davon, dass die eigene Freiheit unberührt bliebe. Das kann ein Trugschluss sein.


Henriette Reker, Oberbürgermeisterin


Als erster Redner nach der Oberbürgermeisterin ergriff Oleg Orlow von der Menschenrechtsorganisation "Memorial" das Wort. Dieser betonte, dass dies der gemeinsame Kampf aller Inhaftierten sei. Zwar sei es erfreulich, dass kürzlich einige politische Gefangene aus Belarus freigekommen seien. Viele Ukrainer seien jedoch immer noch in russischen Gefängnissen inhaftiert. "Jeder von uns hat Gesichter derer vor Augen, mit denen wir gemeinsam in Haft waren", so Orlow.

Im anschließenden Gespräch sagt er zwar, dass er sich von der Haft erholt habe. Jedoch arbeite er nach wie vor sehr viel für die russische Bürgerrechtsbewegung, mehr noch als in Moskau. Jeden Tag spreche er mit Freunden und Kollegen, die weiterhin in Russland leben.

Menschenrechtler: Situation wird immer schwieriger, FSB foltert

"Die Situation der politischen Gefangenen wird von Jahr zu Jahr schwieriger, es gibt auch immer mehr politische Gefangene. Die Haftbedingungen sind sehr schlecht, der FSB wendet Folter an. Das Strafmaß ist wie bei Stalin mittlerweile", sagt Orlow.

In Bezug auf die Russland-Politik westlicher Demokratien sagt er: "Ich hoffe sehr, dass sie nicht aufgeben, Druck auf Putin auszuüben, damit der Krieg in der Ukraine gestoppt wird und politische Repressionen aufhören". Ohne die Repression sei dieser Krieg gar nicht möglich gewesen.

Kevin Lick wurde mit 17 Jahren gefangen genommen

Der jüngste Inhaftierte, der im Rahmen des Gefangenenaustauschs vor einem Jahr freikam, ist Kevin Lick. Als er inhaftiert wurde, war er gerade einmal 17 Jahre alt. Ihm wurde vorgeworfen, russische Militäreinheiten fotografiert und die Fotos an einen Vertreter des deutschen Staates geschickt zu haben.

Nun lebt er in Deutschland. Im Gespräch mit unserem Reporter sagt er: "Über Freiheit kann man viele Worte verlieren. Sie hat auch ihre Kosten – nicht nur für die Gefangenen, sondern auch für deren Familienmitglieder, weil diese Menschen eine sehr große Bürde tragen. Eine dieser Kosten ist die Einschränkung des Kontaktes zu Familienmitgliedern, weil man selbst nicht möchte, dass sie als Druckmittel genutzt werden."

Den russischen Pass aus Protest zerrissen

"Wir hier in Deutschland stehen natürlich in Kontakt mit deutschen Politikern, aber oft hat man das Gefühl, dass wir nicht gehört werden. Was mich erschüttert hat, ist die Nachricht über die Einstellung der humanitären Visen nach Paragraph 22 des Aufenthaltsgesetzes", sagt Lick. Tatsächlich ist die Erteilung humanitärer Visen derzeit ausgesetzt, was eine Folge der härteren Migrationspolitik der neuen Bundesregierung ist und insbesondere Oppositionelle aus Russland und Belarus betrifft. Dies sei ein Rückschritt, so Lick. Er selbst hat sowohl die deutsche als auch die russische Staatsbürgerschaft, hat aber aus Protest seinen russischen Pass zerrissen. Er sieht sich als Deutscher und will auch in Deutschland Abitur machen.

Ebenfalls anwesend war die Ukrainerin Liusiena Zinovkina, die sich für die Freilassung ihres Mannes, Kostiantyn Zinovkin, einsetzt. "Mein Mann wurde im Mai 2023 in unserer Heimatstadt Melitopol (aktuell unter russischer Besatzung) vom Geheimdienst FSB festgenommen. Er steht vor dem Militärgericht, obwohl er Zivilist ist", erzählt Zinovkina. Auf einem Flyer, den sie dabei hat, ist zu lesen, dass ihr Mann trotz der Besatzung in Melitopol geblieben sei, um sich um seine Mutter und Großmutter zu kümmern. Er habe immer an seiner pro-ukrainischen Position festgehalten und diese auch auf Demonstrationen zum Ausdruck gebracht, weshalb ihm Terrorismus vorgeworfen worden sei.

Mehr als 16.000 ukrainische Zivilisten in russischer Gefangenschaft

Laut Zinovkina, die Mitglied der Organisation "Civilians in Captivity" ist, sind derzeit mehr als 16.000 ukrainische Zivilisten in russischer Gefangenschaft. Man spreche sehr oft über Kriegsgefangene, aber für inhaftierte Zivilisten gebe es keine Aussicht auf einen Gefangenenaustausch, da Russland dann zugeben müsse, dass diese inhaftiert worden sind. "Deutschland und Europa sollten der ukrainischen Regierung helfen, Mechanismen zu finden, vielleicht durch Sanktionen", meint Zinovkina. Die Frage sei: "Was können wir Russland anbieten, um unsere zivilen Gefangenen freizubekommen?"

Bis Oktober 2023 habe sie gar nicht gewusst, wo ihr Mann sei, aber dann sei er im russischen Fernsehen gezeigt worden. "Dann habe ich erfahren, dass er vor Gericht steht. Seitdem darf ich Kontakt mit meinem Mann haben und schreibe ihm Briefe", erzählt Zinovkina. Doch sie befürchtet, dass er in diesem Herbst zu einer langen Haftstrafe verurteilt wird. Für ihn und viele andere Inhaftierte ist das Leid, das viele hier erlebt haben, also noch lange nicht vorbei.

Verwendete Quellen
  • Reporter vor Ort
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