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Rassistisches Motiv: Dreieinhalb Jahre Haft für Kölner CDU-Politiker


Jugendlicher angeschossen
Dreieinhalb Jahre Haft für Kölner CDU-Politiker


Aktualisiert am 10.01.2022Lesedauer: 4 Min.
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Ex-CDU-Politiker Hans-Josef Bähner (Archivbild): Angeklagter handelte "perfide und bösartig".Vergrößern des Bildes
Ex-CDU-Politiker Hans-Josef Bähner (Archivbild): Angeklagter handelte "perfide und bösartig". (Quelle: Johanna Tüntsch)

Urteil am Landgericht Köln: Der ehemalige CDU-Politiker Hans-Josef Bähner hat einen 20-Jährigen angeschossen. Laut Gericht lag der Tat ein rassistisches Motiv zugrunde.

Mit der Verurteilung zu einer Haftstrafe endete vor dem Landgericht das Verfahren gegen den ehemaligen Kölner Bezirkspolitiker Hans-Josef Bähner. Dem 74-Jährigen wurde vorgeworfen, vor zwei Jahren nachts auf einen Heranwachsenden geschossen zu haben, der mit Freunden vor dem Haus des Politikers lärmte.

Der Angeklagte hatte den Schuss auf den damals 20-Jährigen durch seine Verteidiger am ersten Verhandlungstag zwar eingeräumt, aber als Unfallgeschehen darstellen lassen. Das Gericht kam nach acht Verhandlungstagen, 20 vernommenen Zeugen und drei Sachverständigengutachten zu einer anderen Einschätzung. Bähner schoss demnach, weil er eine "fremdenfeindliche Gesinnung" an den Tag legte.

In der Tatnacht hatte das Opfer mit drei Begleitern am Rheinufer im Kölner Stadtteil Porz in unmittelbarer Nähe zum Grundstück des Angeklagten Alkohol getrunken und Musik gehört. Als der Angeklagte seinen Hund im Garten ausgeführt habe, habe er einen Streit mit den jungen Männern vom Zaun gebrochen und diese als "Drecks-Kanacken" oder "Drecks-Ausländer" beleidigt, war das Gericht überzeugt.

Kölner Staatsanwalt: "Es gibt in Deutschland keine politisch gefärbte Justiz"

Staatsanwalt Sinan Sengöz sieht von dem Fall Grundsatzfragen des Rechtssystems betroffen: Das machte er in seinem Plädoyer deutlich. Scharf wehrte er sich gegen den Vorwurf der Verteidigung, einen persönlichen Feldzug zu führen, da er wegen der falschen Schreibweise seines eigenen Namens, der auch auf Migration hindeute, beleidigt sei: "Es gibt in Deutschland keine politisch gefärbte Justiz, das verhindern Kontrollmechanismen", sagte er.

Die Große Strafkammer habe das Verfahren zugelassen. Der Vorwurf der Verteidigung sei insofern "genauso absurd wie die Annahme, dass ein Verteidiger mit türkischem Namen nicht wegen seiner Kompetenz gewählt wurde, sondern um eine Feigenblattfunktion zu erfüllen."

Einschusswinkel widerspricht Bähners Darstellung

Präzise rekapitulierte er die Ausführungen des rechtsmedizinischen Gutachters Professor Markus Rothschild, nach welchen der Schuss aus einer Entfernung von maximal fünf Zentimetern abgefeuert worden sein müsse.

Der Einschusswinkel passe nicht zur Darstellung des Angeklagten. Gegen dessen Angabe, dass der Schuss sich versehentlich gelöst habe, spreche auch, dass es "Basiswissen für Schützen" sei, den Finger bis zur unmittelbaren Schussabgabe nicht an den Abzug, sondern neben den Lauf zu legen. Der Angeklagte, seit Jahrzehnten aktiver Schütze, müsse das gewusst haben.

Hinsichtlich der Zweifel eines Polizisten, ob die Tat sich so zugetragen habe wie angeklagt oder ob die Darstellung des Angeklagten stimme, polterte der Staatsanwalt: "Die Staatsanwaltschaft ist nicht das Justiziariat der Polizei. Ich bin ohne Restzweifel überzeugt davon, dass die Tat sich so zugetragen hat." Der Polizist hingegen habe wohl keine umfangreiche Kenntnis über die Details der Beweisaufnahme gehabt.

Kölner Staatsanwalt: "Perfides, bösartiges Verhalten"

"Ein älterer Herr wird von seiner Frau auf lärmende Leute vor dem Haus angesprochen und ruft nicht etwa das Ordnungsamt oder die Polizei, sondern bewaffnet sich, fängt an, die Gruppe zu beschimpfen und sagt zu einem unbewaffneten Mann: 'Komm doch auf mein Grundstück', was wohl heißen sollte: 'Komm doch auf mein Grundstück, da bist du vogelfrei' – das ist perfide und bösartig", empörte sich Sengöz.

Eine Bewährungsstrafe sei nicht in Erwägung zu ziehen, da es der Bevölkerung nicht zu vermitteln sei, dass ein hochgradig waffenaffiner Mensch einen banalen Konflikt auf diese Weise löse. Er beantragte eine Haftstrafe von drei Jahren und neun Monaten.

Die Vertreterin der Nebenklage verzichtete auf einen Antrag in konkreter Höhe, betonte jedoch: "In der heutigen Zeit, wo Rechtsextremismus zunimmt, sehe ich es als staatsbürgerliche Pflicht, den Anfängen zu wehren und die Stimme zu erheben."

Bähner-Prozess: Verteidigung forderte Freispruch

Konträr dazu der Antrag der beiden Verteidiger: Sie forderten einen Freispruch. Im Mittelpunkt ihrer Argumentation stand, dass die vier jungen Männer, mit denen der Angeklagte in Konflikt geraten war, erst über eine Woche nach der mutmaßlichen Tat von rassistischen Beleidigungen gesprochen hätten.

Einer von ihnen sei polizeibekannt. Der habe wohl gedacht, dass er sich etwas einfallen lassen müsse, um davon abzulenken, dass der Angeklagte in Notwehr gehandelt habe, so die Verteidigung.

Richter: Notwehr-Situation lag nicht vor

Mit Blick auf die intensive Berichterstattung zum Fall und Demo-Ständen, die junge Leute vor dem Gericht aufgebaut hatten, warf der Verteidiger dem Staatsanwalt vor: "Sie tragen die Verantwortung für diese mediale Hetze und dafür, dass man hier einem Lügner aufgesessen ist."

Das Gericht folgte mit seiner Urteilsfindung jedoch den Ausführungen der Staatsanwaltschaft, wenn auch das Strafmaß etwas geringer ausfiel: Der Angeklagte soll für drei Jahre und sechs Monate in Haft, da er sich der gefährlichen Körperverletzung, der Beleidigung und des unerlaubten Waffenbesitzes schuldig gemacht habe.

So sehr gezittert, dass Untersuchung kaum möglich war

"Es ist richtig, dass der Inhalt der Beleidigungen in den ersten Vernehmungen nicht der gleiche Inhalt war wie später", so der Vorsitzende Richter: Diesen Aspekt habe die Kammer reflektiert, sei aber zu dem Ergebnis gekommen, dass dies auf die aufwühlende Situation zurückzuführen sei.

Einer der vier jungen Männer habe bei der polizeilichen Untersuchung auf Schmauchspuren so sehr gezittert, dass seine Hände kaum hätten untersucht werden können. Die Richter gehen davon aus, dass der Schuss gezielt abgesetzt wurde, ohne dass eine Notwehrsituation voranging. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
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