Dreieinhalb Jahre Haft fĂŒr Kölner CDU-Politiker
Urteil am Landgericht Köln: Der ehemalige CDU-Politiker Hans-Josef BÀhner hat einen 20-JÀhrigen angeschossen. Laut Gericht lag der Tat ein rassistisches Motiv zugrunde.
Mit der Verurteilung zu einer Haftstrafe endete vor dem Landgericht das Verfahren gegen den ehemaligen Kölner Bezirkspolitiker Hans-Josef BÀhner. Dem 74-JÀhrigen wurde vorgeworfen, vor zwei Jahren nachts auf einen Heranwachsenden geschossen zu haben, der mit Freunden vor dem Haus des Politikers lÀrmte.
Der Angeklagte hatte den Schuss auf den damals 20-JÀhrigen durch seine Verteidiger am ersten Verhandlungstag zwar eingerÀumt, aber als Unfallgeschehen darstellen lassen. Das Gericht kam nach acht Verhandlungstagen, 20 vernommenen Zeugen und drei SachverstÀndigengutachten zu einer anderen EinschÀtzung. BÀhner schoss demnach, weil er eine "fremdenfeindliche Gesinnung" an den Tag legte.
In der Tatnacht hatte das Opfer mit drei Begleitern am Rheinufer im Kölner Stadtteil Porz in unmittelbarer NĂ€he zum GrundstĂŒck des Angeklagten Alkohol getrunken und Musik gehört. Als der Angeklagte seinen Hund im Garten ausgefĂŒhrt habe, habe er einen Streit mit den jungen MĂ€nnern vom Zaun gebrochen und diese als "Drecks-Kanacken" oder "Drecks-AuslĂ€nder" beleidigt, war das Gericht ĂŒberzeugt.
Kölner Staatsanwalt: "Es gibt in Deutschland keine politisch gefÀrbte Justiz"
Staatsanwalt Sinan Sengöz sieht von dem Fall Grundsatzfragen des Rechtssystems betroffen: Das machte er in seinem PlĂ€doyer deutlich. Scharf wehrte er sich gegen den Vorwurf der Verteidigung, einen persönlichen Feldzug zu fĂŒhren, da er wegen der falschen Schreibweise seines eigenen Namens, der auch auf Migration hindeute, beleidigt sei: "Es gibt in Deutschland keine politisch gefĂ€rbte Justiz, das verhindern Kontrollmechanismen", sagte er.
Die GroĂe Strafkammer habe das Verfahren zugelassen. Der Vorwurf der Verteidigung sei insofern "genauso absurd wie die Annahme, dass ein Verteidiger mit tĂŒrkischem Namen nicht wegen seiner Kompetenz gewĂ€hlt wurde, sondern um eine Feigenblattfunktion zu erfĂŒllen."
Einschusswinkel widerspricht BĂ€hners Darstellung
PrĂ€zise rekapitulierte er die AusfĂŒhrungen des rechtsmedizinischen Gutachters Professor Markus Rothschild, nach welchen der Schuss aus einer Entfernung von maximal fĂŒnf Zentimetern abgefeuert worden sein mĂŒsse.
Der Einschusswinkel passe nicht zur Darstellung des Angeklagten. Gegen dessen Angabe, dass der Schuss sich versehentlich gelöst habe, spreche auch, dass es "Basiswissen fĂŒr SchĂŒtzen" sei, den Finger bis zur unmittelbaren Schussabgabe nicht an den Abzug, sondern neben den Lauf zu legen. Der Angeklagte, seit Jahrzehnten aktiver SchĂŒtze, mĂŒsse das gewusst haben.
Hinsichtlich der Zweifel eines Polizisten, ob die Tat sich so zugetragen habe wie angeklagt oder ob die Darstellung des Angeklagten stimme, polterte der Staatsanwalt: "Die Staatsanwaltschaft ist nicht das Justiziariat der Polizei. Ich bin ohne Restzweifel ĂŒberzeugt davon, dass die Tat sich so zugetragen hat." Der Polizist hingegen habe wohl keine umfangreiche Kenntnis ĂŒber die Details der Beweisaufnahme gehabt.
Kölner Staatsanwalt: "Perfides, bösartiges Verhalten"
"Ein Ă€lterer Herr wird von seiner Frau auf lĂ€rmende Leute vor dem Haus angesprochen und ruft nicht etwa das Ordnungsamt oder die Polizei, sondern bewaffnet sich, fĂ€ngt an, die Gruppe zu beschimpfen und sagt zu einem unbewaffneten Mann: 'Komm doch auf mein GrundstĂŒck', was wohl heiĂen sollte: 'Komm doch auf mein GrundstĂŒck, da bist du vogelfrei' â das ist perfide und bösartig", empörte sich Sengöz.
Eine BewÀhrungsstrafe sei nicht in ErwÀgung zu ziehen, da es der Bevölkerung nicht zu vermitteln sei, dass ein hochgradig waffenaffiner Mensch einen banalen Konflikt auf diese Weise löse. Er beantragte eine Haftstrafe von drei Jahren und neun Monaten.
Die Vertreterin der Nebenklage verzichtete auf einen Antrag in konkreter Höhe, betonte jedoch: "In der heutigen Zeit, wo Rechtsextremismus zunimmt, sehe ich es als staatsbĂŒrgerliche Pflicht, den AnfĂ€ngen zu wehren und die Stimme zu erheben."
BĂ€hner-Prozess: Verteidigung forderte Freispruch
KontrĂ€r dazu der Antrag der beiden Verteidiger: Sie forderten einen Freispruch. Im Mittelpunkt ihrer Argumentation stand, dass die vier jungen MĂ€nner, mit denen der Angeklagte in Konflikt geraten war, erst ĂŒber eine Woche nach der mutmaĂlichen Tat von rassistischen Beleidigungen gesprochen hĂ€tten.
Einer von ihnen sei polizeibekannt. Der habe wohl gedacht, dass er sich etwas einfallen lassen mĂŒsse, um davon abzulenken, dass der Angeklagte in Notwehr gehandelt habe, so die Verteidigung.
Richter: Notwehr-Situation lag nicht vor
Mit Blick auf die intensive Berichterstattung zum Fall und Demo-StĂ€nden, die junge Leute vor dem Gericht aufgebaut hatten, warf der Verteidiger dem Staatsanwalt vor: "Sie tragen die Verantwortung fĂŒr diese mediale Hetze und dafĂŒr, dass man hier einem LĂŒgner aufgesessen ist."
Das Gericht folgte mit seiner Urteilsfindung jedoch den AusfĂŒhrungen der Staatsanwaltschaft, wenn auch das StrafmaĂ etwas geringer ausfiel: Der Angeklagte soll fĂŒr drei Jahre und sechs Monate in Haft, da er sich der gefĂ€hrlichen Körperverletzung, der Beleidigung und des unerlaubten Waffenbesitzes schuldig gemacht habe.
So sehr gezittert, dass Untersuchung kaum möglich war
"Es ist richtig, dass der Inhalt der Beleidigungen in den ersten Vernehmungen nicht der gleiche Inhalt war wie spĂ€ter", so der Vorsitzende Richter: Diesen Aspekt habe die Kammer reflektiert, sei aber zu dem Ergebnis gekommen, dass dies auf die aufwĂŒhlende Situation zurĂŒckzufĂŒhren sei.
Einer der vier jungen MÀnner habe bei der polizeilichen Untersuchung auf Schmauchspuren so sehr gezittert, dass seine HÀnde kaum hÀtten untersucht werden können. Die Richter gehen davon aus, dass der Schuss gezielt abgesetzt wurde, ohne dass eine Notwehrsituation voranging. Das Urteil ist noch nicht rechtskrÀftig.