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Russlands Propaganda reicht bis nach Köln: "Sie profitieren von Putins Regime"


Russland-Unterstützer in Deutschland
"Ich denke, sie profitieren von Putins Regime"

Von Tobias Christ

Aktualisiert am 15.05.2022Lesedauer: 4 Min.
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Junge Frau mit Sowjetflagge. Über 1000 Menschen drückten Anfang Mai in Köln ihre Unterstützung für Russland ausgedrückt.Vergrößern des Bildes
Junge Frau mit Sowjetflagge. Über 1000 Menschen drückten Anfang Mai in Köln ihre Unterstützung für Russland ausgedrückt. (Quelle: Christoph Hardt/imago-images-bilder)

Flaggen, Autos, zum Teil krude Thesen: Prorussische Demos stoßen seit Kriegsbeginn auf Kritik – auch bei Menschen, die selbst russische Wurzeln haben. Warum glauben dennoch so viele Putins Aussagen?

Als am Sonntag pro-russische Aktivisten mit Autos durch Köln fuhren, war auch Alexei Bach* mit dabei. Allerdings nicht in einem der Wagen mit russischen und sowjetischen Flaggen, sondern als Gegendemonstrant. Mit einem Foto von zerbombten Häusern in der Ukraine stand der Deutsche mit russischen Wurzeln am Straßenrand und schrie den Demonstranten entgegen, dass ihre Meinungen und Einstellungen zu genau diesen Zerstörungen führen.

Seit dem Jahr 2000 lebt Alexei Bach in Deutschland. Geboren wurde er in Moskau, doch mit 20 Jahren kehrte er seiner Heimat den Rücken. "Für mich war klar, dass es in Russland kein Leben für mich gibt", sagt der Software-Entwickler.

Menschen, die andere unterdrückten und über Leichen gingen, könnten sich dort wohlfühlen, sagt er – er fühlte sich jedoch nicht mehr wohl. Als Alexei Bach und seine Eltern nach Deutschland gingen, war gerade Wladimir Putin Präsident geworden. Seine Herrschaft würde zu nichts Gutem führen, das war der Familie klar: "Die Erwartungen waren genauso, wie es gekommen ist – leider." Nicht nur für Russland sei Putin eine "absolute Katastrophe", sondern für die ganze Welt.

Deutsch-Russe in Köln: Ausgewanderte leben weiter "mental in Russland"

Deshalb wundert sich Alexei Bach, dass Menschen aus Russland auswandern, um dann "weiterhin mental in Russland zu leben". Für ihn gibt es dafür mehrere mögliche Erklärungen. "Ich denke, es gab manche Leute in den Autos, die von Putins Regime profitieren", sagt der 42-Jährige. Möglicherweise arbeiteten einige von ihnen für russische Firmen – Putin tue eben alles dafür, dass sich seine Leute auch in Deutschland wohlfühlen.

Zum Teil sieht er das Problem aber auch in mangelnder Integration vorwiegend schlecht ausgebildeter Zuwanderer bei gleichzeitiger Indoktrinierung durch russische Medien. Vor allem Menschen unterer sozialer Schichten seien Opfer der Putin-Propaganda geworden.

"Man sagt, dass Europa von der Erdoberfläche gelöscht werden soll"

Über Jahre hinweg sei versucht worden, "gewisse Fakten in die Köpfe zu bekommen, die natürlich gar nicht stimmen". Die russische Propaganda versteht Alexei Bach nicht etwa als alternative Meinung, sondern als Waffe – und die trifft ihr Ziel offenbar auch in Deutschland. Trotz des Zugangs zu westlichen Medien.

Wer nicht gut Deutsch spreche, schaue oft russisches Fernsehen, so Alexei Bachs Beobachtung. Vor allem die kostenlosen staatlichen Sender seien jedoch durchsetzt von Propaganda. Mit der russischen Annexion der Halbinsel Krim vor acht Jahren sei die Meinungsmache deutlich verschärft worden: "Da sagen Leute, dass es die Ukraine nicht geben soll. Man sagt auch, dass Europa von der Erdoberfläche gelöscht werden soll."

Bach: Pro-Putin-Aktivisten übernehmen Propagandastrategien einfach

Nicht nur falsche Informationen würden verbreitet, Zuschauer würden auch mit allerlei psychologischen Tricks manipuliert und verwirrt. Etwa, indem mehrere sich widersprechende Versionen eines Sachverhalts dargestellt würden. Klares Denken werde so systematisch verhindert.

Alexei Bach habe zudem beobachtet, dass Pro-Putin-Aktivisten oft auf dieselbe Art gegen westliche Berichterstattungen argumentieren, nicht selten bis in die Formulierungen hinein. Es seien die Argumente, die sie tausendfach von russischen Medien eingetrichtert bekommen: "Russland hat recht und alle anderen nicht." Darauf laufe alles hinaus.

Und im Internet wirke die Manipulation weiter: Putin verfüge über eine unglaubliche Menge an Kommentatoren, die in den sozialen Netzwerken aktiv seien und auch auf Deutsch schrieben.

Psychologin: Propaganda knüpft an Voreinstellungen an

Auch Pia Lamberty, Sozialpsychologin vom "Center für Monitoring, Analyse und Strategie" (Cemas), sieht mehrere Faktoren, warum Menschen pro-russische Propaganda glauben. Zwar können demnach psychologische Erklärungen einen wichtigen Ansatz liefern. "Allerdings muss man auch kulturelle und historische Faktoren mit einbeziehen, die erklären, warum gewisse Mythen und Propagandanarrative überhaupt in einer Gesellschaft verfangen."

Generell habe Propaganda zwei Funktionen: "Sie soll nach innen wirken und gleichzeitig nach außen destabilisieren." Sie sei aus psychologischer Perspektive dann besonders erfolgreich, wenn sie von Menschen durch ihre Voreinstellungen akzeptiert und verbreitet werde: "Sie muss an Stimmungen, Bedürfnisse und Themen anknüpfen, die bereits existieren."

Wenn Menschen vorrangig russische Staatsmedien konsumierten, könne sich das irgendwann zusätzlich verstärkend auf die eigene Haltung auswirken.

Lamberty warnt vor Verallgemeinerung von russischstämmigen Menschen

Ein Automatismus sei das aber nicht, sagt Lamberty. Verallgemeinerungen seien nicht angebracht: Eine russische Migrationsgeschichte bedeute nicht automatisch, dass man sich pro Putin positioniere. Viele Menschen verurteilten den russischen Angriffskrieg eindeutig, so Pia Lamberty: "Umgekehrt finden sich ja auch in der deutschen Mehrheitsgesellschaft Unterstützer von pro-russischer Propaganda."

Alexei Bach gehört zu den Deutschen mit russischen Wurzeln, die nur Kopfschütteln für die Pro-Putin-Demos übrighaben. Meinungsfreiheit sei absolut wichtig, "aber die Unterstützung eines Massenmörders geht ein bisschen zu weit". Auch in seinem Bekanntenkreis gebe es notorische Putin-Unterstützer. Sie umzustimmen, habe er aufgegeben: "Es bringt einfach nichts."

Auch von den westlichen Medien würden sie nicht mehr erreicht. Letztlich sei es "superschwer, sich im Klaren darüber zu werden, dass man auf der falschen Seite gestanden hat".

*Name von der Redaktion geändert

Verwendete Quellen
  • Telefonat mit Alexei Bach (Name geändert)
  • Anfrage an Pia Lamberty
  • Eigene Recherche
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