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Grüne Wiesen: Experte – Droht dem deutschen Wintersport das Aus?


Experte fordert Umdenken
Dem deutschen Wintersport droht das Aus

InterviewVon Jonas Voss

Aktualisiert am 06.01.2023Lesedauer: 3 Min.
Interview
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Die Talabfahrt Seealpe inmitten grüner Wiesen rund um Oberstdorf (Symbolbild): So sehen derzeit viele Skigebiete in den tieferen Gebieten Deutschlands aus. (Quelle: IMAGO)

Grüne Wiesen statt weißer Gipfel: In so manchem Skigebiet geht dieser Tage ohne Kunstschnee nichts. Ein Wissenschaftler erklärt, ob Deutschland Skifahrland bleiben kann.

Die Weihnachtsferien sind Hochsaison für Wintersportorte in Bayern. Normalerweise. Doch derzeit bietet sich in vielen Skigebieten ein tristes Bild: Grünbraune Hänge, besonders in den tieferen Lagen, verleiden den Deutschen ihren liebsten Wintersport. Maximilian Witting forscht an der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) zu der komplexen Beziehung zwischen Klimawandel und Wintersport. Im Gespräch mit t-online erklärt er, wie gefährdet die Skifahrnation Deutschland ist und ob Wintersport in der Klimakrise noch vertretbar ist.

t-online: Ist Skifahren angesichts der Klimakrise überhaupt noch moralisch vertretbar?

Maximilian Witting: Eine schwierige Frage – das ist aus meiner Sicht so pauschal nicht zu beantworten. Wenn wir über moralisch vertretbare Tourismusformen sprechen, sollten wir alle touristischen Aktivitäten in den Blick nehmen und nicht einzelne Formen herausgreifen. Natürlich müssen wir uns als Gesellschaft fragen, wie wir in die Lage kommen, die Pariser Klimaziele von 1,5 Grad zu erreichen. Dabei spielt auch das touristische Verhalten eine Rolle. Es ist aber aus meiner Sicht der falsche Weg, das Skifahren pauschal als moralisch verwerflich darzustellen.

Zumal das Verhältnis der Deutschen zum Wintersport ein besonderes ist. Ist er nicht ein bedeutender Teil des kulturellen Gedächtnisses?

Der Wintersport hat einen hohen Stellenwert in Deutschland, auch im Spitzensport. Viele Wintersportarten sind sehr prominent in den Medien. Aber auch im Spitzensport muss man als Gesellschaft gemeinsam darüber nachdenken, ob man weiterhin mittels viel Geld und technischer Lösungen Trainingsorte beispielsweise in den Mittelgebirgen trotz sich verschlechternder Bedingungen aufrechterhalten möchte.

Glauben Sie denn, Deutschland kann Skifahrernation bleiben?

Klar ist, der Wintersportmarkt wird sich verändern. Ob wir eine Wintersportnation bleiben, ist kaum zu prognostizieren. Aber die Voraussetzungen dafür werden schwieriger. Die klimatischen Veränderungen haben Auswirkungen auf die Schneeverfügbarkeit – je nach Ort und Lage haben wir somit weniger natürlichen Schnee. Es braucht also mehr technische Lösungen für die Schneesicherheit in den Skigebieten. Die Bedingungen für die Produktion von Schnee verschlechtern sich jedoch, wodurch auch die notwendigen Wasser- und Energieverbräuche steigen.

Gleichzeitig haben wir eine Verschiebung der Wintersaison: Die umsatzstarken Tage der Winterferien werden immer unsicherer. Auch die Schneetage verschieben sich perspektivisch in den Januar und Februar hinein. Dann, wenn die Lust am Skifahren teilweise schon schwindet. Außerdem hat der Wintersport ein Nachwuchsproblem: Es finden, primär aus versicherungstechnischen Gründen, immer weniger Skifreizeiten an Schulen statt. Auch haben junge Menschen aus Familien mit Migrationsgeschichte oft kaum Bindung zu diesem Sport. Und der wird auch noch immer teurer: Gerade die Gebiete in den niedrigeren Lagen haben kaum noch Schneesicherheit. Genau dort lässt sich aber noch vergleichsweise günstig Skifahren lernen.

Hinzu kommt der demografische Wandel: Ab der immer größer werdenden Altersgruppe 60 plus sinkt das Interesse am Wintersport. Das alles verändert die Nachfrage und hat wirtschaftliche Folgen für die davon abhängigen Gemeinden.

Leiden denn Wintersportorte mittlerweile auch unter einem veränderten Image?

Mit dem magischen "Winterwonderland" haben viele Orte leider immer seltener etwas gemein. Die Gemeinden nutzen im Marketing allerdings weiterhin Bilder tief verschneiter Landschaften, die die Wirklichkeit immer häufiger Lügen straft. Auch hier muss ein Umdenken einsetzen.

Laax im Schweizer Kanton Graubünden hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2030 die erste CO2-neutrale Alpen-Destination zu werden. Energie gewinnt man dort teils aus erneuerbaren Energien wie Wasserkraft, Solarstrom und Biomasse. Und Pistenraupen fahren mit Hybridantrieb. Ist so Wintersport ohne schlechtes Gewissen möglich?

Ohne die Gegebenheiten in Laax genau zu kennen beziehungsweise analysiert zu haben, sind diese Bestrebungen sicherlich ein gangbarer Weg, um als Wintersportort einen Beitrag zum Erreichen der Klimaziele zu leisten. In niedrig gelegenen Skigebieten, vor allem in den Mittelgebirgen oder dem Alpenvorland, ist das wohl eher keine Lösung. Hier fehlt in den allermeisten Fällen die langfristige Perspektive, wirtschaftlich rentabel Wintersport anzubieten.

Schneeschuhlaufen, Skitourengehen oder Langlaufen sind alles große Trends im Wintersport. Sind das die umweltfreundlicheren Alternativen?

Das lässt sich pauschal nicht sagen. Diese Sportarten werden vor allem auf Naturschnee ausgeführt, das stimmt. Aber die Anreise, und die macht 60 bis 70 Prozent des CO2-Fußabdrucks aus, bleibt. Und beim Tourengehen kommt das Problem dazu, dass Naturschutzgebiete in Mitleidenschaft gezogen werden können. Auch da braucht es Sensibilisierung und Rücksichtnahme jedes Einzelnen auf den Naturraum, in dem er sich bewegt.

Verwendete Quellen
  • Eigenes Telefoninterview mit Maximilian Witting
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