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Präventivhaft über Weihnachten: Klima-Aktivisten nach 16 Tagen entlassen


Klimaaktivisten über Haft in Bayern
"Zu Weihnachten haben wir eine Orange bekommen"

InterviewVon Alexander Spöri

05.01.2023Lesedauer: 3 Min.
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Zurück in die Freiheit: Klimaaktivisten der "Letzten Generation" wurden aus der JVA München entlassen. (Quelle: t-online)

Eine Orange zu Weihnachten, einmal pro Woche ein Telefonat mit den Verwandten: Klimaaktivistin Lina Schinköthe spricht über ihre Zeit im Gefängnis.

Sechs Klimaaktivisten der "Letzten Generation" mussten die Weihnachtsfeiertage und Silvester hinter Gittern verbringen. Der Ermittlungsrichter ordnete 16 Tage Präventivhaft an, um die Aktivisten von weiteren Straßenblockaden abzuhalten. Am Donnerstagmorgen wurden sie entlassen. Nachdem die Aktivisten die Justizvollzugsanstalt in München-Giesing verlassen hatten, sprach Aktivistin Lina Schinköthe mit t-online über ihre Zeit im Gefängnis. Über die Einsamkeit hinter Gittern und ob ein Gefängnisaufenthalt sie von ihrem Aktivismus abhalten kann.

t-online: Wie sind die ersten Momente in Freiheit?

Lina Schinköthe: Das fühlt sich unwirklich an, dass ich jetzt hier draußen stehe und dass ich vorhin da drinnen saß. Ich dachte nie, dass ich mal im Gefängnis sitze. Das ist eigentlich etwas, das nur Straftätern passiert. Und dann bin ich da plötzlich, wobei ich doch nur darauf aufmerksam mache, dass die Regierung gerade gültige Gesetze bricht. In Stadelheim sein ist unangenehm, aber die Welt, auf die wir zusteuern, wird noch unangenehmer.

Wie sah der Alltag im Gefängnis aus?

Wir waren erst alleine, dann wurden wir aber zusammengelegt in eine Sammelzelle. Man ist irgendwie die ganze Zeit beschäftigt. Machen tut man aber nichts wirklich. Ich habe viel gelesen, ich habe sehr viel reflektiert über Beziehungen zu Menschen, die ich habe. Dreimal am Tag gegessen. Geduscht. Man lernt sich wieder zu freuen über die kleinen Dinge, wie Sonnenstrahlen. An Weihnachten haben wir eine Orange bekommen und die dann gegessen. Die war richtig süß und saftig. Mit dieser Orange haben wir uns dann eine halbe Stunde beschäftigt.

Hatten Sie Kontakte zur Außenwelt?

Ich habe vor Weihnachten das letzte Mal mit meiner Schwester und Mutter gesprochen. Pro Woche durfte ich einmal eine halbe Stunde telefonieren. Das hat echt gutgetan – auch wenn es danach sehr weh getan hat, aufzulegen. Außerdem haben wir Briefe bekommen von vielen Menschen, die gesagt haben, dass sie total dankbar sind – für unseren Mut, unsere Entschlossenheit. Das hat Kraft gegeben. Andererseits frage ich mich, wo diese Menschen sind, wenn ich mich wieder auf die Straße klebe.

Haben Sie andere Gefangene und Wärter kennengelernt?

Einmal habe ich aus dem Fenster geschaut und eine Frau gesehen, die an ihrem Fenster saß und geweint hat. Wir zwei haben uns dann angeschaut. Der Moment war besonders – eine gewisse Nähe hat uns verbunden. Die Wärter sind letzten Endes auch nur Menschen. Deshalb hoffe ich, dass wir auch etwas in ihnen bewegt haben. Das ist für die auch was Neues.

Wie war Weihnachten und Silvester?

Ich war traurig, Weihnachten nicht bei meinem kleinen Bruder zu sein. Ich kämpfe allerdings für andere Generationen, damit die noch Weihnachten feiern können. An Silvester wurden alle Gittertüren und Fenster geöffnet. Alle haben dann zusammen runtergezählt und wir konnten das Feuerwerk sehen. Ich liebe Silvester und Feuerwerk. Ich freue mich wie ein kleines Kind darüber.

Haben Sie für Ihren Einsatz bei der "Letzten Generation" Zahlungen erhalten?

Ich mache das nicht, um Geld zu bekommen. Fürs Ankleben kriege ich nichts. Es gibt kein Bonussystem oder so.

Läuft das Verfahren wegen Nötigung noch gegen Sie?

Das Verfahren wegen Nötigung läuft noch. Es gibt noch kein Urteil.

Zu Ihnen: Sind Sie Vollzeitaktivistin?

Ich würde super gerne studieren, ich würde am liebsten mit meinen Freundinnen die Welt entdecken, natürlich ab und zu mal feiern gehen. Ich sehe es allerdings als meine moralische Pflicht und Verantwortung, meine Handlungsmöglichkeiten zu nutzen. Deshalb setze ich mich Vollzeit gegen den Klimawandel ein.

Verwendete Quellen
  • Gespräche mit Klimaaktivisten vor Ort
  • Eigene Recherchen
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