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Kindheitserinnerungen auf dem Müllhaufen: Das Bergwerk im Deutschen Museum muss weg


Jahrelange Sanierung
Das Bergwerk im Deutschen Museum muss auf den Müllhaufen


22.03.2023Lesedauer: 5 Min.
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Deutsches Museum, Sanierung, BergwerkVergrößern des Bildes
Bergleute im Deutschen Museum (Archivbild): Millionen Menschen in Bayern haben diese Ausstellung besucht, Kindheitserinnerungen hängen daran. Nun wird vieles auf dem Müllhaufen landen. (Quelle: Gerrit Faust)

Der Denkmalschutz wollte die Gipskulissen des legendären Bergwerks im Deutschen Museum retten, nun darf wohl doch viel weggeschmissen werden.

Dieter Lang und Verena Eyrainer brauchen hier unten in der Enge von Gipswänden und Holzbohlen eine Taschenlampe – obwohl sie die Wege in die Tiefe des Deutschen Museums viele Male beschritten haben. Wo einst das "Bergwerk" im Technikmuseum zu erkunden war, befinden sich heute aufgerissene Wände, zum Abtransport verpackte Maschinen, Handwerker bei der Arbeit. Das ganze Team um die erfahrene Restauratorin und den Generalbevollmächtigten des Sanierungsprozesses rettet, was zu retten ist.

Und das ist viel, aber längst nicht alles: Viele Exponate sind bereits verpackt und ins Depot geschafft worden, andere – lebensgroße Kumpel, ein Grubenpferd aus Gips, eine mehr als drei Tonnen schwere Überwurfmaschine zum schnellen Abtransport der abgebauten Kohle – liegen abholbereit und mit Barcodes versehen auf Paletten und warten auf ihren Abtransport in verschiedene Lager.

Das Deutsche Museum wird bis 2028 generalsaniert. Doch aus Kosten- und Platzgründen können nicht alle Ausstellungsstücke deponiert werden. Deshalb werden viele Tonnen Material der Ausstellung am Ende auf dem Müll landen. Das Schicksal dieser fast 100 Jahre alten Schau, die viele Millionen Besucher gesehen haben, beschäftigt nicht nur die Verantwortlichen im Museum, sondern auch das bayerische Amt für Denkmalpflege, so viel wird im Gespräch mit Lang und Eyrainer klar.

Die Generalsanierung des Deutschen Museums sprengt alle Budgets

Die Generalsanierung des Deutschen Museums sprengt alle ursprünglichen Budgetplanungen. Schon seit 2015 werden das Gebäude, der Brandschutz sowie die gesamte Technik modernisiert. Lange erklärt, alle Leitungen und der Innenputz bis runter auf den Rohbau müssten zurückgebaut werden. Am Ende steht dieser Teil des Museums "nackt" da. 445 Millionen Euro sind schon in den ersten Bauabschnitt geflossen, der im Sommer des vergangenen Jahres abgeschlossen wurde.

Das Museum bemühte sich wegen der immensen Kosten des gesamten Sanierungsvorhabens um einen Kompromiss in Sachen Bergwerk mit der Denkmalschutzbehörde. Das zog langwierige Verhandlungen und viel Papierkram nach sich. Der Denkmalschutz wollte zu Anfang große Teile einlagern lassen, als historisch zu bedeutend wurde die Ausstellung eingeordnet.

Das Museum hätte das gerne umgesetzt – doch die Kosten waren zu hoch: Nicht nur für Transport und Lagerräume, denn viele Abschnitte des Bergwerks hätten noch im Museum aufwendig restauriert werden müssen, um überhaupt transportfähig zu sein. Angesichts der angespannten Finanzlage der öffentlichen Kassen war das keine realistische Option. Am Ende werden wohl mehr als 85 Prozent entsorgt werden müssen.

Bis September soll das gesamte Ausstellungsareal leer geräumt sein. Was nicht auf dem Müll landet, wird, verteilt auf mehrere Depots in Oberbayern, eingelagert. Oder, so wie ein 120 Kilogramm schwerer Bergmann, als Dauerleihgabe an andere Museen gegeben. Inzwischen konnten sich Museum und Denkmalschutz darauf einigen, dass sogar ein Großteil der Gesteinskulissen entsorgt werden kann. 600 Quadratmeter sollen erhalten bleiben. Und natürlich die vielen Tausend Exponate.

12.000 Teile müssen nun im zweiten Bauabschnitt allein im Bereich des Bergwerks geprüft, abgebaut und verschickt werden. Alles, was eine Inventarnummer hat, wird eingelagert. Doch auch Teile ohne Nummer haben einen historischen Wert, nicht alles will das Museum einfach wegschmeißen.

Im Bergwerk im Deutschen Museum ist Gips überall zu finden

Womit man beim Gips wäre: Wer durch das Bergwerk geht, stößt überall auf ihn. Er bildet die "Bergwände", er bildet die "Salzkammern". Der Großteil der Gips-Kulissen ist noch an Ort und Stelle. Ein Teil soll gerettet werden. Noch ist aber nicht endgültig klar, wie viel.

Das bayerische Landesamt für Denkmalpflege hatte zunächst große Teile des Bergwerks unter Denkmalschutz gestellt. Die Sanierungsarbeiten wurden damit noch teurer und aufwendiger: Was für Museumsbesucher wie echtes Gestein aussieht, ist in Wahrheit vor allem aufwendig gestalteter Gips.

Etliche Probeschnitte waren nötig, ehe man einen ungefähren Plan hatte, ob und wie es möglich sein könnte, diese 100 Jahre alten Kulissen abzutragen, einzulagern und möglicherweise wiederzuverwenden. Manches lässt sich relativ problemlos abtragen. An anderer Stelle lösen sich die Kulissen aber bereits auf.

Hochwasser ist dem Deutschen Museum wohlbekannt

Restauratorin Eyrainer hält ein Stück echter, schwarz-ölig glänzender Kohle in der Hand – denn auch die gibt es hier. Sie zerbröselt zwischen ihren Fingern, in der Luft hängt plötzlich ein schwefliger Geruch. "Die Luftfeuchtigkeit setzt dem Material zu". Hier im Bergwerk befindet man sich im Keller der Museumsinsel, Hochwasser aus der nahegelegenen Isar ist ein vertrauter Anblick.

Den Gipskulissen hat das zugesetzt, an allen Ecken sieht man Feuchtigkeitsflecken, abgeplatzte Verkleidung. Und dort, wo bereits tiefe Schnitte in die Kulisse eingedrungen sind und die teils meterbreiten Hohlräume dahinter offenlegten, sieht man Rost, offene Drähte, völlig verrußte Wände aus einem Brand in den 1950er-Jahren.

In den beiden Salzkammern ist der Schaden durch Hochwasser und Luftfeuchtigkeit gut zu sehen. Alles werde hier weggeschmissen, erklären Lang und Eyrainer mit Bedauern in der Stimme. Ein Fachmann für historische Eisenarbeiten habe bestätigt, hier sei alles zu porös, um es abzubauen und einzulagern. Kindheitserinnerungen für Abermillionen, die hier mit Schule oder Eltern standen. Sie werden weggeworfen.

Die Generalsanierung des Deutschen Museums verschlingt enorme Summen

Bauchef Lang hält während der Begehung immer wieder inne, zeigt in Hohlräume. "Sehen Sie, wie das damals gebaut wurde und danach erhalten? So dürften Sie heute ja kein Museum mehr errichten. Alleine die Brandschutzauflagen ..." An einer Generalsanierung führe kein Weg vorbei. Und weil die so enorme Summen verschlingt, zu 50 Prozent bereitgestellt vom Freistaat, zu 50 Prozent vom Bund, ist derzeit kein Geld da, um das Bergwerk neu zu errichten.

Sicher ist daher: Bei der geplanten Wiedereröffnung 2028 wird kein Bergwerk mehr zu sehen sein. Der einstige Ausstellungsort bleibt vorerst leer. Lang sagt zur vertrackten Lage: "Aktuell kann man auch keine seriösen Schätzungen abgeben, wie teuer Wiederaufbereitung und Einbau einer neuen Bergwerks-Ausstellung wären." Ein mittlerer achtstelliger Millionenbetrag ist nicht abwegig.

Ein Beispiel: Restauratorin Eyrainer steht vor einem Abschnitt der Bergkulisse. Zu sehen ist eine Erzader, sie ist echt und das letzte europäische Erzgestein, das im Ganzen erhalten ist. "Wir planen seit einem Jahr, wie wir die Erzader unbeschädigt hier herausbekommen." Sie soll auf jeden Fall erhalten bleiben.

Im Herbst 2028, zum 125-jährigen Bestehen des Deutschen Museums, soll der zweite Bauabschnitt fertiggestellt sein. Erst einmal ohne Bergwerk. Irgendwann einmal sollen Schüler und Familien aber wieder erleben können, wie es damals war, an einer der Hauptschlagadern des fossilen Zeitalters zu arbeiten. "Das Museum will auf jeden Fall wieder ein Bergwerk haben", sagt der Generalbevollmächtigte Lang. Die Frage sei nur, wann das möglich sei. Man dürfe jedoch, bei aller Wehmut ob der Kindheitserinnerungen, nicht vergessen: "Wir sind ein Museum, das Technikgeschichte präsentiert und nicht die Geschichte der Ausstellungsstücke."

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen vor Ort
  • Begehung des Bergwerks mit Dieter Lang und Verena Eyrainer
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