t-online - Nachrichten für Deutschland
t-online - Nachrichten für Deutschland
Such IconE-Mail IconMenü Icon



HomeRegionalMünchen

Pleite von Galeria Karstadt Kaufhof: Gebäude in München wird zur Kunstoase


"Lovecraft" am Stachus
Münchens Kaufhof-Tragödie: Vom Einkaufsparadies zur Kunstoase


Aktualisiert am 11.09.2023Lesedauer: 3 Min.
Nachrichten
Wir sind t-online

Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.

Zum journalistischen Leitbild von t-online.
Das Zwischennutzungsprojekt "Lovecraft" am Stachus: Vom alten Kaufhof-Gebäude ist wenig über.Vergrößern des Bildes
Das Zwischennutzungsprojekt "Lovecraft" am Stachus: Vom alten Kaufhof-Gebäude ist wenig übrig. (Quelle: Patrik Stäbler)

In Münchens prominentestem Leerstand kehrt wieder Leben ein: Im früheren Galeria Karstadt Kaufhof am Stachus eröffnet die Zwischennutzung "Lovecraft" – mit Kultur, Sport und Gastronomie.

Dort, wo einst Schnäppchen an Grabbeltischen feilgeboten wurden, etwa drei Socken zum Preis von zweien oder Bücher für einen Euro das Stück – dort also stehen nun Blumen. Keine echten, sondern überlebensgroße aus Plastilin, gefertigt vom schwedischen Künstlerduo Nathalie Djurberg und Hans Berg. Ihre mehr als hundert Pflanzen sind Teil der Installation "The Experiment" – ein Name, wie er kaum besser zu diesem Ort passen könnte.

Denn die Ausstellung der renommierten Sammlung Goetz steht im Untergeschoss jenes imposanten Gebäudes am Münchner Stachus, das bis vor einem Jahr noch eine Filiale von Galeria Karstadt Kaufhof beheimatete. Und in diesem früheren Konsumtempel startet nun ein Experiment: eine auf zwei Jahre angelegte Zwischennutzung, die nicht nur Ausstellungen wie die surreale Blumenwelt im Keller umfasst, sondern auch Sportangebote, Läden, Gastronomie und Kultur. Der Name des ambitionierten XXL-Projekts auf 25.000 Quadratmetern und acht Stockwerken, das am Wochenende eröffnet wird: "Lovecraft" – frei übersetzt: "Das Handwerk der Liebe".

Zwischennutzungsprojekt entstand nach Kaufhof-Pleite

Wobei diese Liebe "tragisch angefangen hat", sagt Michael Zechbauer kurz vor dem Startschuss beim Rundgang durchs Haus. Sein Nachname prangt draußen an der Fassade des Gebäudes, das seit dem Bau 1951 seiner Familie gehört. Seinerzeit galt das Warenhaus als eines der modernsten Europas; 70 Jahre lang konnten Münchner dort so ziemlich alles kaufen – vom Tennisschläger bis zum Reisekoffer, von Kleidung über Schreibwaren bis hin zu Süßigkeiten aus aller Welt.

Doch dann war nach einigem Hin und Her Schluss: Im Zuge des landesweiten Niedergangs von Kaufhäusern schloss der Kaufhof am Stachus im vergangenen Herbst seine Türen – und genau das meint Michael Zechbauer mit dem Wort "tragisch". Denn seither steht das Gebäude in Bestlage leer – wie so viele andere Kaufhäuser im Land. "Was kann man mit solchen Flächen machen – in München und anderswo?", fragt sich Michi Kern. Darauf will "Lovecraft" eine Antwort geben.

"Lovecraft" am Stachus wird mit 300.000 Euro gefördert

Der 55-jährige Michi Kern steht an diesem Tag neben Michael Zechbauer; umringt sind die beiden von einem halben Dutzend weiterer Menschen. Schließlich ist "Lovecraft" ein Kooperationsprojekt mit vielen Beteiligten, in dessen Zentrum aber ein Mann steht, dessen Name in München zum Synonym für kreative Zwischennutzungen geworden ist: Michi Kern. Der Gastronom und Yogalehrer hat unter anderem aus einem alten Betonwerk in Sendling das Freizeit- und Kunstareal "Sugar Mountain" geschaffen, im einstigen Hauptquartier der Bayerischen Staatsbank das Pop-up-Hotel "Lovelace" eröffnet und auch bei der kürzlich eröffneten "Fat Cat" im Gasteig seine Finger im Spiel.

Nun nimmt sich sein Zwischennutzungsteam um Lissie Kieser und Gregor Wöltje also auch den früheren Kaufhof vor, der allein aufgrund seiner schieren Größe und der typischen Kaufhaus-Architektur eine Herausforderung darstelle, betont Michi Kern. Finanziell können er und seine Mitbetreiber auf 300.000 Euro Fördergeld setzen, wovon die Stadt München circa 60.000 Euro übernimmt. Diese Zuschüsse machen jedoch bloß 20 bis 25 Prozent des Gesamtbudgets aus, sagt Kern. Den Rest versuchen er und seine Partner über Vermietungen und Sponsoren einzunehmen.

Was erwartet die Gäste auf den 25.000 Quadratmetern?

Was dem Besucher im "Lovecraft" als Erstes ins Auge sticht, das sind die einstigen Rolltreppen, die außer Betrieb genommen und mit bunten Holzstiegen überbaut wurden – inklusive Tunnelrutschen in mehreren Stockwerken. Im Erdgeschoss betreibt die Community Kitchen, die Speisen aus geretteten Lebensmitteln herstellt, ein Tagescafé. Überdies stellt die Rid-Stiftung hier zwei Ladenflächen zur Verfügung, wo untersucht werden soll, "wie die Zukunft des stationären Handels aussieht, der aber zugleich maximal digital tickt", sagt Stiftungschefin Michaela Pichlbauer.

Im ersten und zweiten Stock sind 120 Bilder von Fresken und Gemälden alter Renaissance-Meister wie Leonardo da Vinci und Raffael in der Ausstellung "Meisterwerke" zu sehen. Und wer noch weiter nach emporsteigt, der erreicht jene von der Stadt finanzierten Etagen, wo "kommerzfreier Raum" entstehen soll, wie es Michi Kern formuliert. Konkret werden hier in wenigen Wochen mehrere Fußballplätze im Käfig aufgebaut, dazu Tischtennisplatten und ein Skatepark. Und ganz oben unterm Dach, wo einst die Kaufhof-Cafeteria war, können im "Mucbook Clubhaus" junge Selbstständige und Freiberufler aus der Kultur- und Kreativszene Büros anmieten.

"Das 'Lovecraft' ist kein fertiges Produkt, sondern immer nur ein Zwischenstand", betont Michi Kern nach dem Rundgang. Hier sei Experimentieren nicht nur erlaubt, sondern erwünscht. Schließlich soll das "Lovecraft" laut seinen Machern zum "Leuchtturmprojekt für die Zukunft der Warenhäuser in deutschen Innenstädten" werden. "Die Veränderungen in den Innenstädten sind eigentlich ein Grund zur Hoffnung", findet Michi Kern. "Mit dem Rückzug des Kommerzes entsteht auch Raum für konsumfreie Konzepte und vor allem die Chance, die Kultur zurück in ins Zentrum zu bringen."

Verwendete Quellen
  • Eindrücke vor Ort
  • Presserundgang im "Lovecraft"
  • Internetauftritt des "Lovecraft"
  • Eigene Recherchen
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...



TelekomCo2 Neutrale Website