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München: Kältebus bringt Obdachlosen warme Mahlzeiten | Bayern


Dringend Helfer gesucht
Kältebus München: Einsatz für die Ärmsten der Stadt

Von Sarah Koschinski

27.11.2023Lesedauer: 4 Min.
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Berthold Troitsch achtet immer darauf, dass das Lager ausreichend gefüllt ist, damit er seinen Kältebus beladen kann.Vergrößern des Bildes
Berthold Troitsch achtet immer darauf, dass das Lager ausreichend gefüllt ist, damit er seinen Kältebus beladen kann. (Quelle: Sarah Koschinski)

Eine warme Mahlzeit und ein heißes Getränk – damit versorgt der Kältebus Obdachlose. t-online hat den Münchner Verein einen Abend lang begleitet.

Die Pinakotheken sind nur einer der Stopps des Kältebusses an diesem Abend: Auf den ersten Blick scheint alles verlassen. Aber so schnell geben sich Berthold Troitsch und Alex Trost nicht zufrieden. Nach jahrelanger Erfahrung wissen sie, wo sie suchen müssen. Die Frau, die sie hier antreffen, lebt seit zwei Jahren auf der Straße, wie die beiden erzählen. Sie ist gepflegt gekleidet, sieht auf den ersten Blick nicht aus wie jemand, der obdachlos ist. Sie trägt eine Mütze und einen Strickpulli gegen die Kälte.

"Wie geht's Ihnen?", fragt Berthold Troitsch die Frau, während die beiden Männer sie zum Kältebus begleiten. Die Regel: Wer Essen will, kommt zum Bus. "Es geht, aber langsam wird's ziemlich kalt", antwortet sie, während sie die Ärmel ihres Pullovers weiter über ihre Hände zieht. Sie bekommt, wie jeder andere an diesem Abend auch, ihr Essen in Einweggeschirr. Alles andere wäre laut Troitsch zu unhygienisch und würde zu viel Arbeit machen. So ist jeder selbst für seinen Abfall verantwortlich.

Frauen, die auf der Straße leben, fühlen sich nicht sicher

Berthold Troitsch (54) und Alex Trost (28) sind die beiden Verantwortlichen an diesem Abend. Troitsch ist der Vorsitzende des Vereins Kältebus München. Seit acht Jahren engagiert er sich in seiner Freizeit für den Verein. Auch Trost ist ähnlich lang dabei. Seit sieben Jahren pendelt er mehrmals die Woche aus dem anderthalb Stunden entfernten Landkreis Altötting in die Landeshauptstadt, um Obdachlosen während der kalten Monate "eine kleine Freude zu machen".

Auf die Frage, ob sie manchmal Angst hat, so ganz allein als Frau, antwortet sie: "Immer mehr!" Über die Medien hat sie mitbekommen, dass es immer häufiger Angriffe auf Obdachlose gibt. Und sie weiß auch aus eigener Erfahrung, was es bedeutet, als Frau auf der Straße zu leben. "Fast jede Frau, die ich kenne, wurde schon mal sexuell belästigt. Bei manchen geht es sogar bis zum Letzten." Sie spricht es nicht aus, trotzdem ist klar, dass sie von Vergewaltigung spricht. Doch sie weiß sich zu schützen: "Ich hab in meinem Schlafsack einen Stock. Im Ernstfall kann ich mich damit verteidigen."

Es ist Montagabend, 17 Uhr. In einem kleinen Raum im Untergeschoss in der Neherstraße, in der Nähe des Prinzregententheaters, bereiten Troitsch und Trost alles für die bevorstehende Fahrt mit dem Kältebus vor. Der 54-Jährige schneidet die knapp sechs Kilo Hähnchenfleisch für die heutige Mahlzeit klein, Curry mit Gemüse und Reis. Er will den Obdachlosen eine "vollwertige Mahlzeit" bieten, wie er sagt. Auf Vegetarier oder Veganer kann er keine Rücksicht nehmen. Gleichzeitig behält Alex Trost den Reiskocher im Blick. Die beiden sind ein eingeschworenes Team. Jeder Handgriff sitzt. Troitsch gibt die Anweisungen, Trost führt sie aus.

Vorräte in großen Mengen und teils in XXL-Formaten

"Ich schau immer, dass alles in ausreichender Menge vorhanden ist", erklärt Troitsch. In dem kleinen Lager, in das man von der Küche aus über eine steile Treppe nach unten gelangt, türmen sich Schokoladentafeln, Konserven, Gewürze und Fertigsaucen. Vieles davon in XXL-Größe. Immerhin kochen die Ehrenamtlichen für rund 50 Bedürftige. Und das zwischen vier- und sechsmal in der Woche. Finanziert wird der Verein über private Spenden.

An der Wand über dem Herd, auf dem ein Topf in Gastrogröße steht, hängt eine Art Schnellhefter, der als Kochbuch umfunktioniert wurde. "Schnelle Rezepte" steht darüber. Robuste Plastikfolien enthalten verschiedene Rezepte. Darunter "Nudeln mit Bolognesesauce" oder "Nudeln mit Käsesauce und Thunfisch". Das meiste, was er kocht, kann Troitsch auswendig, aber für Alex Trost dienen sie als Inspiration. "Wenn es mal schnell gehen muss", sagt Troitsch. Die Mengenangaben machen deutlich, in welcher Größenordnung die beiden kochen: 4 Liter Milch, 7 Packungen Nudeln oder 12 Packungen Schmelzkäse werden für eine Sauce schon mal benötigt.

Während das Curry vor sich hin köchelt, kontrollieren die beiden Männer, ob sie ansonsten gerüstet sind für die Fahrt. "Haben wir die Butterkekse für Walter?", fragt Alex Trost. "Die wurden dieses Mal nicht mitgeliefert. Stattdessen gab es Spritzgebäck", antwortet Troitsch und packt Trockenkekse ein. Für die anderen Bedürftigen wandert Schokolade in den Korb. Beim Trinken stehen Instant-Cappuccino mit Schokogeschmack, Tee und heißes Wasser zur Auswahl. "Der Schoko-Cappuccino ist besonders begehrt", weiß Troitsch.

Verpackt in Thermobehältern, tragen die beiden Männer das Essen zum Transporter und verstauen es auf der Ladefläche in Holzkisten in einer mobilen Küche. Sie ist gefüllt mit Einweggeschirr, Holzbesteck, Taschentüchern, Dosenfisch, Bechern und Süßigkeiten. Kurze Besprechung, welche Stationen sie heute anfahren, und dann geht es los.

Ihr erster Stopp ist der Friedensengel. Sie schauen in der Unterführung nach, ob dort jemand sitzt, der sich über ein warmes Essen freuen würde. Doch hier ist niemand. Woran es liegt, dass die Obdachlosen ihren Platz verlassen, hat mehrere Gründe. "Entweder haben sie einen besseren Platz gefunden, sich mit den anderen dort bekriegt oder sie haben sich zu einer Gruppe zusammengeschlossen", sagt Trost.

Die Helfer des Kältebusses wissen, wo sie Bedürftige finden

Weiter geht's zur Theresienwiese. Dort werden die beiden Männer schnell fündig. Sie stoßen auf eine rumänische Familie, die ihr Angebot dankend annimmt. "Wir fragen die Leute vorher, ob sie unsere Hilfe möchten. Wenn nicht, ist das auch okay. Wir behandeln sie mit Respekt", sagt Troitsch.

Eine Unterführung weiter treffen sie auf weitere Bedürftige. Es ist ein junges und ein älteres Ehepaar, die sich unter der Unterführung mit Matratzen, Gaskocher und Musikbox häuslich eingerichtet haben. Als Troitsch und Trost auf sie zukommen, ist die jüngere Frau gerade dabei, den Boden zu fegen. "Die Leute sehen das als ihr Zuhause und halten es sauber", sagt Troitsch.

Verein sucht dringend Helfer

Die letzte Station ist das Isartor. Für Alex Trost der schönste Halt. Die Menschen dort seien sehr herzlich und dankbar für ihre Arbeit. Nicht nur Obdachlose würden sich am Isartor ihre warme Mahlzeit abholen, sondern auch "viele Rentner, die in die Altersarmut geraten sind", wie Trost aus Erfahrung weiß.

Morgen geht es weiter. Alex Trost versucht, so oft er kann nach München zu kommen, um den Obdachlosen in der kalten Jahreszeit ein bisschen Wärme zu spenden. Troitsch gibt aber zu: Unterstützung könnten sie gut gebrauchen. In München gibt es viele Obdachlose. Es mangelt den ehrenamtlichen Lebensrettern aber an Helfern.

Berthold Troitsch bei der Essensvorbereitung für den Kältebus.
Berthold Troitsch bei der Essensvorbereitung für den Kältebus. (Quelle: Sarah Koschinski)

Über den Verein:

Der Kältebus München e.V. ist ein ehrenamtlicher Verein und wird ausschließlich über Spenden finanziert. Um Lebensmittel, Hygieneartikel und andere lebenswichtige Utensilien finanzieren zu können, ist der Kältebus auf Spenden angewiesen. Wer den Verein unterstützen möchte, kann das mit einer Spende auf folgendes Konto tun: Kältebus München e.V.
IBAN: DE85 7015 0000 1003 9157 56
BIC: SSKMDEMMXXX
Bank: Stadtsparkasse München

Verwendete Quellen
  • Kältebus München e.V.
  • Eigene Recherche vor Ort
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