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München: Prozess gegen Fußballtrainer wegen Missbrauchs in über 900 Fällen


Prozessbeginn in München
Missbrauch: Gesteht der Fußballtrainer die Vorwürfe?


11.01.2024Lesedauer: 3 Min.
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Der Angeklagte hält sich zu Prozessbeginn einen Aktenordner vors Gesicht, links sein Rechtsanwalt.Vergrößern des Bildes
Der Angeklagte hält sich zu Prozessbeginn einen Aktenordner vors Gesicht, links sein Rechtsanwalt. (Quelle: Patrik Stäbler )

Ein Fußballtrainer aus dem Raum München soll jahrelang Dutzende junge Spieler aus seinem Verein missbraucht haben. Die Taten beging er offenbar immer nach gleichem Muster.

Geschlagene 75 Minuten benötigt die Staatsanwältin an diesem Vormittag im Landgericht München I, um die 23-seitige Anklageschrift zu verlesen. Es ist eine quälend lange Zeit für die Zuhörenden – und offenbar auch für den Angeklagten. So wippt der 47-Jährige mit dem Dreitagebart und dem rasierten Schädel immer wieder vor und zurück, reibt sich die geröteten Augen und setzt alle paar Minuten seine Lesebrille auf und wieder ab – ganz so, als könne er nicht glauben, was da vor ihm auf dem Papier steht.

Und tatsächlich klingt die schiere Menge der Vorwürfe gegen den Fußballtrainer, der bei einem Sportverein im Landkreis München angestellt war, nahezu unglaublich. So soll er laut Anklageschrift in der Zeit von 2014 bis 2020 mehrere Dutzend Spieler des Clubs im Alter zwischen 14 und 19 Jahren sexuell missbraucht und teilweise vergewaltigt haben – einige von ihnen mehr als hundert Mal. Dabei nutzte der Coach das Vertrauensverhältnis aus, das er zu den jungen Fußballern auch abseits des Platzes aufgebaut hatte.

Angeklagter ist verheiratet und Vater von zwei Kindern

Sexueller Übergriff, Vergewaltigung und sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen – in mehr als 900 Fällen: So lauten die Vorwürfe gegen den verheirateten Vater zweier Kinder, der den Gerichtssaal am ersten Prozesstag mit heruntergezogener Kapuze und einer schwarzen Mappe vorm Gesicht betritt. Bei seinen Taten ging der Trainer laut Anklage stets nach dem gleichen Muster vor. Demnach bot er Nachwuchsspielern seines Clubs eine physiotherapeutische Behandlung an, wiewohl er – anders als behauptet – keine entsprechende Ausbildung hatte.

Die Kinder lud er wahlweise zu sich nach Hause, in ein Hotelzimmer im Trainingslager oder in die Kabine des vereinseigenen Sportheims ein, wo jeweils eine Massageliege stand. Auf dieser mussten sich die Jugendlichen laut Anklageschrift nackt hinlegen, ehe der Trainer ihren Penis massierte – angeblich, weil dies die Durchblutung der Muskulatur fördere und somit die Verletzungsgefahr reduziere. Seinen Opfern erzählte der 47-Jährige, dass für eine erfolgreiche Behandlung eine Erektion nötig sei, besser noch ein Samenerguss. Im Weiteren penetrierte er die Jugendlichen anal mit dem Finger. Zudem behauptete er, dass derartige Behandlungen im Profisport üblich seien.

Den Ermittlungen zufolge missbrauchte der Mann jahrelang Dutzende Spieler, ohne dass dies im Verein auffiel. Dabei sei ihm zupassgekommen, dass er für die Kinder und Jugendlichen "eine Vertrauens-, Respekts- und Autoritätsperson" war, heißt es in der Anklageschrift. Zudem sei Fußball für die Teenager "das Wichtigste überhaupt" gewesen, weshalb sie stolz waren, "unter dem Angeklagten trainieren zu dürfen, da dieser als fußballerisch hochklassig galt und schon Profis trainiert hatte".

Ein Spieler hatte sich seinen Eltern anvertraut

Ans Licht kamen die mutmaßlichen Taten, nachdem sich einer der Spieler seinen Eltern anvertraut hatte. Diese kontaktierten den Verein, der daraufhin eine Rechtsanwältin einschaltete, die wiederum Strafanzeige erstatte. Seit mittlerweile 15 Monaten sitzt der Trainer nunmehr in Untersuchungshaft. Und sollte das Gericht von seiner Schuld überzeugt sein, dann werden wohl noch mehrere Jahre im Gefängnis hinzukommen.

Am ersten Prozesstag regt der Verteidiger des Mannes nach der Verlesung der Anklage ein Gespräch über eine mögliche Verständigung an. Bei einem sogenannten Deal müsste der 47-Jährige ein umfassendes Geständnis ablegen, wofür er im Gegenzug mit einer Strafe in Höhe eines vorab festgelegten Rahmens rechnen könnte. Im vorliegenden Fall käme für die Kammer eine Haftstrafe von höchstens sieben bis acht Jahren in Betracht, berichtet der Richter hinterher von dem Verständigungsgespräch.

Entscheidung über Geständnis in den kommenden Tagen

Ob darüber hinaus eine Sicherungsverwahrung oder die Unterbringung in einer Psychiatrie angeordnet würde, bliebe jedoch offen, betont er. Als strafmildernd würde sich laut dem Richter auswirken, dass der 47-Jährige nicht vorbestraft ist und sein Geständnis den Opfern eine Zeugenaussage im Gerichtssaal ersparen könnte. Zu seinen Lasten sprächen dagegen die Vielzahl der mutmaßlichen Taten sowie die Überzeugung des Gerichts, dass hier eine Serientat vorliege.

Der Fußballtrainer wolle mit seinen Verteidigern beratschlagen, ob er einem Deal unter diesen Voraussetzungen zustimmen will, heißt es. Eine Entscheidung werde man in der nächsten Verhandlung bekannt geben, kündigt sein Anwalt an. Am kommenden Montag wird der Prozess fortgesetzt.

Verwendete Quellen
  • Eigene Beobachtungen vor Ort im Gerichtssaal
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