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Wegen NS-Zeit: Otfried-Preußler-Gymnasium in Pullach will Namen loswerden


Schule kann Antrag stellen
Otfried-Preußler-Gymnasium will seinen Namen loswerden


Aktualisiert am 13.03.2024Lesedauer: 4 Min.
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Die Otfried-Preußler-Schule, die erst vor zehn Jahren nach Preußler benannt worden war, will den Namen nun wieder ablegen.Vergrößern des Bildes
Die Otfried-Preußler-Schule, die erst vor zehn Jahren nach Preußler benannt worden war, will den Namen nun wieder ablegen. (Quelle: Patrik Stäbler )

In Pullach soll das Otfried-Preußler-Gymnasium seinen Namen ablegen. Die Entscheidung des Zweckverbands ermöglicht den nächsten Schritt.

Es ist ein grautrister Morgen vor dem Gymnasium in Pullach, soeben hat ein offenbar verspäteter Teenager sein Fahrrad abgesperrt und ist ins Schulhaus gehastet. Durch die Fenster sieht man junge Menschen über Büchern gebeugt, am Eingang prangt ein buntes Graffiti an einer Mauer, und von dort ist auch jener Schriftzug am Gebäude zu sehen, über den zuletzt das halbe Land diskutiert hat: Otfried-Preußler-Gymnasium.

Auf diesen Namen hört die Schule in dem Münchner Vorort seit 2013 – noch. Doch geht es nach ihren Lehrkräften, dem Elternbeirat, den Schülerinnen und Schülern sowie dem Pullacher Gemeinderat, dann soll sich das bald ändern. Denn sie wollen den berühmten Schriftsteller – Vater beliebter Figuren wie der Kleinen Hexe und dem Räuber Hotzenplotz – aus dem Namen des Gymnasiums tilgen, vor allem wegen Preußlers Erstlingswerk "Erntelager Geyer", das die Hitlerjugend glorifiziert.

Rückbenennung in Staatliches Gymnasium Pullach

Die geplante Namensänderung hat bundesweit heftige Reaktionen ausgelöst, das Gros davon kritisch. Und dennoch hält das Gymnasium an seinem Vorhaben fest – und hat nun eine wichtige Hürde genommen. Denn während die Schülerinnen und Schüler an diesem Mittwochvormittag über Mathe, Biologie und Co. brüten, stimmt keine zwei Kilometer entfernt im Rathaus der Zweckverband für die beantragte Rückbenennung in Staatliches Gymnasium Pullach – so wie die Schule bis 2013 hieß.

Zwar obliegt die endgültige Entscheidung dem Kultusministerium, dessen Chefin Anna Stolz (Freie Wähler) bereits angekündigt hat, das Ansinnen "mit der nötigen Sensibilität" zu prüfen. Jedoch gilt das Votum des Zweckverbands als gewichtig, zumal dieses einstimmig ist. "Ich halte es für richtig, dass einem übereinstimmigen Wunsch der Schulfamilie Rechnung getragen wird", sagt Christoph Göbel (CSU), der als Landrat des Landkreises München dem Zweckverband angehört.

Schließlich müssten sich vor allem Lehrer-, Schüler- und Elternschaft mit dem Namen ihres Gymnasiums "wohl fühlen", sagt Göbel. Wobei er betont: "Trotzdem darf man Otfried Preußler nicht ins falsche Licht rücken und den Eindruck vermitteln, man sollte seine Bücher aus dem Schrank stellen. Er ist und bleibt ein großartiger Kinderbuchautor."

Fünf Jahre lang mit der Vita Preußlers beschäftigt

Derweil verweist Pullachs Bürgermeisterin Susanne Tausendfreund (Grüne) darauf, dass sich das Gymnasium fünf Jahre lang mit Preußlers Vita beschäftigt hat. Erst danach kam die Schule zu dem Schluss, dass sie den Namen des 2013 verstorbenen Autors ablegen will – aus drei Gründen. Erstens fehle in seinem Werk "ein echter gymnasialer Anspruch", wie es im Antrag des Gymnasiums heißt. Zweitens habe der Kinderbuchautor keinerlei Bezug zu Pullach. Und drittens sei da sein Roman "Erntelager Geyer", in dem der damals 17-Jährige das Leben in der Hitlerjugend (HJ) beschönigte.

"Unseres Wissens", heißt es im Antrag der Schule, "hat sich Otfried Preußler nach dem Krieg nie zu diesem Werk bekannt und erst recht nicht von seinem Inhalt in konkreter Form distanziert." Dass sich das Gymnasium ausgiebig mit seinem Namenspatron auseinandergesetzt hat, würdigen mehrere Mitglieder im Zweckverband. Kritik an der geplanten Namensänderung äußert dort allein CSU-Kreisrat Franz Inselkammer – "weil das Ansehen von einem Mann beschädigt wird, der das in dieser Form nicht verdient hat".

"Richtiggehende Hexenjagd" gegen den Autor

Genau in diese Richtung zielte zuletzt auch die öffentliche Kritik an der Schule. So beklagte etwa Bernd Posselt (CSU), Sprecher der Sudetendeutschen Volksgruppe, eine "richtiggehende Hexenjagd" gegen den 1923 in Böhmen geborenen Schriftsteller. Kritisch zu den Plänen der Pullacher Schule äußerte sich auch Susanne Preußler-Bitsch. "Ich fühle mich davon persönlich angegriffen", sagte die Tochter und Nachlassverwalterin des Autors der Süddeutschen Zeitung.

Dessen NS-Vergangenheit sei keine neue Erkenntnis. "Mein Vater hat nie bestritten, in der Hitlerjugend gewesen zu sein. Hier wird mit wahnsinniger Macht etwas konstruiert und mit drei Jahren jugendlicher Adoleszenz 90 Jahre eines ehrenwerten Lebens versucht klein zu treten." Derweil verwies Tilman Spreckelsen, Autor einer Preußler-Biographie, in der FAZ auf die späteren Werke des Autors – etwa die "Verkasperung von Autoritäten im Räuber Hotzenplotz" oder "die fröhliche Anarchie der Kleinen Hexe, die allem HJ-üblichen Gruppenzwang eine lange Nase dreht".

E-Mails an Lehrkräfte "unter der Gürtellinie"

Vor allem ist da aber sein Hauptwerk "Krabat" über einen zaubernden Waisenjungen, der sich mit einem schwarzen Magier einlässt, ehe er gegen diesen aufbegehrt. Über dieses Werk – seit vielen Jahren Schullektüre in Bayern – hat Preußler gesagt: "Es ist zugleich meine Geschichte, die Geschichte meiner Generation, und es ist die Geschichte aller jungen Leute, die mit der Macht und ihren Verlockungen in Berührung kommen und sich darin verstricken." Dass die geplante Namensänderung in Pullach öffentlich derart heftig kritisiert wurde, habe im Gymnasium "schon für Irritationen gesorgt", sagt Schulleiter Benno Fischbach nach der Sitzung des Zweckverbands.

Ihm zufolge gingen an sämtliche Lehrkräfte kritische Mails, deren Inhalte teils unter der Gürtellinie lagen. Über den Beschluss des Zweckverbands zeigt sich Benno Fischbach erfreut: "Die Schulfamilie nimmt es als Stärkung wahr, dass der Beschluss einstimmig gefallen ist." Nun liegt der Ball also beim Kultusministerium, dem "keine leichte Aufgabe" bevorstehe, sagt Landrat Christoph Göbel – auch mit Blick auf weitere 21 Schulen in Land, die nach Preußler benannt sind.

"Da muss man aufpassen, was das für Folgewirkungen hat." Unabhängig vom Ausgang hoffe er jedoch, dass das Pullacher Gymnasium die Debatte über den Autor weiterführen werde. "Man macht es sich zu einfach, wenn man einen Namen ablegt und sich dann vorgaukelt, es gebe ihn nicht", sagt Göbel. "Deshalb ist Weg der Schule richtig."

Verwendete Quellen
  • Besuch der Zweckverbandssitzung am 13. März 2024
  • sz.de: "Lieber gar keinen Namen als einen belasteten" vom 13. März 2024
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