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Mass: Verstappen ist zu sehr von sich überzeugt


F1-Legende Jochen Mass
"Hamilton? Vettel war zu blauäugig"

t-online, Tobias Ruf

06.09.2017Lesedauer: 4 Min.
Motorsport-Legende Jochen Mass bezieht im Interview mit t-online.de klare Positionen.Vergrößern des BildesMotorsport-Legende Jochen Mass bezieht im Interview mit t-online.de klare Positionen. (Quelle: Horst Ossinger/dpa-bilder)
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Jochen Mass hat deutsche Motorsportgeschichte geschrieben. Im Exklusiv-Interview mit t-online.de spricht der 70-Jährige über den Titelkampf zwischen Sebastian Vettel und Lewis Hamilton, übt scharfe Kritik am Reglement der Formel 1 und spricht über zahlreiche Nachwuchstalente wie Max Verstappen und Mick Schumacher.

t-online.de: Herr Mass, wer holt sich den WM-Titel in dieser Saison: Vettel oder Hamilton?

Jochen Mass (70): Das wird eine ganz enge Kiste, viele Dinge liegen noch im Ungewissen. Favorisiert ist Lewis im Mercedes, das Auto ist einfach das stärkere. Aber Ferrari fährt eine starke Saison und kann den Titel natürlich auch gewinnen.

Welche Rolle spielt die Nervenstärke in so einem engen Duell?

Natürlich eine große. Aber da nehmen sich Sebastian und Lewis nicht viel. Beide sind psychisch stabil, befinden sich aber in einem Zweikampf, in dem es heiß hergeht. Da werden die Zündschnüre schon etwas kürzer, wie man im Juni in Baku gesehen hat.

Zwischen 1973 und 1982 war Jochen Mass in der Formel 1 aktiv, fuhr unter anderem für den traditionsreichen Rennstall McLaren. 1975 feierte er in Barcelona seinen einzigen Formel-1-Sieg und war bis zu Michael Schumachers Sieg in Spa (1992) der letzte Deutsche, der ein Rennen in der Königsklasse des Motorsports gewonnen hatte. Außerdem fuhr er in zahlreichen anderen Rennserien mit, war jahrelang Co-Kommentator bei RTL und fährt noch heute bei Rennveranstaltungen für Oldtimer.

Wie beurteilen Sie den Vorfall, als Vettel seinem Kontrahenten mit Absicht ins Auto gefahren ist?

Da hat Lewis gezeigt, was er für ein Schlitzohr ist. Er hat Vettel natürlich mit seinem Bremsmanöver locken wollen und Sebastian ist drauf reingefallen. Da war er etwas zu blauäugig. Aber so ist Sebastian einfach, er war schon immer stur und temperamentvoll. Insgesamt aber war das ein Manöver, das einfach zum Motorsport dazugehört. Das gab es früher noch viel häufiger.

Ist das Duell Vettel gegen Hamilton mit den packenden Duellen von früher zu vergleichen?

Der Zweikampf tut der Formel 1 sehr gut. Ich bin froh, dass Ferrari wieder ganz vorne mitfährt. Was mich stört ist, dass wir diese packenden Duelle nicht häufiger erleben. Früher waren solche Konstellationen in nahezu jeder Saison gegeben.

Welche Gründe hat das?

Die Autos sind zu schnell und effizient. Der Fahrer hat kaum noch die Möglichkeit, eigene Akzente zu setzen. Überholen ist kaum noch möglich, man ist eigentlich nur auf Fehler seines Gegners angewiesen. Die Autos müssen endlich wieder mehr auf den Fahrer ausgelegt sein. Außerdem gibt es einige Stellen im Reglement, die ich nicht nachvollziehen kann.

Welche meinen Sie damit genau?

Dass man für einen Getriebewechsel in der Startaufstellung nach hinten versetzt wird, ist für mich völlig unverständlich. Das Getriebe ist Teil eines Autos. Und wenn es nicht mehr läuft, muss es eben ausgetauscht werden. Man hat das Chaos in Monza je jetzt gesehen, als zahlreiche Fahrer strafversetzt wurden. Außerdem kann ich die Regelauslegung nicht immer nachvollziehen. Kimi Räikkönen bekam in Spa eine Zehn-Sekunden-Strafe aufgebrummt, weil er bei gelber Flagge nicht gleich vom Gas gegangen ist. Er hat aber niemanden auch nur im Ansatz gefährdet. Eine solch strenge Regelauslegung ist albern und tut der Formel 1 nicht gut.

Ein weiterer Aufreger in Spa war das harte Einsteigen von Sergio Pérez gegen seinen Teamkollegen Esteban Ocon...

Was dort abgelaufen ist, ist totaler Müll. So etwas darf in der Formel 1 nicht sein, schon gar nicht im eigenen Team. Ich hoffe, Force India zieht daraus Konsequenzen.

Max Verstappen im Red Bull ist in Spa erneut ausgefallen und hatte in Monza wieder Probleme. Wieso kommt der Niederländer in dieser Saison nicht in die Gänge?

Verstappen ist zu sehr von sich überzeugt. Das hängt auch damit zusammen, dass der Hype um ihn viel zu früh kam. Er wurde nach seinem Sieg in Barcelona (2016, Anm. d. Red.), den er mit sehr viel Glück eingefahren hatte, in den Himmel gelobt. Jetzt werden Wunderdinge von ihm erwartet. Sicher ist Max ein talentierter Junge. Wie gut er aber wirklich ist, muss die Zukunft zeigen.

Werden junge Fahrer zu früh zu hochgejubelt?

Das ist ein Trend, der sich durch alle Bereiche im Formel-Bereich zieht. Die Autos sind viel zu leicht zu fahren, das fängt bereits im Jugendbereich an. Wie soll ein Fahrer so seine Rennfähigkeiten entwickeln? Im Herrenbereich setzt sich dieser Missstand fort. Die Formel 1 hebt sich viel zu wenig ab, die Rennserien darunter sind viel zu nah dran an der Formel 1. Die Qualität der Autos müsste viel unterschiedlicher sein, um die fahrerischen Fähigkeiten noch deutlicher auszufiltern.

Muss man dadurch die Leistungen jüngerer Fahrer wie Verstappen, Vandoorne oder Stroll differenzierter betrachten?

Gerade bei Stoffel Vandoorne bin ich skeptisch, ob er seinen Weg gehen wird. Das hat nichts mit seinen fahrerischen Qualitäten zu tun, er muss einfach ein gutes Auto bekommen. Von Lance Stroll hingegen halte ich sehr viel. Aber auch er muss das Glück haben und auf Sicht in einem der Top-Teams landen. Sonst kann auch er schnell von der Bildfläche verschwinden. Was anhand seines Talents sehr schade wäre.

Welche Rolle spielt der private Hintergrund der Fahrer?

Dass sich Fahrer selbst in die Formel 1 einkaufen, ist natürlich alles andere als förderlich für den Motorsport. Da geht es ja nicht um sportliche Fähigkeiten, sondern um das Budget, das man mitbringt. Man muss sich nur Sebastian Vettels Karriere anschauen. Der hat kein eigenes Geld mitgebracht und ist seit gut einem Jahrzehnt einer der stärksten Fahrer im Feld. In diese Richtung muss sich die Formel 1 wieder entwickeln.

Wie ist unter diesen Gesichtspunkten der bisherige Werdegang von Mick Schumacher einzuschätzen?

Mick ist ein großes Talent. Und im Gegensatz zu Verstappen ist er nicht von sich eingenommen, er bringt viel menschliche Qualität mit. Aber seine bisherige Karriere ist zwangsläufig mit dem Namen Schumacher verbunden. Er musste sich nie durchboxen, sportliche Rückschläge gab es kaum. Er benötigt vor allen Dingen Zeit und auch mal das ein oder andere sportliche Tal. Dann muss er zeigen, dass er beißen kann.

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