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Bayer Leverkusens Manager Simon Rolfes: "Uli Hoeneß hat mich inspiriert"


Völler-Nachfolger Rolfes
"Uli Hoeneß hat mich inspiriert"

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InterviewVon Alexander Kohne

Aktualisiert am 04.08.2022Lesedauer: 8 Min.
Interview
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Der Gesprächspartner muss auf jede unserer Fragen antworten. Anschließend bekommt er seine Antworten vorgelegt und kann sie autorisieren.

Zum journalistischen Leitbild von t-online.
Simon Rolfes: Der Ex-Nationalspieler folgte in Leverkusen auf Rudi Völler.Vergrößern des Bildes
Simon Rolfes: Der Ex-Nationalspieler folgte in Leverkusen auf Rudi Völler. (Quelle: IMAGO/nordphoto GmbH / Kröger)

In Leverkusen endet eine Ära. Rudi Völler übergibt nach zwei Jahrzehnten an Simon Rolfes. Der sprüht vor Tatendrang – und orientiert sich an großen Namen.

Zum Saisonauftakt gab es für Bayer Leverkusen eine peinliche 3:4-Niederlage im DFB-Pokal bei Drittligist Elversberg. In die Bundesliga starten die Rheinländer am Samstag gegen Borussia Dortmund (ab 18.30 Uhr im Liveticker von t-online). Für Simon Rolfes ist es die erste Saison als Manager.

t-online: Herr Rolfes, bitte vervollständigen Sie folgenden Satz: Wenn Rudi Völler nie bei Bayer gearbeitet hätte, wäre Simon Rolfes…

Simon Rolfes: … puh, das ist so spontan schwer zu beantworten.

Lassen Sie sich gerne etwas Zeit.

Ich hoffe natürlich, dass ich jetzt trotzdem bei Bayer wäre und dass es nicht nur an Rudi lag, sondern auch die Scouts des Klubs vor meinem Wechsel 2005 von mir überzeugt waren. Aber klar: Rudi hat den Verein geprägt und meine Karriere stark beeinflusst.

Völler hat Sie als Manager vor 17 Jahren nach Leverkusen geholt.

Genau, ich war der erste Transfer, den er nach seiner Rückkehr zu Bayer (zuvor war Völler kurzzeitig Trainer bei der AS Rom, Anm. der Red.) getätigt hat. Mein erstes Bundesligator habe ich gemacht, als er kurz nach Saisonbeginn als Interimstrainer eingesprungen ist.

Das war gegen Köln.

Richtig, und auf der Pressekonferenz nach dem Spiel hat Rudi gesagt: "Das war brasilianisch." (lacht)

Nicht nur deshalb verbindet Sie beide eine Menge. Sie wurden bei Bayer Kapitän und Nationalspieler und sind seit Juli Völlers Nachfolger als Sportvorstand. Was war das Wichtigste, das Sie von ihm gelernt haben?

Mir fallen Dinge aus ganz vielen Bereichen ein, diesen einen, wesentlichen Ratschlag gibt es nicht. Allerdings kann ich mich an den ersten Rat erinnern, den ich als Sportdirektor von ihm bekommen habe. Wir saßen morgens in seinem Büro in der BayArena, er hat durch sein Fenster auf den Rasen unten gezeigt und gesagt: "Simon, das Allerwichtigste ist, dass wir am Samstag gewinnen – das erleichtert eine Menge."

Das hört sich im ersten Moment etwas banal an.

Absolut. Aber es trifft einfach zu. Wie heißt es im Englischen: "You can think five years ahead, as long as you win the next game." Erfolg hilft, um langfristig Strukturen zu entwickeln und zu verbessern. Kurzfristiger Erfolg steht immer an erster Stelle – das beeinflusst die Spieler, Mitarbeiter, das gesamte Arbeiten im Klub. Nur wenn du es schaffst, kurzfristig erfolgreich zu sein, kannst du einen Klub langfristig weiterentwickeln und Visionen umsetzen.

Wie war die Zusammenarbeit mit Völler auf menschlicher Ebene?

Zwischen uns besteht ein großes Vertrauensverhältnis. Er hat mir viel Vertrauen entgegengebracht – ich habe viele Freiheiten bekommen, konnte Dinge selbst gestalten. Er hat mich oft einfach machen und meine Erfahrungen sammeln lassen. Trotzdem hat er mir bei Fragen immer mit Rat zur Seite gestanden.

Das hört sich fast übermäßig harmonisch an.

Stimmt, das könnte man meinen (lacht). Aber im Ernst: Für mich war die Konstellation mit Rudi ideal. Es gab nie irgendwelche Eifersüchteleien. Rudi hat mir den Raum gegeben, Dinge zu gestalten, und sich selbst auch Stück für Stück aus Themen zurückgezogen. Viele Menschen in derartigen Positionen schaffen es nicht loszulassen. Für mich war diese Möglichkeit zu gestalten extrem wertvoll.

Dennoch hinterlässt er große Fußstapfen. Spüren Sie Druck als Völler-Nachfolger?

Natürlich. Dass die Verantwortung größer ist, ist klar – auch in der Außenwirkung. Intern ist das etwas anders. An sich mache ich meine Arbeit weiter so wie bisher. Denn auch zuletzt lagen Scouting, Nachwuchs usw. in meinem Verantwortungsbereich. Mit den Verpflichtungen von Tim Steidten (2019, heute Manager Sport, Anm. d. Red.) und Thomas Eichin (2020, Leiter Nachwuchs und Frauen, Anm. d. Red.) habe ich sehr wichtige Mitarbeiter hinzugewonnen. In der jetzigen alltäglichen Arbeit mit meinen Mitarbeitern hat sich gar nicht so viel geändert. Das haben wir über Jahre Stück für Stück vorbereitet.

Wie oft telefonieren Sie noch mit Völler?

Zuletzt nur einmal in seinem Urlaub. Aber natürlich werden wir uns auch künftig gelegentlich austauschen und über Fußball diskutieren.

Wollten Sie eigentlich schon als Kind Manager eines Fußballklubs werden? In den 1990er Jahren waren Fußballmanager-Computerspiele sehr verbreitet. Haben Sie die auch gezockt?

Natürlich (lacht). Und zwar "Bundesliga Manager Hattrick". Auf dem Amiga. Ich habe mit meinen Kumpels auch mal eine Nacht durchgespielt – aber dann reichte es mir auch wieder für ein halbes Jahr.

Haben Sie in der Zeit schon professioneller auf dem echten Rasen gespielt?

Nein, bis zu meinem 17. Lebensjahr habe ich noch bei meinem Heimatverein TuS Recke gespielt. Erst dann bin ich zu Werder Bremen gewechselt. Aber um noch mal auf die vorherige Frage zurückzukommen: Nein, als Kind wollte ich nie Bundesligamanager werden. Mein Berufsziel war Ingenieur – und zwar bis ich gemerkt habe, dass ich doch ganz gut kicken kann (lacht). Das war bei Werder. Da wurde aus meinem Traum, Bundesligaprofi zu werden, immer mehr ein Ziel – und der Ingenieur rückte in den Hintergrund. Aber ich hatte auf dem Gymnasium die Leistungskurse Mathe und Physik und fand bzw. finde es immer noch spannend, Dinge zu entwerfen, zu bauen, zu entwickeln.

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Wie kamen Sie dann zum Sportmanagement?

Damals gab es noch nicht so viele Sportmanagement-Studiengänge wie heute. Deshalb habe ich mich in meinen 20ern viel mit Unternehmen beschäftigt. Wirtschaft allgemein hat mich interessiert – Börse, Aktien, Finanzen usw. Außerdem habe ich Biografien von CEOs gelesen – beispielsweise von Coca-Cola-CEO Roberto Goizueta. In den 80ern hatte das Unternehmen einen schweren Stand. Es wurde mit New Coke eine neue Geschmacksvariante entwickelt, die bei Blindtests super abschnitt. Als sie dann auf dem Markt war, kam sie aber überhaupt nicht an. Die Leute wollten einfach ihre bekannte Coca-Cola. Goizueta stampfte die neue Variante schweren Herzens ein – und steigerte den Unternehmenswert am Ende um das 33-Fache. Beispiele wie diese fand ich immer interessant. Wirtschaft, Management und Unternehmertum haben mich schon als Spieler interessiert, und dann habe ich mich entsprechend weitergebildet.

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Haben sie ein Vorbild als Bundesligamanager?

Nein. Aber man kann sich gewisse Dinge abschauen. Uli Hoeneß hat den modernen Bundesligamanager erfunden. Er hat mich inspiriert. Da fällt mir spontan ein Beispiel aus meiner Jugend ein: Ich war Werder-, mein bester Kumpel Bayern-Fan. Uns beide interessierten Fanartikel unserer Klubs. Und während es bei Werder Anfang der 90er nur ein Faltblättchen gab, hatte Bayern schon einen richtig dicken Katalog. Dahinter steckte Hoeneß, der in puncto Merchandise in Deutschland Vorreiter war.

Noch mal zurück zu den Biografien: Gab es während Ihrer aktiven Zeit viele Kollegen, die ähnliche Bücher gelesen haben?

Nein, fast niemanden. Deshalb haben mich die Teamkollegen auch aufgezogen. Spaßig natürlich. Aber mir war das egal. Ich habe als Kapitän immer darauf geachtet, in der Kabine ein Klima zu haben, in dem jeder seinen Interessen nachgehen kann. Und dass es keinen Herdentrieb gibt, dem sich alle unterordnen – ob bei Autos, Klamotten oder Sonstigem. Für mich macht eine gute Fußballmannschaft vor allem aus, dass jeder seine jeweiligen Stärken einbringt, um damit auch die Schwächen des anderen auszugleichen. Entscheidend dafür ist Toleranz, denn jeder Spieler hat auch Schwächen. Die Jungs haben alle einen unterschiedlichen Background, unterschiedliche Interessen, und die sollten sie nicht verstecken, sondern authentisch leben. Mit Vertrauen in einer Gruppe. Nur so kann man großen Erfolg haben.

Bayer hat in der Branche für Aufsehen gesorgt. Top-Torjäger Patrik Schick und Supertalent Florian Wirtz haben ihre Verträge bis 2027 verlängert. Dazu haben Sie mit Adam Hlozek von Sparta Prag einen der am stärksten umworbenen Youngster Europas geholt, ebenfalls mit Vertrag bis 2027. Wie haben Sie das gemacht?

Das Allerwichtigste ist eine sportliche Perspektive – und die sehen die Jungs hier für sich selbst und den Verein. Alle drei merken, dass in Leverkusen etwas entsteht. Das ist die Basis von allem. Dazu kommt ein großes Vertrauensverhältnis, das einfach vorhanden sein muss, wenn sich Spieler so lange an einen Verein binden. So etwas entsteht nicht von einem Moment auf den anderen, sondern ist Ergebnis eines Prozesses.

Bei Patrik hat es bei der AS Rom nicht so gut geklappt, auch danach in Leipzig ist nicht alles optimal gelaufen. Dennoch haben wir zum damaligen Zeitpunkt viel Geld in die Hand genommen (26,5 Millionen Euro, Anm. d. Red.), um ihn zu verpflichten, und wir waren immer davon überzeugt, dass er das Potenzial, welches er in der letzten Saison gezeigt hat, auch ausschöpft.

Bayer hatte in den vergangenen Jahrzehnten immer herausragende Spieler, die den Verein aber meistens als Karrieresprungbrett genutzt haben. Sind diese langfristigen Verträge ein Zeichen an die Konkurrenz, dass Leverkusen Leistungsträger nicht mehr ohne weiteres abgibt?

Natürlich ist das ein Signal – vor allem auch nach innen. Patrik ist einer der gefragtesten Torjäger Europas. Seine Verlängerung ist an die Mannschaft ein starkes Zeichen, wo es langfristig hingehen soll. Und dass die logische Folge eben nicht ist, dass unsere Leistungsträger nach einer herausragenden Saison weg sind. Wir wollen die Spieler länger zusammenhalten. Das schließt nicht aus, dass immer mal wieder einer geht, aber das eindeutige Ziel ist, die Mannschaft länger zusammenzuhalten. Und wenn dann doch mal einer geht, wollen wir das nutzen, wie nach dem Abgang von Kai Havertz, um neue, interessante Spieler zu verpflichten. Wir wollen hier etwas entwickeln.

Ist Bayer besser als in der vergangenen Saison?

Wir haben auf jeden Fall die Chance dazu. Man muss sich jedes Jahr verbessern, um in dieser Liga zu bestehen. Und ich bin davon überzeugt, dass wir viel Entwicklungspotenzial innerhalb der Mannschaft haben. Deshalb haben wir personell nicht wahnsinnig viel gemacht. Nach hoher Fluktuation zuletzt schauen wir darauf, dass sich die Spieler kennen, eingespielt sind – und so an Stabilität und Stärke gewinnen. Ich glaube grundsätzlich nicht, dass man nur über Transfers besser wird. Wichtiger ist ein Kader mit Potenzial. Und den haben wir, davon bin ich überzeugt.

Die Sommerpause war extrem kurz, und aufgrund der WM erwartet die im Europapokal vertretenen Klubs eine besonders harte Spielzeit. Ist Bayern in so einer Saison verwundbarer als sonst?

Das ist schwer zu sagen. Was klar ist: Für die WM-Fahrer wird es ein hammerhartes Jahr. Für die anderen wird es eine intensive Zeit mit zehn englischen Wochen in der Hinrunde. Insgesamt trifft es sie aber nicht so. Probleme werden vor allem Nationalspieler bekommen, die lange im Turnier bleiben. Zudem gibt es keine Vorbereitung vor der WM. Man kommt aus einem harten Spielplan zum Turnier in Katar und kurz nach Weihnachten geht es schon wieder weiter. So ein Spielplan ist für die Nationalspieler ein Wahnsinn. Unter sportlichen Gesichtspunkten ist das eine Katastrophe.

Wünscht man sich als sportlicher Verantwortlicher insgeheim, dass der eine oder andere Bayer-Spieler nicht zur WM fährt?

Nein, überhaupt nicht. Als Spieler habe ich eine WM aufgrund eines Knorpelschadens verpasst. Ich weiß also, wie bitter so etwas ist. Natürlich ist es das Ziel, dass unsere Spieler erfolgreich sind und Leverkusen international erfolgreich vertreten. Wenn im WM-Finale zwei oder drei unserer Jungs dabei sein würden, wäre ich sehr stolz.

Verwendete Quellen
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