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FC Bayern – Stefan Effenberg: "Ich sehe sogar noch mehr Konfliktpotenzial"


Meinung
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Explosionsgefahr beim Meister
"Für diese sechs Spieler braucht der FC Bayern Alternativen"

MeinungEine Kolumne von Stefan Effenberg

Aktualisiert am 05.10.2018Lesedauer: 6 Min.
t-online.de-Kolumnist Stefan Effenberg. Im Hintergrund: Die Allianz Arena in München. Der FC Bayern ist einer der Schwerpunkte des Ex-Nationalspielers. 2001 führte er den Verein als Kapitän zum Sieg in der Champions League.Vergrößern des Bildes
t-online.de-Kolumnist Stefan Effenberg. Im Hintergrund: Die Allianz Arena in München. Der FC Bayern ist einer der Schwerpunkte des Ex-Nationalspielers. 2001 führte er den Verein als Kapitän zum Sieg in der Champions League. (Quelle: imago-images-bilder)

Drei Spiele ohne Sieg: Warum beim Rekordmeister Explosionsgefahr herrscht und im Sommer womöglich ein "sehr großer Umbruch" her muss.

In Deutschland scheinen es gerade alle herrlich zu finden, dass der FC Bayern drei Spiele hintereinander nicht gewonnen hat und in der Bundesliga hinter Dortmund liegt. Es sieht wieder etwas spannender aus. Ich habe aber schlechte Nachrichten. Denn ich bleibe bei dem, was ich auch in den vergangenen Wochen und Monaten gesagt habe: Am Ende der Saison wird die Spannung wieder weg sein. Ich möchte daran erinnern, dass es eine Tabellenkonstellation wie aktuell schon vor einem Jahr gab – und der Rückstand von Dortmund am Ende der Spielzeit 29 Punkte betrug. Ich sehe bei Dortmund diese Saison nicht die Gefahr, dass sie einbrechen. Aber damit ein anderer Verein Meister wird, dafür müsste es bei Bayern schon völlig drunter und drüber gehen – und das glaube ich am Ende nicht.

Trotzdem: Die Situation bei Bayern ist sehr angespannt – und birgt eine große Explosionsgefahr. Das hat seine Gründe.

Was mir Sorgen macht, ist die Art und Weise, wie der FC Bayern derzeit auftritt. Wenn er über die Außen kein Tempo reinbekommt, dann ist das zu statisch, durchschaubar und dünn. Dann ist es einfach, gegen die Bayern zu verteidigen, weil die zweite und dritte Idee nicht da ist oder nicht zündet.

Das größte Problem ist aus meiner Sicht, dass Robben und Ribéry immer wieder ausgewechselt werden. Das könnte in naher Zukunft für Ärger sorgen. Wenn dahinter je ein Spieler auf Augenhöhe wäre, dem die Zukunft gehören würde, dann wären die Auswechslungen verständlich. Aber das ist nicht gegeben. Gnabry ist noch nicht da, wo er sich vielleicht auch selbst sieht. Und Coman ist lange verletzt.

Da ist aktuell keiner, der für Robben oder Ribéry reinkommt und wirklich Schwung bringt. Wenn dann in der 60. Minute die Tafel mit der Nummer sieben oder zehn leuchtet, ist das schwer nachzuvollziehen. Wir reden hier nicht von Spielern, die man heranführt, sondern von absoluten Topspielern auf der Zielgeraden ihrer Karrieren.

Ich würde Robben und Ribéry deshalb immer spielen lassen – sofern sie fit sind. Und wenn sie von Beginn an spielen, gehe ich davon aus, dass sie zu hundert Prozent fit sind. Ich würde Ihnen sagen: „Passt mal auf: Ihr hebt den Arm, wenn es eng wird – bis dahin spielt ihr.“ Man muss ihnen dann einfach vertrauen.


Was, wenn das über die Außen nicht funktioniert? Man braucht schon einen Plan B – und der sollte mit Kreativität zu tun haben. Einer, der die versprüht, sitzt auf der Bank: James. Der hat das Auge und kann tödliche Pässe spielen. Ich finde deshalb: Der FC Bayern beraubt sich gerade selbst seiner stärksten Waffen. Mit den Auswechslungen von Robben und Ribéry – und mit der Nichtberücksichtigung von James.

Wenn dann noch Lewandowski nicht wirklich trifft, dann wird es schwierig.

Ich habe in meiner letzten Kolumne geschrieben, dass Niko Kovac die Rotation einstellen muss – mindestens bis zur Länderspielpause. Jetzt sage ich: Kovac sollte auch nach der Länderspielpause nicht mehr rotieren. Das kann man alles machen, wenn man zehn bis 15 Punkte Vorsprung hat. Aber nicht jetzt.

Schon heißt es, dass einige Spieler unzufrieden seien, weil sie nicht spielen – ich mache mir in der Hinsicht keine Sorgen um Gnabry oder Goretzka, sondern vielmehr um Ribéry, Robben oder James. Ein Gnabry oder Goretzka weiß, dass er da erstmal reinkommen muss. Aber für die älteren ist es unverständlich.

Ich sehe sogar noch mehr Konfliktpotenzial. Nehmen wir Kimmich dazu. Der ist in der Nationalmannschaft ins defensive Mittelfeldzentrum gerückt. Auf die Position, von der er kommt. Bei Bayern muss er wieder hinten rechts ran. Ich glaube, dass das auch ein Spieler sein wird, bei dem in naher Zukunft eine gewisse Unzufriedenheit aufkommen könnte.

Wenn alles an die Oberfläche kommt, was da möglicherweise gerade brodelt, dann gibt es einige Brände zu Löschen bei Bayern.


Wie geht Niko Kovac damit um? Er hat nach dem 1:1 gegen Ajax Amsterdam gesagt, dass er erstmal etwas Zeit braucht, um das zu verarbeiten – dafür wurde er gleich kritisiert oder in Medien mit drei Fragezeichen über dem Kopf dargestellt. Das ist unfair. Man sollte nicht alles negativ sehen, denn die Bayern haben uns begeistert zu Saisonbeginn. Aber natürlich ist er in der Verantwortung, etwas zu tun.

Das ist ein schmaler Grat für einen Trainer – und insbesondere für einen jungen Trainer, auch wenn er schon eine gewisse Erfahrung hat. In unserer Gesellschaft ist es nun mal so, dass man erst in einem bestimmten Alter einen gewissen Respekt entgegengebracht bekommt.

Niko Kovac hat jetzt dreimal nicht gewonnen – bei einem Jupp Heynckes würde man da nie drüber reden – also zumindest nicht über die Person Heynckes. Es ist eine sehr schwierige Situation für Niko Kovac, aber auch eine sehr lehrreiche. Ich bin überzeugt, dass er da rauskommt, wenn er jetzt die richtigen Entscheidungen trifft.

Und dann ist die Frage, wie die Spieler reagieren. Ich wäre an ihrer Stelle jetzt angefressen. Ich würde mir sagen: „Das ist nicht bayernwürdig, da müssen wir mehr Gas geben.“ Diese Phasen sind beim FC Bayern eigentlich sogar der allergrößte Reiz. Wenn du 15 Punkte Vorsprung hast und ein Spiel verlierst, ist das nicht so wild. Viel spannender ist es, wenn du in einer Situation wie der jetzigen angeschossen wirst von den Medien. Darauf zu reagieren, das ist das Schönste. Das zeigt auch den Charakter. Für Niko Kovac heißt das: Jetzt sieht er, auf wen er sich verlassen kann.

Diese Saison werden sie hinbekommen, ich sehe aber noch ein weiteres Problem bei Bayern, wenn man mittelfristig nach vorne schaut. Neben Robben und Ribéry gibt es mit Lewandowski, Boateng, Hummels und Neuer einige Personalien, über die sie sich Gedanken machen müssen. Diese Spieler waren die Säulen in den letzten Jahren – allerdings auch ohne den großen Triumph in der Champions League in den letzten fünf Jahren. Die Leistungskurve geht jetzt eher leicht nach unten statt nach oben. Die werden in den nächsten ein, zwei Jahren nicht mehr diese absolute Top-Leistung bringen, weshalb sich Bayern vielleicht schon im Laufe dieser Saison nach Alternativen umschauen muss.

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Aber was dann? Sie haben sich zuletzt verstärkt mit Gnabry, Goretzka oder Süle. Die Frage muss erlaubt sein, ob das für Bayern München reicht. Da zweifle ich Stand heute dran. Das sind alles wunderbare junge Spieler mit Potenzial – aber wenn die jetzt in den Fokus rücken in den nächsten ein, zwei Jahren, dann weiß ich nicht, ob sie das schaffen.

Und deshalb sollten die Verantwortlichen im Kopf haben: Das kann und muss ein sehr großer Umbruch werden. Sonst haben in den nächsten Jahren einige Mannschaften in der Bundesliga die Chance, Deutscher Meister zu werden. Dann wird das nicht mehr reichen, um so dominant zu sein wie zuletzt.


Zumal ich ohnehin überzeugt davon bin, dass Borussia Dortmund in den nächsten Jahren wieder näher an den FC Bayern heranrücken wird. Sie spielen erfrischenden Fußball und haben eine gewisse Euphorie. Noch wichtiger ist für mich allerdings, dass sie in der Führungsetage hervorragend aufgestellt sind. Das ist die höchste Fachkompetenz, die es in der Bundesliga in einem Verein abseits von Bayern gibt. Der größte Erfolg im Sommer war, Kehl und Sammer mit ins Boot zu nehmen. Wenn die am Tisch sitzen und einem jungen Spieler etwas erzählen, dann hört der ganz sicher zu. Als junger Spieler ist man da begeistert, das ist doch klar, dass man da den Vertrag unterschreibt. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass da in Zukunft noch viel mehr Toptalente nach Dortmund kommen.

Um Spannung in der Liga zu erhalten, muss Dortmund jetzt weiter gewinnen. Dass Borussia Mönchengladbach gegen Bayern gewinnt, kann ich mir in dieser Situation nicht vorstellen.

Transparenzhinweis
  • Stefan Effenberg ist Botschafter des FC Bayern München und sagt dazu: „Ich repräsentiere den FC Bayern, insbesondere im Ausland. Mein Engagement hat keinen Einfluss auf meine Kolumnen bei t-online. Hier setze ich mich weiterhin kritisch und unabhängig mit dem Fußball auseinander — auch und insbesondere mit dem FC Bayern.“
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