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Fußball-EM 2021: Finnland erinnert Joel Pohjanpalo "an Union Berlin"


Bundesliga-Profi Pohjanpalo vor EM-Debüt
"Finnland erinnert mich an Union Berlin"

  • Dominik Sliskovic
InterviewVon Dominik Sliskovic

Aktualisiert am 12.06.2021Lesedauer: 6 Min.
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Joel Pohjanpalo: Der Bundesliga-Stürmer traut Finnland bei der EM eine Sensation zu.Vergrößern des Bildes
Joel Pohjanpalo: Der Bundesliga-Stürmer traut Finnland bei der EM eine Sensation zu. (Quelle: Lehtikuva/imago-images-bilder)

Finnland steht vor seinem allerersten EM-Spiel. Zuvor sprach Bundesliga-Stürmer Joel Pohjanpalo mit t-online über die Erwartungen an das Turnier und was ihm Hoffnung auf eine Sensation macht.

Sie sind einer der Außenseiter bei dieser Fußball-Europameisterschaft: Finnland. Das Team aus dem hohen Norden hat sich erstmals für ein Großturnier qualifiziert. In Gruppe B trifft das Team um Stürmerstar Teemu Pukki auf Geheimfavorit Belgien, Ex-Europameister Dänemark und WM-Viertelfinalist Russland.

Angst und Bange ist Joel Pohjanpalo dennoch nicht. Der Angreifer von Bayer Leverkusen, der in der vergangenen Saison an Union Berlin ausgeliehen war, zählt zu den 26 Spielern, die am Samstagnachmittag gegen Dänemark (ab 18 Uhr im Liveticker bei t-online) finnische Fußballgeschichte schreiben werden. Zuvor sprach der Torjäger im Interview mit t-online über die Erwartungshaltung in seinem Heimatland und erklärte, warum ihn das Nationalteam an Union Berlin erinnert.

t-online: Herr Pohjanpalo, würden Sie dieses Team als Finnlands Goldene Generation bezeichnen?

Joel Pohjanpalo (26): Das ist eine lustige Frage, denn in Finnland heißt es eigentlich, dass die Generation vor uns die Goldene Generation gewesen sei: Jari Litmanen, der Dritter bei der Ballon-d’Or-Wahl wurde, Sami Hyypiä, der mit dem FC Liverpool die Champions League gewann, Mikael Forssell, der für den FC Chelsea und Borussia Mönchengladbach spielte. Sie gelten als die größten Fußballer, die Finnland je hatte – auch wenn sie als Nationalspieler unvollendet blieben. Solche Spieler, die in den europäischen Topligen für Furore sorgen, haben wir heute nicht, aber dafür funktionieren wir als Mannschaft hervorragend. Deshalb sollen sich die Menschen in zehn, 20 Jahren auch lieber an uns als Mannschaft, die sich erstmals für eine EM qualifiziert hat, erinnern, als an einzelne Spieler.

Was bedeutet dieser Erfolg den Fans im Land und für die Sportart in Finnland grundsätzlich?

Finnland hat sich im 33. Anlauf endlich für ein Großturnier qualifiziert. Ich denke, das sagt alles darüber aus, wie wichtig diese EM der ganzen finnischen Fußballfamilie ist. Es war immer der große Wunsch aller Fans und Spieler, dieses Ziel eines Tages zu erreichen. Und nun ist es uns gelungen. Unsere Freude ist nicht in Worte zu fassen. Der einzige Wermutstropfen ist, dass wir das Abenteuer EM aufgrund der Corona-Pandemie nur mit sehr wenigen Fans bestreiten werden können.

Finnland ist bislang vor allem in vielen Wintersportarten eine internationale Größe. Wieso wird man dann dennoch Fußballer?

(lacht) Eins muss ich direkt klarstellen: Auch in Finnland ist Fußball die Sportart Nummer eins, sowohl was die Anzahl der Vereine als auch der Sportler, die ihn ausüben, angeht. Natürlich stand er lange Zeit im Schatten des Eishockeys, weil die finnischen Vereine und die Nationalmannschaft internationale Erfolge feierten und so auch mehr Geld als im Vergleich zum Fußball in Finnland im Umlauf war. Das hat man insbesondere im Kinder- und Jugendbereich gemerkt, wo die Qualität der Trainer und der Infrastruktur weit entfernt war von der, die wir etwa aus Deutschland kennen. Man darf aber auch nicht vergessen, dass Finnland ein kleines Land mit nur fünf Millionen Einwohnern ist. Dafür, finde ich, hat es in den vergangenen Jahren bemerkenswerte Fortschritte in der Fußballentwicklung gegeben. Schaut man sich etwa unseren EM-Kader an, ist nur ein Spieler in der ersten finnischen Liga aktiv (Innenverteidiger Daniel O'Shaughnessy, Anm. d. Red.). Auch das spricht für die wachsende Qualität finnischer Fußballer.

Wie sehen die Erwartungen an die EM aus?

Unser Ziel ist, die Gruppenphase zu überstehen. Wir fahren nicht zur EM, um die gegnerischen Spieler kennenzulernen, sondern um zu gewinnen. Vor uns liegen drei Spiele, in denen wir unser Bestes geben wollen. Wenn uns das gelingt, glaube ich zu 100 Prozent daran, dass wir auch das Achtelfinale erreichen können. Uns kommt natürlich etwas der Turniermodus entgegen, da nicht nur die zwei Gruppenbesten, sondern auch die vier besten Gruppendritten in die K.o.-Runde einziehen. Auch wenn wir auf dem Papier wie eine Truppe schwacher Einzelspieler aussehen, spielen wir als Mannschaft guten, geschlossenen Fußball. Deshalb vergleiche ich uns gerne mit Island, die bei der EM 2016 bis ins Viertelfinale eingezogen sind. Warum sollte uns so etwas dieses Jahr nicht auch gelingen?

Finnland hat mit Leverkusens Stammtorwart Lukas Hradecky, Glen Kamara vom schottischen Meister Glasgow Rangers und dem Ex-Schalker Teemu Pukki drei gestandene Profis von internationalem Format, zudem in Ihrem Sturmpartner Marcus Forss vom englischen Erstligaaufsteiger FC Brentford einen der potenziell spannendsten Newcomer des Turniers, im Kader. Dennoch gilt das Team als absoluter Außenseiter. Können Sie erklären, warum Finnland so unterschätzt wird?

Bei uns gibt es nicht den einen Spieler, der den entscheidenden Einfluss auf das Spiel nimmt und deswegen nach außen als Gesicht der Mannschaft wahrgenommen wird. Wir entscheiden alles gemeinsam als Gruppe, sowohl auf als auch neben dem Platz. Es ist unser Selbstverständnis, dass wir alle gleichwertig sind und jeder für den Erfolg des Teams arbeiten muss. Unser Zusammenhalt und die daraus resultierende Spielphilosophie erinnert mich an die Union Berlins: Auch Union traute vor der Saison niemand zu, um die Europapokalplätze mitzuspielen, die Gegner waren oftmals fußballerisch unterlegen, aber wir haben uns gegenseitig als Teamkollegen vertraut und daran geglaubt, dass wir mit harter Arbeit nach oben kommen können.

Was können Sie noch von Ihren Teamkollegen, wie etwa Teemu Pukki, lernen während der Zeit bei der Nationalmannschaft?

Teemu ist einer der besten Stürmer der Welt, wenn es darum geht, hinter die gegnerische Kette zu kommen. Deswegen ergänzt sich unser Spiel auch so gut. Ich bin eher der große Strafraumstürmer, der mit hohen Bällen angespielt wird, diese dann festmacht, und mit einem Kontakt durch die Kette Teemu in Szene setzt, der aus solchen Situationen schon viele Tore erzielt hat. Auch wenn sie über dieses Zusammenspiel Bescheid wissen, ist es für viele Gegner dennoch sehr schwer zu verteidigen.

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Finnland trägt sein erstes Gruppenspiel in Kopenhagen aus, in Dänemark liegt die Inzidenz aktuell bei um die 100 (Stand: 8. Juni, Anm. d. Red.). Inwiefern plagen Sie auch Ängste um Ihre Gesundheit vor Turnierbeginn?

Wir befinden uns als gesamtes Team in Hotel-Quarantäne, wie ich es auch schon von den letzten zwei Bundesliga-Spieltagen kenne. Wir empfangen keinen Besuch, werden regelmäßig getestet und mussten zum Glück bis heute keinen einzigen positiven Corona-Fall in unserer Nationalmannschaft verzeichnen. Das beweist mir, dass unser Konzept funktioniert. Die Situation in Dänemark ist mir bewusst, aber ich mache mir in erster Linie nicht um meine, sondern um die Gesundheit der Fans Sorgen.

Was für ein Spiel erwarten Sie gegen Dänemark?

Ich muss natürlich eingestehen, dass Dänemark die individuell größere Qualität im Kader hat: Yussuf Poulsen, Christian Eriksen, Thomas Delaney – das sind alles Spieler, die mit einer Situation das Spiel verändern können. Das darf uns aber nicht einschüchtern. Wir wissen genau, wie wir gegen spielstarke Gegner wie Dänemark spielen müssen, um ihnen wehzutun. Unsere wichtigste Aufgabe ist, konzentriert zu bleiben. Wenn uns das gelingt, haben wir die Qualität in der Mannschaft, unsere Konter zu fahren und Standards zu ziehen, und so auch das ein oder andere Tor zu erzielen. Wenn uns das gelingt, fahren wir auch gegen Dänemark drei Punkte ein.

Wie wichtig ist die EM ganz persönlich für Ihre Karriere? Sie wurden zuletzt zwei Mal von Bayer Leverkusen verliehen, werden trotz einer guten Saison in Berlin voraussichtlich nicht bei Union bleiben. Wollen Sie diese Bühne auch nutzen, um sich für neue Vereine interessant zu machen oder Argumente für eine neue Chance in Leverkusen zu sammeln?

In den Gesprächen mit Union-Manager Oliver Ruhnert am Ende der Saison wurde mir ganz klar gesagt, dass das Ziehen der Kaufoption für den Verein zu teuer ist. Das liegt auch an der Corona-Pandemie, da die Kaufoption ausgehandelt wurde, als man noch davon ausging, dass im Laufe der Saison wieder Zuschauer in die Stadien zugelassen werden. Eine Rückkehr zu Union ist dennoch nicht komplett ausgeschlossen. Zunächst möchte ich mich jedoch voll auf die EM konzentrieren, auch wenn mir natürlich klar ist, dass das Turnier eine große Bühne für mich ist, um mich für weitere Vereine oder noch einmal für Leverkusen anzubieten. Ein Paar Tore würden dabei sicher weiterhelfen (schmunzelt). Mein Vertrag bei Bayer 04 läuft noch ein Jahr und die Verabredung ist, dass ich nach der EM erst einmal wieder ganz normal zur Mannschaft stoße und wir dann ganz entspannt Gespräche führen und schauen, was für beide Seiten die beste Lösung ist.

Verwendete Quellen
  • Videogespräch mit Joel Pohjanpalo (10. Juni 2021)
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