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Erfolgstrainer Timo Rost | Die fränkische Antwort auf Sir Alex Ferguson


Erfolgstrainer Timo Rost
Die fränkische Antwort auf Sir Alex Ferguson

  • Dominik Sliskovic
Von Dominik Sliskovic

Aktualisiert am 22.07.2022Lesedauer: 5 Min.
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Timo Rost: Der Rekordspieler von Energie Cottbus startet als Cheftrainer durch.Vergrößern des Bildes
Timo Rost: Der Rekordspieler von Energie Cottbus startet als Cheftrainer durch. (Quelle: Foto2Press/imago-images-bilder)

Timo Rost hat einen Provinzklub in den Profifußball geführt – und damit die Fußballszene aufgerüttelt. Wegbegleiter vergleichen ihn bereits mit Granden des Sports.

An diesem bemerkenswert warmen Samstag Mitte Mai deutet am Hauptbahnhof Bayreuth wirklich kaum etwas darauf hin, dass sich in wenigen Stunden im nahen Hans-Walter-Wild-Stadion historische Szenen abspielen werden. Zwei einsame, wohl vor der Pensionierung stehende Polizisten schieben ihren Dienst, weisen den wenigen Zugereisten den Weg zur Spielstätte am Ufer des Roten Mains. Dort füllen sich die Ränge erst spät und spärlich. Knapp über 4.000 Zuschauer finden sich im altehrwürdigen Rund ein, wo das Bier direkt auf der Tribüne frisch und kalt aus dem Kasten heraus verkauft wird.

Timo Rost hat sich ein anderes Ende für diese Saison gewünscht. "Auf der Couch Meister werden, ist doch Mist. Ich wollte den Aufstieg aus eigener Kraft, mit unseren Fans im Stadion besiegeln", murrt er. Doch die Unzufriedenheit verfliegt schnell – wohl auch, weil er sich seiner eigenen Worte bewusst wird: dank eines Patzers des Verfolgers FC Bayern II ist seine SpVgg Bayreuth schon am vorletzten Spieltag und nach 32 langen Jahren zurück im Profifußball. Als Meister der Regionalliga Bayern. Mit einer bisher unerreichten Punkteausbeute von 93 Zählern.

Rost, Rekordspieler des früheren Bundesligisten Energie Cottbus und vor 43 Jahren keine Autostunde von Bayreuth entfernt in Mittelfranken auf die Welt gekommen, ist Drehbuchautor, Regisseur und Produzent dieser Erfolgsgeschichte. Er formte ein Team, das die Saison 2017/2018 noch mit einer Tordifferenz von -26 abschloss, zu einer Offensivdampfwalze mit 103 Toren und einer schwindelerregenden Tordifferenz von +64 um.

"Mein oberstes Ziel war es, einen klaren Spielstil zu implementieren, der der Mannschaft schnell die Sicherheit vermittelt, so Partien gewinnen zu können. An diesem Stil habe ich mit dem Team über drei Jahre gefeilt. Das Ergebnis ist diese Aufstiegssaison", erklärt Rost im Gespräch mit t-online seinen Weg zum Erfolg.

Das wissen auch die SpVgg-Anhänger zu schätzen. Nach Abpfiff des letzten Heimspiels gegen Viktoria Aschaffenburg (2:1) stürmen sie den Innenraum des Stadions. Dabei sind nicht Torjäger Markus Ziereis, nicht Flankengott Tim Danhof Ziel der Fanbegierde. Es ist Rost, dem die erste Bierdusche gewidmet ist, den die Fans umarmen, besingen, am liebsten gar nicht loslassen wollen. Vielleicht weil sie da schon tief in ihrem Inneren wissen, dass dies ihr letzter gemeinsamer Tanz sein wird.

Rost verlässt Bayreuth in Richtung Erzgebirge

Bereits seit Wochen kursieren Gerüchte, wonach Rost zu Zweitligaabsteiger Aue wechseln werde. Der Umworbene zeigt sich eingangs überrascht von den Meldungen, dementiert eine Einigung. Nur wenige Wochen nach der Aufstiegsparty im Hans-Walter-Wild-Stadion wird es dann doch Realität: Rost wird als neuer Erzgebirge-Cheftrainer vorgestellt. Zudem hatte bereits zuvor sein enger Vertrauter, Sportdirektor Marcel Rozgonyi, der SpVgg mitgeteilt, die Zusammenarbeit beenden zu wollen. Katerstimmung in Bayreuth.

Die SpVgg steht im Sommer 2022 trotz des Aufstiegs in die 3. Liga vor einem großen Nichts. Denn mit Rost verliert der Verein nicht nur einen begnadeten und charismatischen Trainer, sondern auch seinen Revolutionär. Die Wandlung des krisen- und intrigengebeutelten Provinzklubs zu einer der spannendsten Adressen im deutschen Fußball ist sein Werk. Oder wie es Rost selbst sagt: "Als ich 2018 in Bayreuth übernommen habe, war der Verein mausetot. Die SpVgg hatte sich zwei Mal in Folge mit Ach und Krach in der Relegation vorm Abstieg in die Oberliga gerettet. Wäre das eingetroffen, hätte man hier wahrscheinlich die Tore zusperren können."

All das lässt Parallelen zu Rosts altem Arbeitgeber aus Cottbus zu. Bei Energie war die Ausgangslage um die Jahrtausendwende ähnlich bescheiden wie in Bayreuth. Und doch schafften die Lausitzer mit Fleiß, Ehrgeiz und der unermüdlichen Arbeit von Trainerikone Eduard "Ede" Geyer den Sprung in die Bundesliga. "Diese Mentalität des gallischen Dorfs, die Geyer vermittelt und mich als Spieler in Cottbus angespornt hat, habe ich mir für meine Trainertätigkeit erhalten", sagt Rost heute.

Weitere Anleihen Geyers will Rost bei sich jedoch nicht erkennen – dafür jedoch Tomislav Piplica.

"Timo ist wie Ede ein Disziplinfanatiker. Er weiß, dass Disziplin das A und O im professionellen Fußball ist – ohne sie sind keine Erfolge und Titel möglich", erklärt Energies Kulttorhüter, der unter Rost in Bayreuth als Talentkoordinator tätig war. "Zudem gibt sich Timo nie mit dem Erreichten zufrieden. Er setzt immer neue Ziele und motiviert seine Mannschaft, diese auch erreichen zu wollen."

Bayreuther Sportdirektor vergleicht Rost bereits mit einem der Größten

Für Rozgonyi greift all das zu kurz. Der 46-Jährige langt mit seinem Lob an Rost gleich mehrere Regale höher zu: "Timo hat dem gesamten Klub enorm seinen Stempel aufgedrückt. Das lässt in dieser Form und Immensität wohl am ehesten Parallelen mit Sir Alex Ferguson bei Manchester United zu."

Eine außerordentlich steile These, wenn man bedenkt, dass man am Ende des Tages doch nur von einem Drittligaaufstieg und nicht vom Gewinn eines historischen Titeltriples spricht. Rozgonyi lässt jedoch keinen Widerspruch zu, betont: "Ein anderer Vergleich würde Bayreuths Transformation unter Timo gar nicht gerecht werden."

Dass Rozgonyi überhaupt solche Hymnen anstimmen kann, hat wiederum nur eine Person ermöglicht: Timo Rost.

"Meine Verpflichtung hätte es ohne Timo nicht gegeben. Er hat erkannt, dass der Verein großes Potenzial hat, die personellen Zustände sich aber ändern müssen. Und wenn man einen solchen Umbruch einleiten möchte, ist es nun auch nicht gerade abwegig, auf Menschen zurückzugreifen, die man seit 20 Jahren kennt und denen man vertraut", erzählt der 46-Jährige.

Rozgonyis Ausführungen unterstreichen zweierlei: Erstens, wie viel Macht und Einfluss sich Rost in der Rolle des Cheftrainers bei der am Boden liegenden SpVgg sicherte; zweitens, wie wichtig ihm loyale Beziehungen sind. Denn sowohl mit Piplica als auch Rozgonyi teilt Rost nicht nur die Fußballerkarrierestation Cottbus, sondern eine über nunmehr drei Jahrzehnte spannende Freundschaft. Bayreuths Aufstieg ist also auch eine Energie-Leistung.

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Piplica lobt Rosts Teamfähigkeit

"Wir wissen durch unser Vertrauensverhältnis, wie wir gemeinsam funktionieren", sagt Rozgonyi über seine Zusammenarbeit mit Rost. "Natürlich lagen wir uns in den vergangenen drei Jahren auch mal in den Haaren. Aber wenn man sich seit 20 Jahren kennt und einen eine tiefe Freundschaft verbindet, dann kann man solche Situationen wesentlich besser einschätzen. Uns ist bei hitzigen Diskussionen immer bewusst, dass es uns um die Sache und nicht um persönliche Dinge geht", erklärt er weiter.

Dass Rost dabei keineswegs der Typ Macho-Boss ist, bestätigt Piplica. "Ich schätze an Timo besonders seine gute Selbsteinschätzung. Er scheut sich nicht Fragen zu stellen und andere Meinungen einzuholen", so der 53-Jährige. "Das rechne ich ihm als große Stärke an."

Auch um sich weiterhin auf schnellstmöglichen Weg die Meinung seines alten Freundes einholen zu können, lotste Rost Piplica als Torwarttrainer nun auch mit nach Aue. Rozgonyi könnte Medienberichten zufolge zeitnah die Stelle des Sportdirektors im Erzgebirge besetzen. Zudem folgten mit Danhof und Ivan Knezevic zwei Bayreuther Leistungsträger dem Ruf ihres Trainers.

Es scheint ganz so, als vertraue man Rost in Sachsen ebenso wie in Franken die gesamtheitliche Steuerung des sportlichen Bereichs an. Ein konsequenter Umgang mit der fränkischen Antwort auf Sir Alex Ferguson.

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