Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.Cristiano Ronaldo Bei ihm liegen auch die Experten falsch
Lange tut sich Cristiano Ronaldo gegen Deutschland schwer. Es sieht so aus, als fehle ihm inzwischen die Qualität. Doch dann steht er goldrichtig.
Aus München berichtet Benjamin Zurmühl
Ein Flitzer versuchte bereits rund 30 Minuten vor dem Anpfiff sein Glück. Er sprintete beim Aufwärmen auf den vom Gewitter durchnässten Rasen der Allianz Arena, zückte auf dem halben Weg sein Smartphone und wich einem portugiesischen Assistenztrainer aus. Doch sein Ziel Cristiano Ronaldo erreichte er nicht. Auf seinem Smartphone sollte sich an diesem Mittwochabend kein Selfie mit "CR7" finden.
Grund zur Freude sollte es für den Flitzer und Ronaldo-Fan dennoch geben. Denn der Weltstar schoss das Siegtor Portugals in diesem Nations-League-Halbfinale. In der 68. Minute schob er den Ball nach Vorlage von Nuno Mendes über die Linie des deutschen Tores. Dabei sah es lange nicht danach aus, als würde Cristiano Ronaldo an diesem Abend in München ein Tor schießen.
In der 7. Minute war sein Abschluss mit dem schwächeren linken Fuß keine große Herausforderung für Marc-André ter Stegen im deutschen Tor. Nach einer Viertelstunde war dem inzwischen 40 Jahre alten Torjäger dann sein Alter anzumerken. Zählte das Tempo noch zu seinen größten Stärken, verlor Ronaldo ein paar wichtige Meter auf die deutschen Innenverteidiger nach einem schönen Steilpass von Teamkollege Joao Neves. Ihm blieb nur ein Abschluss aus spitzem Winkel übrig, der ungefährlich blieb.
Auch kurz nach Wiederanpfiff fehlte ihm das Tempo jüngerer Tage. Eine scharfe Hereingabe von Pedro Neto verpasste er nur um Zentimeter (47.). Und bei einem Kopfballversuch sprang er nicht hoch genug, um den Ball zu drücken (60.). Viele Abschlüsse, wenig Ertrag. Bis zur 68. Minute, in der er dann doch zustach. Eine überraschende Wendung.
"Für Cristiano gilt das nicht"
Auf seinen ikonischen Jubel verzichtete er zwar, Gesänge und stehende Ovationen von den eigenen Fans bekam er trotzdem. Der "alte Mann" hat es noch drauf, zumindest im gegnerischen Strafraum. Das stellte auch Weltmeister Christoph Kramer am ZDF-Mikrofon fest: "Defensiv weißt du seit zehn Jahren, was du bekommst. Da ist er nicht präsent. Offensiv hat er ein Spiel gemacht, was ich ihm so nicht mehr zugetraut hätte."
Auch Per Mertesacker war vor dem Anpfiff noch skeptisch gewesen ob der Qualität Ronaldos. So klangvoll der Name angesichts von einer Vielzahl an individuellen Auszeichnungen und Titeln noch ist, so umstritten ist mittlerweile sein Wert für die portugiesische Nationalelf. Schon bei der WM in Katar vor zweieinhalb Jahren war in Portugal eine Diskussion darüber entbrannt, ob das Team mit ihm oder ohne ihn besser dran wäre. Bei der EM in Deutschland im vergangenen Jahr kochte die Debatte erneut hoch. Für Ronaldo selbst ist das keine Frage. Natürlich ist sie mit ihm besser dran.
Und zumindest in der jüngeren Vergangenheit liefert er dafür einige Argumente. Sechs Tore hatte er in sieben Nations-League-Spielen geschossen, sodass Nationaltrainer Roberto Martínez auch in München auf ihn setzte. Er sollte es nicht bereuen.
"Wenn du als Mensch etwas gewonnen hast, bist du am nächsten Tag weniger hungrig. Für Cristiano gilt das nicht", erklärte Martínez auf der Pressekonferenz nach dem Spiel.
Das Tor gegen Deutschland wird die Diskussion um Cristiano Ronaldo nicht beenden. Dafür waren seine Leistungen in den großen Turnieren der jüngeren Vergangenheit zu blass. Dennoch zeigt sein aktueller Treffer, dass man ihn auch mit 40 Jahren noch nicht abschreiben sollte.
- Eigene Beobachtungen von vor Ort
