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Der Superdome: Monument, Schandfleck und Symbol der Hoffnung


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Der Superdome: Monument, Schandfleck und Symbol der Hoffnung

Von t-online
02.02.2013Lesedauer: 4 Min.
Nach wechselvoller Geschichte erstrahlt der Superdome heute in einem neuen Licht.Vergrößern des BildesNach wechselvoller Geschichte erstrahlt der Superdome heute in einem neuen Licht. (Quelle: UPI Photo/imago-images-bilder)
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Von Patrick Brandenburg (New Orleans)

Die Quarterbacks Colin Kaepernick und Joe Flacco etwa grinsen förmlich um die Wette vorm möglicherweise größten Tag ihrer Karriere. Abseits des Scheinwerferlichts dagegen lächelt Doug Thornton still in sich hinein und blickt sichtbar stolz auf die Gegenwart.

Wie ein Kapitän eines sinkenden Schiffes

Vor gut acht Jahren war dem Manager des Superdomes überhaupt nicht zum Lachen zumute. Als Hurrikan Katrina 2005 weite Landstriche der Golfküste verwüstete und dabei auch über die Metropole New Orleans hinweg fegte, flüchteten fast 30.000 Menschen in "seine" Arena im Stadtzentrum, in der normalerweise die New Orleans Saints Football spielen. Wie der Kapitän eines sinkenden Schiffes war Thornton an Bord geblieben und half nach Kräften im Überlebenskampf.

Der Dome, diese Monsterqualle aus Stahl und Beton, die seit 1975 gleichermaßen zur Skyline und ins Sportbewusstsein der Bewohner von Big Easy gehört, war von den Behörden ungeprüft als vermeintlich sichere Notunterkunft auserkoren worden. Die wenigen Lebensmüden, die nicht im Traum daran dachten, vor einem Hurrikan der höchsten Stufe fünf zu kuschen, suchten hier Unterschlupf. Vor allem aber die Unterprivilegierten, die sie sich eine Flucht ans sprichwörtlich rettende Ufer nicht leisten konnten. Was diese Menschen in der Woche vom 28. August bis zur vollständigen Evakuierung des Stadions am 4. September erlebten, glich einem Horrorfilm.

Im Moloch abgeschnitten von der Außenwelt

Rückblende: Schon am zweiten Tag, nachdem der Hurrikan auf die Stadt trifft, macht die Elektrik des Domes schlapp. Notstrom taucht den fensterlosen Moloch und seine endlosen Gänge mit Mühe in ein schummriges Licht. Der Sturm reißt Löcher ins Dach. „Das wird hässlich“, vermutet Thornton früh. Am dritten Tag brechen in New Orleans die Dämme, das Wasser von Lake Pontchartrain überflutet die Stadt. Die Flüchtlinge leben auf einer Insel, nahezu abgeschnitten von der Außenwelt.

Rettungsboote und Hubschrauber bringen immer mehr Menschen, aber keiner kann mehr raus. Am dritten Tag bricht die sanitäre Versorgung zusammen. Das Spielfeld liegt knöcheltief unter einer schwarzen Suppe aus Fäkalien und Müll. Die Klimaanlage ist längst Geschichte, bei über dreißig Grad Celsius stinkt es bestialisch. Wasser und Essen werden knapp. Gerüchte über Vergewaltigungen, Raub und Totschlag verängstigen die Menschen weiter. Etliche nehmen es für bare Münze, dass viel mehr ihrer Leidensgenossen gestorben sind als nur die sechs, deren Tod schließlich öffentlich beklagt wird: Ein Mensch stürzt sich von der Brüstung und begeht so Selbstmord, wird berichtet; einer stirbt durch eine Überdosis und vier aufgrund „natürlicher Ursachen“ - was immer das unter diesen unmenschlichen Umständen bedeuten mag.

Unermüdliche Aufbauarbeit

"Das durfte nicht das letzte Bild vom Superdome sein, an das wir uns erinnern", sagt Thornton heute. Sofort nach Abzug des Hurrikans kämpfte der frühere College-Quarterback daher für die Renovierung - gegen alle Widerstände: "Es gab natürlich Leute die sagten: 'Wir haben jetzt wichtigere Probleme als ein Stadion.' Oder: 'Dieser verdammte Ort soll abgerissen werden.' Selbst als die damalige Gouverneurin des Staates Louisiana, Kathleen Blanco, grünes Licht für den Wiederaufbau gab - da waren immer noch Teile der Stadt überflutet - hatte der gebürtige Texaner Zweifel, jemals wieder das Gebäude zu betreten. Dass Thornton nun auf einem perfekten Kunstrasen in einer funktionierenden Arena steht, grenzt an ein Wunder.

"Es gab so viele Momente, an denen alles hätte scheitern können. Die Finanzierung war ein Riesenproblem, Material und Arbeitskräfte knapp. Dazu waren wir in einem Irrgarten der Bürokratie gefangen", erklärt der 54-Jährige. Die Kuppel des Domes war zu siebzig Prozent zerstört, die Bestuhlung und die Inneneinrichtung nahezu unwiederbringlich beschädigt. Es gab ein massives Schimmelproblem. Der Rasen und 150.000 Quadratmeter Teppichboden mussten ersetzt, insgesamt vier tausend Tonnen Müll beseitigt werden. Das alles in nur neun Monaten nach Ende der Planungsphase, denn die Liga drängte auf Wiedereröffnung. "Wir hatten keinen Tag, keine einzige Minute zu verlieren. Wir mussten diese Herkules-Aufgabe bewältigen“, sagt Thornton. Die Alternative war fürchterlich.

"Rettung eine Inspiration für die ganze Stadt"

Eine einzige verpasste Frist hätte den Gang der Geschichte dieser Stadt verändert: Wir hätten das Stadion nicht rechtzeitig öffnen können, die Saints wären wohl nie mehr zurückgekommen. Dann würden wir heute nicht über den Super Bowl sprechen." Die Football-Mannschaft bestritt ihre Heimspiele nach Katrina zunächst in New Jersey, Baton Rouge und San Antonio. Gerüchte, die Team-Besitzer würden einen Wechsel in einen lukrativeren Markt erwägen, existierten schon vor der Katastrophe. Aus dieser Sicht ist es verständlich, dass Thornton das feierliche Comeback zu Beginn der NFL-Saison 2006 zu den schönsten Augenblicken der Stadt-Historie zählt - gleichberechtigt mit dem überraschenden Gewinn des Super Bowls der Saints im Februar 2010.

Der Geschäftsmann blickt dabei weit über schnöde Bilanzen und den Rand seines Stadions hinaus - er spricht von einer Herzenssache, das Projekt vorangetrieben zu haben: "Der Wiederaufbau von New Orleans ist wesentlich vom Selbstvertrauen seiner Bürger getragen, sich gegen alle Widrigkeiten zu behaupten. Die Rettung des Superdomes war eine Inspiration für die ganze Stadt. Es war ein Signal der Zuversicht: Wenn wir in der Lage sind, solch ein Riesenstadion zu retten, gibt es auch Hoffnung für eure Viertel und für eure Nachbarschaft.“ Für stolze 221 Millionen Dollar ist der Superdome schließlich renoviert worden, weitere 115 Millionen Dollar flossen später in die Modernisierung.

"Der Superdome ist heute ein besserer Ort"

Wenn am Sonntag die ganze Nation nach New Orleans schaut, und mit ihr vermutlich viele Überlebende des Superdome-Desasters, wünscht sich Thornton vor allem dies: Dass die Menschen bei all den weiterhin existierenden Problemen doch den rapiden Wandel wertschätzen und die bemerkenswerte Auferstehung einer ganzen Stadt. Dass sie sich der schönen Momente dieses Sportmonuments erinnern, in dem der letzte Sieg von Muhammad Ali ebenso zu bestaunen war wie nun schon zum siebten Mal ein Super Bowl - so viele wie in keiner anderen Arena in den USA. "Ich hoffe, die Menschen sagen, wir haben das Vermächtnis des Gebäudes angemessen bewahrt, seine reiche, überwiegend positive Geschichte. Ich hoffe, sie erkennen: Der Superdome ist heute ein besserer Ort“, sagt Thornton.

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