Mediziner Mark S. legt umfassendes GestÀndnis ab
MĂŒnchen (dpa) - Mark S. hantiert an den Maschinen herum, hĂ€lt Beutel und SchlĂ€uche in die Höhe und erklĂ€rt detailreich, wie so eine Blutaufbereitung funktioniert.
Nach einem umfangreichen GestĂ€ndnis ĂŒber jahrelange Dopingvergehen soll der Erfurter Arzt nun auch zeigen, wie die GerĂ€te zu bedienen sind. Also stellt sich Mark S. in die Mitte des Saals 270 des MĂŒnchner Justizpalastes und zeigt dem Landgericht, welche Knöpfe und Regler an den aufgereihten Maschinen - die Druckern Ă€hneln - zu betĂ€tigen sind. Der Mediziner hat in eineinhalb Jahren Untersuchungshaft kaum etwas vergessen.
Nach zwei Auftaktwochen hat Mark S. als Hauptangeklagter in dem Blutdopingverfahren ein umfassendes GestĂ€ndnis abgelegt. Am fĂŒnften Verhandlungstag berichtete der Arzt von selbst durchgefĂŒhrten und mithilfe von Komplizen organisierten Manipulationen seit 2012. Zahlreich Winter- und Radsportler habe Mark S. betreut, gaben dessen Verteidiger am Dienstag bei der Verlesung einer ErklĂ€rung an. Neue Namen, die nicht schon in der Anklage standen, fielen dabei keine. Nachfragen des Gerichts beantwortete der Mediziner nicht.
Mit seiner Aussage wollte der 42-JÀhrige neben dem GestÀndnis der Taten vor allem unterstreichen, dass er durch die Doping-GeschÀfte kein Geld verdiente und keine Athleten gesundheitlich gefÀhrdete. Das unterstrich sein Anwalt Juri Goldstein in einer Prozesspause.
"Ich habe mit Doping keinen Gewinn erzielt", sagte der Arzt. Von den Athleten habe Mark S. normalerweise pro Saison 5000 Euro als Grundbetrag fĂŒr die medizinische Betreuung erhalten - intensivere MaĂnahmen kosteten mehr, bei Erfolgen der Athleten gab es ebenfalls einen Aufschlag. Er habe groĂe Ausgaben etwa durch Spezial-Equipment zur Blutaufbereitung sowie durch Reise- und Hotelkosten gehabt.
Sechs dieser GerĂ€tschaften, die groĂteils bei einer Razzia am 27. Februar 2019 in Erfurt sichergestellt wurden, bauten Gerichtshelfer dann im Saal auf. Mark S. erklĂ€rte, welche Funktion diese haben; ein GerĂ€t zum VerschweiĂen von BlutschlĂ€uchen schaltete er sogar an und fĂŒhrte es vor. Die anderen Maschinen dienen der Aufbereitung des Blutes, etwa zur Trennung von Blutplasma und roten Blutkörperchen.
Mark S. schien deshalb so umfangreich ĂŒber die GerĂ€te zu referieren, um zu zeigen, dass er medizinisch verantwortungsvoll gehandelt habe. "Mir war immer wichtig, dass den Sportlern kein gesundheitlicher Schaden zugefĂŒgt wird", beteuerte er. Davor habe er von teils abenteuerlichen und riskanten Dopingmethoden erfahren.
Er widersprach einem Anklagepunkt der Staatsanwaltschaft, wonach er einer Mountainbikerin ein gefĂ€hrliches PrĂ€parat verabreicht habe. Er sagte, dass er der Ăsterreicherin berichtet habe, dass er selbst keine Tests mit dem Mittel durchgefĂŒhrt habe. Die Staatsanwaltschaft wirft Mark S. bei dieser Episode gefĂ€hrliche Körperverletzung vor.
Neben diesem Anklagepunkt treffen laut Verteidiger auch gut ein Dutzend weitere der insgesamt fast 150 VorwĂŒrfe nicht zu: Mal sei etwa nicht Mark S. bei einer DopingmaĂnahme dabei gewesen, mal sei Blut nur entnommen und nicht wieder injiziert worden.
Dagmar Freitag reagierte empört auf die Aussage. "Das GestĂ€ndnis eröffnet einen Einblick in eine Denkweise, die fassungslos machen muss", sagte die Sportausschuss-Vorsitzende des Bundestags der dpa. "Mark S. behauptet, "nur" kostendeckend gearbeitet zu haben und stets dafĂŒr gesorgt haben zu wollen, dass kein gesundheitlicher Schaden verursacht wird. Und das alles aus "Faszination und die Liebe zum Sport"." Doping sei Betrug an allen sauberen Konkurrenten und Verrat an den ethischen Werten des Sports, unterstrich die SPD-Politikerin.
In den ersten Prozesswochen hatten zwei Helfer von Mark S. ausgesagt und die Ergebnisse der Ermittlungen in der "Operation Aderlass" bestĂ€tigt. Der Erfurter Arzt habe sie damit beauftragt, Sportlern an diversen Orten Blut abzunehmen und zuzufĂŒhren. Das rĂ€umte nun auch der Mediziner selbst ein. Der Vater von Mark S. als weiterer Angeklagter hatte ausrichten lassen, von den Machenschaften seines Sohnes gewusst zu haben. "Besonders leid tut mir, dass ich meinen Vater in die VorgĂ€nge reingezogen habe", sagte Mark S.
Einzig der fĂŒnfte Angeklagte in dem Verfahren, der Bauunternehmer Dirk Q., Ă€uĂerte sich bislang nicht. Er sitzt neben Mark S. seit Anfang 2019 in Untersuchungshaft, weil er laut Staatsanwaltschaft ebenfalls Athleten Blut entnommen und wieder injiziert hat, unter anderem wĂ€hrend der Olympischen Winterspiele 2018 in Pyeongchang.
Mark S. berichtete von seiner Zeit als Teamarzt der RadrennstĂ€lle Gerolsteiner und Milram von 2007 bis 2010. Obwohl die beiden Teams wegen DopingfĂ€llen aufgelöst worden waren, stritt er wie bereits in der Vergangenheit ab, in jene Manipulationen verwickelt gewesen zu sein. "Warum ich mich danach entschloss, Eigenblutdoping anzuwenden, das kann ich nicht sagen. Die Faszination und die Liebe zum Sport waren die Antriebswelle fĂŒr diese Entscheidung", lieĂ er verlesen.
Im gröĂten deutschen Doping-Prozess seit Jahren wird ein Urteil kurz vor Weihnachten erwartet. Die Ermittlungen hatten im Januar 2019 nach einer ARD-Dokumentation und Aussagen des SkilanglĂ€ufers Johannes DĂŒrr begonnen - der Ăsterreicher soll am Mittwoch in MĂŒnchen aussagen.