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Zur Haftstrafe von Boris Becker: Wenn man sich für den Nabel der Welt hält


Boris Becker im Gefängnis
So ist das, wenn man sich für den Nabel der Welt hält

  • Gerhad Spörl
MeinungVon Gerhard Spörl

Aktualisiert am 29.04.2022Lesedauer: 3 Min.
Meinung
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Der vorerst letzte gemeinsame Weg: Boris Beckers Partnerin muss nach der Urteilsverkündung ohne ihn das Gericht verlassen. (Quelle: t-online)

Von Tennis versteht Boris Becker wirklich sehr viel. Vom Leben hingegen versteht er wirklich sehr wenig und seine Finanzen entglitten ihm fast folgerichtig. Dafür verurteilte ihn heute das Londoner Gericht zu zweieinhalb Jahren Haft.

Der 7. Juli war kein schöner Sommertag und auch deshalb saßen ungewöhnliche viele Menschen vor dem Fernseher und fieberten mit einem 17-jährigen rotblonden Buben, der sich daran machte, Geschichte zu schreiben. Nur die Eingeweihten kannten sein Talent, aber danach bekam "das Bobbele" einen festen Platz im Herzen der Deutschen. In vier Sätzen schlug er 1985 in Wimbledon einen Spieler namens Kevin Curren, der so gut wie vergessen ist, was unserem Boris Becker zu Lebzeiten bestimmt nicht mehr widerfahren wird.

Was bleibt, ist auf jeden Fall der Becker-Hecht, der bedingungslose Einsatz und die faszinierende Behändigkeit, wenn er einen unerreichbaren Ball doch noch erreichte. Beim Aufschlag bog er den Rücken durch wie kein anderer, ging dabei in die Knie, baute so die Spannung auf, die in jeder Tennisfibel steht, und jagte den Ball ins gegnerische Feld. Seine Returns kamen scharf und direkt. Kaum Spin, gerne Slice. Attacke, immer Attacke.

Dazu hatte Boris Becker Nerven wie Drahtseile. Wenn es ganz eng wurde, wenn er hinten lag und auf keinen Fall einen Fehler machen durfte, riss er das Spiel oft genug noch aus dem Feuer. Dann kam die Becker-Faust: den Arm angewinkelt, die rechte Hand zur Faust geballt und dieses inbrünstige: Yes!

Bärenstark im Tennis, bärenschwach im Leben

Spieler lernen von Spielern, und etliche Spieler lernten von Boris Becker, auch wenn er nicht beliebt war, weil er gerne über Rivalen herzog und seinen Mund fahrlässig weit aufriss. An Nervenstärke gleicht ihm vor allem Novak Djoković, den er eine Zeitlang trainierte.

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In allen Belangen, die sich um Tennis drehen, war und ist Boris Becker bärenstark. Als Spieler, als Kommentator, als Trainer. In allen Belangen, die mit dem Leben zu tun haben, ist er bärenschwach.

Es ist ja oft so, dass Sportler im Leben nach dem Sport hilflos herumstehen, anstatt es in die Hand zu nehmen. Es gibt Basketballspieler, aus denen bemerkenswerte Trainer wurden. Es gibt Fußballer, aus denen richtig gute Trainer wurden. Auch aus Becker hätte ein sehr guter Trainer werden können, aber das Systematische ist nicht sein Ding. Er besaß drei Autohäuser und verkaufte sie notgedrungen. Er macht dies und das und auch jenes, verlor den Spaß daran und zog weiter, immer weiter.

Die Promi-Blätter lebten von BB

So wurde aus Boris Becker der ultimative Lebemann, der uns wissen lässt, dass er seine Tochter nicht etwa in einer Besenkammer zeugte, sondern auf der Treppe zwischen den Toiletten. Das wollten wir natürlich unbedingt so genau wissen. Übrigens riet ihm damals seine Mutter davon ab, nach dem Ausscheiden in Wimbledon, deprimiert wie er war, nächtens noch loszuziehen. Sie kannte ihn gut, er sich weniger. So ging seine erste Ehe zu Bruch.

Die Promi-Blätter lebten von BB, seinen Frauen, die sich allesamt ähneln, von seinen vier Kindern von drei Müttern, von seinen Scheidungen und jetzt natürlich auch von seinen Geldsorgen. Zum Londoner Gericht ging er am Arm seiner neuen Freundin, die ausdruckslos an den Kameras vorbeischaute – ein Gang wie zum Schafott.

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Das Gegenmodell wurde damals 1985 gleichzeitig mit Becker zum Weltstar. Natürlich handelt es sich um Steffi Graf. Mit 29 hörte sie mit dem Tennisspielen auf, der Körper machte nicht mehr mit. Sie heiratete, bekam Kinder, spielt noch ab und an mit ihrem Mann André Agassi zu wohltätigem Zweck Tennis und lebt ihr Leben weit ab von den Blättern, die Boris Becker die Welt bedeuten.

Entlarvendes Interview

Becker hat eine andere Wahl getroffen. Das ist seine Sache. Als er seine zweite Autobiografie veröffentlichte, das war 2018, gab er "Willkommen Österreich", einer Late-Night-Show im ORF, ein Interview, in dem er Interessantes erzählte. Er sagte nämlich, in diesem Buch gehe es nicht nur um seine Frauen und Freundinnen, er habe ja auch berufliche Kapitel darin geschrieben, weil er ja Unternehmen mit leite. Nach der Ahnungslosigkeit, mit der er sich vor Gericht verteidigte, hörte sich Becker nicht an.

Tja, so ist das, wenn man sich für den Nabel der Welt hält und plaudernd mehr preisgibt, als gut ist. Heute wurde Boris Becker von einem Londoner Gericht zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt.

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