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Zum journalistischen Leitbild von t-online."Ein ganzes Viertel in Jerusalem" Rassismus-Eklat bei Übertragung des ESC-Halbfinales

Der ESC wird in zahlreichen Ländern übertragen – darunter auch in Israel. Einer der Kommentatoren des israelischen Senders Kan beleidigte einen Teilnehmer rassistisch.
Beim Halbfinale des Eurovision Song Contest kam es zu einem Eklat. Zuschauer in Israel wunderten sich über die Äußerungen eines Kommentators. Eigentlich soll der Eurovision Song Contest für Völkerverständigung sorgen. Zahlreiche Nationen kommen bei einem Wettbewerb zusammen und geben über ihre musikalischen Beiträge Einblicke in ihre Kulturen. Manchmal kommt es allerdings auch zu hässlichen, rassistischen Szenen – so etwa bei der Übertragung des ESC-Halbfinals am Donnerstagabend.
Als der armenische Sänger Parg seinen Beitrag "Survivor" zu Ende gesungen hatte, ließ sich der Kommentator des israelischen Fernsehsenders Kan zu einer Bemerkung hinreißen, die in armenischen Medien als rassistisch aufgefasst wird: "Ich kann nicht glauben, dass wir diesen Leuten ein ganzes Viertel in Jerusalem gegeben haben", sagte der Kommentator. Und fügte hinzu: "Survivor – so fühlen wir uns, nachdem wir dieses Lied anschauen mussten."
Armenischer Mediengruppe legt Beschwerde ein
Für die Beobachter in den armenischen Medien geht diese Aussage weit über eine geschmacklose Bemerkung hinaus. Die armenische Gemeinschaft in der Stadt existiert seit 301 nach Christus, als Armenien als erstes Land das Christentum annahm. Das Armenische Viertel wurde über Jahrhunderte hinweg aufgebaut – unter wechselnden Herrschern und oft widrigen Bedingungen. "Es ist keine Gabe, sondern ein Symbol des Überlebens und des kulturellen Erbes, das bis heute gepflegt wird", schreibt der armenische Journalist Kegham Balian für das Nachrichtenportal "301.am".
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Ein Sprecher der armenischen Gemeinschaft in Jerusalem kritisiert die Kommentare im Gespräch mit "301.am" als ignorant und respektlos. Sie ignorierten nicht nur die lange Geschichte der Armenier in Jerusalem, sondern auch die Herausforderungen, denen diese Gemeinschaft über Jahrhunderte hinweg standhalten musste – "von Genozid und Vertreibung bis hin zur anhaltenden Gefahr kultureller Auslöschung". Insbesondere während des Genozids an den Armeniern von 1915 bis 1923 diente das armenische Viertel in Jerusalem dem verfolgten Volk als Zufluchtsort.
Die Äußerung des Kommentators hat in Armenien und in der armenischen Gemeinschaft in Jerusalem für Empörung gesorgt. Am Freitagabend legte armenische "301 Media Group" offiziell Beschwerde bei der Europäischen Rundfunkunion (EBU), der Veranstalterin des Eurovision Song Contest ein. Darin fordern sie eine Ermittlung zu den Kommentaren des israelischen Kommentators und fordern eine öffentliche Entschuldigung des Fernsehsenders Kan. Außerdem fordern sie "eindeutige und durchsetzbare Richtlinien, um Rassismus, Xenophobie und Hassrede bei künftigen Eurovision-Übertragungen zu verhindern". Eine Antwort der EBU steht noch aus.
- X-Profile von 301.am, Kegham Balian
- deutschlandfunk.de: "Leben wie im Dorf"
- domradio.de: "Museum in Jerusalem wiedereröffnet"
- israelnetz.de: "Ist das kulturelle Erbe bedroht?"