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Die Ärzte über die Krise: "Habe mich bemüht in Kontakt zu bleiben"


Die Ärzte
Bela B über Krise: "Habe mich sehr bemüht, in Kontakt zu bleiben"

InterviewVon Sebastian Berning

21.10.2020Lesedauer: 6 Min.
Interview
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Der Gesprächspartner muss auf jede unserer Fragen antworten. Anschließend bekommt er seine Antworten vorgelegt und kann sie autorisieren.

Zum journalistischen Leitbild von t-online.
Melden sich nach langer Pause zurück: Die Ärzte.Vergrößern des Bildes
Melden sich nach langer Pause zurück: Die Ärzte. (Quelle: Jörg Steinmetz)

Die Ärzte bringen nach acht Jahren ein neues Album heraus. Punk-Ikone Bela B spricht mit t-online über die Bandkrise sowie Musik, und verrät auch, was Farin Urlaub an ihm richtig nervig findet.

Mit "auch" erschien 2012 das letzte Album von Die Ärzte, mit "Hell" legen die Punk Rocker endlich nach. Damit Sie nicht lange auf's Interview warten müssen, sparen wir uns das lange Intro über die "beste Band der Welt".

t-online: Das hier müsste einer Ihrer letzten Interviewtermine zum neuen Album "Hell" sein, oder?

Bela B: Vor den Herbstferien für Bandmitglieder, für die das Wort Herbstferien auch was bedeutet. (lacht) Für mich ist das jetzt für gut zwei Wochen echt das letzte Interview.

Wie viele Interviews mussten Sie da geben? Das Interesse an Die Ärzte aktuell ist ja sehr hoch.

Ach, ich will mich da gar nicht beschweren. Interviews sind ja auch Austausch. Ich hatte außerdem gerade erst einen angenehmen Termin im Podcast von The BossHoss. Das war halb Arbeit, halb Party. Die Jungs sind gute Gastgeber.

Ja, die trinken gerne dabei…

Das erwartete Trinkspiel, wo ich mich zwischen Whisky und Vodka entscheiden musste. Es wurde üppig eingeschenkt, aber ich war der Erste, der ausgetrunken hatte. (lacht)

Was war denn bei den ganzen Interviews die häufigste Frage, die Sie gestellt bekommen haben?
Ganz klar: "Was habt ihr in den letzten acht Jahren gemacht?"

Würde ich natürlich nie fragen. Aber aus Interesse: Was haben Sie darauf geantwortet?

Haha, also bei der letzten Platte war ein bisschen der Wurm drin. Wir haben viele Entscheidungen aus diplomatischen Gründen getroffen. Wir hatten so viele Songs wie noch nie geschrieben und uns dazu entschieden, dass von jedem gleich viele Songs auf das Album kommen sollten, damit es keine Animositäten gibt. Das hat aber zu genau solchen geführt. Wir wussten, dass wir mit „Jazz ist anders“ unsere bis dato erfolgreichste Platte gemacht haben, was an unserem entspannten Umgang miteinander lag. Aber konnten den Spirit nicht mit zum nächsten Album nehmen. Nach der dazugehörigen Tour brauchten wir dringend eine Pause voneinander.

Inwiefern?

Die Tour endete mit einem gelinde gesagt nicht so guten Konzert in der Schweiz. Ich kann mich im Zusammenhang mit Die Ärzte an keinen lustloseren Auftritt erinnern. Aufgestauter Ärger, viel Unausgesprochenes. Und wir konnten das nicht mal wegrocken. Man muss dazu sagen, dass in der Schweiz Konzerte nur in Zimmerlautstärke gespielt werden dürfen. Die achten da unten schon sehr auf ihre Bürger. Das ist für Rockmusiker eher nicht so schön. (lacht) Einen Tinnitus kann man sich ja auch freiwillig verdienen.

Hat die Pause dann länger gedauert als gedacht?

Wir hatten ein paar gewollte Zusammentreffen und hielten immer den Kontakt, aber es ging nie darum, wieder auf Tour zu gehen oder neue Musik aufzunehmen. Wir waren noch nicht soweit. Im Umfeld der Band wurde dann mal der aktuelle Marktwert ermittelt und geschaut, ob Lust besteht, uns zu buchen.

Und dann waren Sie Headliner bei Rock am Ring und Rock im Park.

Genau, aber wir wollten vorher definitiv eine kleine Tour spielen. Die fand aus territorialen Gründen im Ausland statt. Auf Tour merkten wir, dass wir uns und die Band vermisst haben. Die Jahre ohne die Band müssen wir jetzt aufholen.

War diese "Miles & More"-Tour also der ausschlaggebende Punkt für die neue Platte?

Bei uns war intern die Ansage, wenn uns diese Konzerte so viel Spaß machen, wie wir es uns erhofften, dann würden wir auch ein neues Album wagen. Es war ein Test, wie es uns geht, aber auch wie der harte Kern der Fans auf uns reagiert. Es war absolut nicht luxuriös. In Zagreb war die Bühne dermaßen niedrig, dass wir fast auf Augenhöhe mit dem Publikum spielten. Das war genau, was wir gebraucht hatten.

Klingt so, als wäre bei Die Ärzte einiges ungewiss gewesen. Gab es da also ein paar Gewitterwölkchen?

Das stimmt. Ich habe mich sehr bemüht, Rod und Farin dazu zu kriegen, dass wir in Kontakt bleiben. Es kam dann einmal im Jahr zu einem Treffen. Eigentlich normal. Farin Urlaub und ich kennen uns seit wir 17 sind. Wir sind wie ein altes Ehepaar. Essgeräusche des Anderen können einen auf die Palme bringen. Ich nerve sicherlich mit meinem ewigen Zuspätkommen. Aber ich bessere mich. Mittlerweile sind es vielleicht fünf bis zehn Minuten, früher war es eine Stunde. (lacht) Das sind Kleinigkeiten, aber es muss einen guten Grund geben, dass man diese Kleinigkeiten wieder ertragen will. Jetzt erleben wir unseren vierten Frühling.

Als ich mir das neue Album anhören konnte, hatte ich auch Gelegenheit, im recht üppigen Booklet zu stöbern. Auf den Fotos sehen Sie alle recht enthusiastisch aus, albern miteinander rum. Ist das ein neues Hoch was die Bandchemie betrifft?

Absolut. Den Spirit hatten wir zuletzt 2006, aber jetzt haben wir eine Aufbruchstimmung, wie schon lange nicht mehr. Das fehlte beim letzten Album. Diese Fotos zeigen recht gut, wie die Aufnahmen waren. Der alte Zauber ist wieder da. Das, was die Band ausmacht, ist zurück. Außerdem haben wir in den letzten Jahren genug eigene Erfahrungen gesammelt. Rod war viel mit Abwärts unterwegs, Farin mit seinem Racing Team oder zum Fotografieren verreist und ich habe einen Roman geschrieben, mich als Synchronsprecher und Schauspieler betätigt. Wir waren damit nicht so erfolgreich, wie mit den Ärzten, aber wir waren alle zufrieden.

Es geht Ihnen also jetzt auch nicht um den Erfolg?

Nein, nicht wirklich. Jedes Ärzte-Album kann mittlerweile das letzte sein. Kommerzieller Erfolg sollte nie der Motor sein. Es geht uns darum, dass wir diese Band sind. Die Ärzte kann es nur mit uns Dreien geben.

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Das Album kommt im Oktober. Der Entschluss, es zu machen, stand letzten Sommer fest. Wann haben Sie dann mit den Arbeiten begonnen?

Tatsächlich haben wir für die Tour damals schon mal testweise zwei Songs aufgenommen. Wenn eine große Band nach so viel Jahren der Pause wieder Konzerte spielt, dann kommt schnell der Verdacht auf, dass sie nur die Vergangenheit verwaltet. Wir wollen nicht wie Status Quo am Ende ihrer Karriere sein. (lacht) Farin hatte zwei Nummern in der Schublade, die wir in drei Tagen produziert haben. Das war so befriedigend für uns, dass uns klar war, dass die Zusammenarbeit gut laufen würde. Rod hatte sich eine lange Reise für Anfang diesen Jahres geplant, Farin und mich hätte es aber frustriert, wenn wir so lange Pause gemacht hätten, und wir wollten die Energie der Clubtour nicht verpuffen lassen, daher haben wir bereits im Oktober Songs aufgenommen.

Generell halten Sie vieles aus Ihrem Leben privat. Ich hatte neulich ein Interview mit Bill Kaulitz von Tokio Hotel. Der meinte, dass eine Band wie Die Ärzte die beste Art Karriere hätte, weil man ihr Privatleben in Ruhe lässt. Stimmen Sie dem zu?

Es ist manchmal anstrengend, aber jeder hat es selbst in der Hand, wie viel nach außen dringt. Der Unterschied zwischen Tokio Hotel und den Ärzten ist, wir sind kein Produkt, in das die Industrie viel Geld gesteckt hat. Wir haben damals eine Band gegründet, hatten ein Konzept und haben Songs geschrieben. Es gab natürlich auch Interesse an unseren Privatleben, aber wir haben da schnell dicht gemacht. Irgendwann hat die Presse das ignoriert. Wir waren trotzdem erfolgreich, 1988 die beliebteste Band in der "Bravo". Einer der ganz wenigen Preise, den wir persönlich angenommen haben. (lacht) Wir sind nie Anerkennung und Kommerz hinterhergerannt und haben uns auch die Missachtung diverser Presseorgane nicht zu Herzen genommen. Wir wurden angefeindet und indiziert, aber das war uns egal, weil wir in der Band gespielt haben, in der wir auch sein wollten. Bis heute ist das so. Nun, jetzt wieder mehr als vor acht Jahren.

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Was würden Sie denn einer jungen Band raten?

Wenn mich junge Musiker nach meiner Meinung fragen würden, dann würde ich erst mal wissen wollen, was ihr Konzept oder ihre Idee ist. Wenn es deren Vision ist, möglichst viel Erfolg und möglichst viele Geschlechtspartner zu generieren, dann ist das nicht ausreichend für eine Band. (lacht) Man muss schon Inhalte haben. Auch heutzutage, obwohl der Wert von Musik durch Castingshows oder andere Vermarktungswege deutlich reduziert ist.

Wenn die Leute heute vielleicht Musik machen, um möglichst viele Geschlechtspartner kennenzulernen, braucht man Punk und Musik mit Inhalten heute umso mehr?

Ich denke, dass wir heute authentischere Musik brauchen und nichts vom Fließband. Aber rein digitale Musik wie Cloudrap oder Trap hat natürlich seine Berechtigung, weil es auch hier Musiker mit Visionen gibt. Mittlerweile lassen wir unsere Songs auch streamen, damit auch Leute unter 30 die Möglichkeit haben, uns zu entdecken. Ich finde es extrem bedenklich, dass irgendwelche Algorhythmen den Leuten in gewisser Weise einen bestimmten Geschmack diktieren. Ich schaffe es doch auch, mir an einem Tag die Kassierer, HO99O9, Valerie June oder BTS anzuhören, und das kriege ich in meinem Herzen alles unter einen Hut. Das kann Spotify mir nicht bieten.

Erfahren Sie morgen im zweiten Teil des großen Die-Ärzte-Interviews von t-online, wie Bela B zu Verschwörungstheoretikern und der AfD steht. Und warum der Dialog mit Faschisten heute noch immer wichtig ist.

Verwendete Quellen
  • Eigenes Interview mit Bela B
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