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Sandra Maischberger über ARD-Krise: "Das ist der Auftrag, den wir haben"


Sandra Maischberger
"Als Talkshow-Moderatorin ist man immer unter Beschuss"

InterviewVon Nina Jerzy

Aktualisiert am 30.08.2022Lesedauer: 7 Min.
Interview
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Sommerpause 2022 endet: An diesem Dienstag geht Sandra Maischberger wieder mit ihrer Talkshow auf Sendung.Vergrößern des Bildes
Sommerpause 2022 endet: An diesem Dienstag geht Sandra Maischberger wieder mit ihrer Talkshow auf Sendung. (Quelle: Thomas Bartilla / imago images)

Auch an Sandra Maischberger ist die Kritik an den Öffentlich-Rechtlichen nicht vorbeigegangen. Im Interview spricht sie nun über Herausforderungen in der ARD.

Finanzkrise, Flüchtlingskrise, Corona, Ukraine-Krieg – Sandra Maischberger bespricht seit 2003 in ihrer Talkshow im Ersten die wichtigsten Themen der Woche. Gute Nachrichten sind in der Show selten, doch an diesem Dienstag dürfte es dennoch Grund zur Freude gegeben haben: Die Sendung ist in der Kategorie "Beste Information" für den Deutschen Fernsehpreis nominiert.

Seit Mai 2022 ist "Maischberger" zudem zweimal pro Woche auf Sendung. "Nicht meine Entscheidung", räumt die Moderatorin freimütig ein. Auch ansonsten spricht die 56-Jährige im Gespräch mit t-online Klartext: über Anfeindungen, AfD-Gäste und Versäumnisse im öffentlich-rechtlichen Rundfunk.

t-online: Braucht der öffentlich-rechtliche Rundfunk angesichts der RBB-Affäre eine Reform, Frau Maischberger?

Sandra Maischberger: Jedes System, das sich nicht immer wieder erneuert und sich selber hinterfragt, wird Fehler machen, ganz unabhängig von der "RBB-Affäre". Man muss immer schauen, wo man Strukturen verändern muss. Das Öffentlich-Rechtliche ist meiner Ansicht nach aber wichtiger denn je. Denn wir leben gerade in Zeiten, in denen unabhängige und ordentlich recherchierte Informationen wirklich wesentlich sind. Wir werden in der ersten Sendung nach der Sommerpause unter anderem mit Hajo Seppelt einen Journalisten einladen, der den Missbrauchsskandal im Schwimmsport mittels monatelanger Recherche aufgedeckt hat und Jan Hempel, den ehemaligen Spitzenwasserspringer, der berichtet, was ihm damals passiert ist.

Nachdem Herr Hempel an die Öffentlichkeit gegangen ist, haben sich noch mehr Betroffene zu Wort gemeldet.

Diese Dinge sind beispielhaft für das, was wir leisten können und damit auch politisch etwas in Bewegung setzen. Das ist der Auftrag, den wir haben. Alle Menschen, die mit Beitragszahlungen umgehen, tragen eine große Verantwortung. Diese Beiträge ermöglichen es uns, unsere Arbeit zu machen – und zwar so gut, wie es nur wenig andere können. Darauf müssen wir uns konzentrieren. Berechtigte Kritik muss man beherzigen. Unberechtigte Kritik kann man ignorieren. Als Talkshow-Moderatorin ist man außerdem immer unter Beschuss. Das ist nichts, was mir fremd wäre.

Wann war es besonders schlimm?
Während der Anfangsmonate der Corona-Pandemie hab ich schon sehr extreme Reaktionen auf der Straße erlebt. Ich rechne generell immer mit allem. Es ist natürlich nicht angenehm, wenn mir dann auch wirklich jemand lautstark seinen Unmut ins Gesicht sagt. Dafür bin ich aber eine öffentliche Person, dann soll das eben so sein.

Alle großen politischen Talkshows sind mittlerweile seit mindestens 15 Jahren auf Sendung. Ist dies für Sie Ausdruck von Kontinuität oder ein Zeichen, dass es an Chancen für den Nachwuchs hapert?

Ich kann nur von mir reden: Wir haben unser jetziges Format vor zwei Jahren komplett neu aufgestellt. Wir haben alles verändert, bis auf meine Person. Das war ein echter Neuanfang. Außerdem können wir ab Januar im Ersten einen neuen Kollegen begrüßen: Louis Klamroth, auf den ich mich sehr freue (Anmerkung der Redaktion: Er wird Nachfolger von Frank Plasberg bei "Hart aber fair"). Es bewegt sich also ab und zu schon etwas.

Haben Sie den Anspruch, jüngere Menschen mit Ihrer Sendung anzusprechen?

Oh ja. Klar sind sie im linearen Fernsehen nicht unbedingt meine Kerngruppe. Aber es gibt viele junge Leute, die sich für Politik interessieren und sich die Sendung ansehen. Ich habe einen 15-Jährigen. Auf seiner Schule wird viel politisch diskutiert. Ich finde es aber ganz okay, wenn junge Menschen eigene Formate haben, über die sie sich informieren, etwa im Podcastbereich.

Ist es eigenartig, dass Sie zu Hause, wo Sie früher abschalten konnten, jetzt wieder über dieselben Themen sprechen wie bei der Arbeit?

Ich komme aus einer Familie, in der man ohnehin viel über Politik geredet hat. Insofern ist das jetzt kein großer Unterschied. Wir lassen familiär ein paar Themen weg, aber vielen Bereichen kann man sich gar nicht entziehen. Aber ich schalte auch mal bewusst ab, sehe einen Film, gehe auf ein Konzert oder mache einfach einen Grillabend, um ein bisschen davon wegzukommen.

Belastet Sie die Schwere der Krisen gar nicht persönlich?

Bei mir ist das ganz anders. Mir persönlich geht es immer besser, wenn ich über schlechte Nachrichten reden kann.

Es drängt sich der Eindruck auf, dass alle ein wenig dünnhäutiger werden und selbst banale Themen einen Sturm der Entrüstung auslösen.

Absolut. Ich bin gerade mit dem Fahrrad über eine Landstraße gefahren, war etwas mehr in der Mitte und mich hat ein Motorrad überholt. Das war ein Riesenaufriss, eine Hup-Kanonade und wilde Gesten. Ich denke dann: Leute, was ist los mit euch? Müsst ihr euch wirklich über alles aufregen? Dieses permanente Erregungspotenzial, das einem auch in den kleinsten Bereichen begegnet, macht mir genauso zu schaffen wie die veränderte Diskussionskultur. Aber dass wir uns alle so schnell aufregen, liegt natürlich daran, dass es so viel Grund gibt sich aufzuregen und dass man häufig wenig Einfluss auf viele Dinge hat. Das macht die Leute nervös.

Manche Menschen haben ja auch mehr Grund, nervös zu sein, als andere. In Talkshows sind allerdings überwiegend die Besser- oder Spitzenverdiener vertreten.

Meine Sendung hieß beim Start 2003 "Menschen bei Maischberger". Wir haben von Anfang an darauf geachtet, dass bei uns auch ganz normale Menschen zu Wort kommen. In einer unserer letzten Sendungen hat zum Beispiel eine Rentnerin erzählt, wie es ist, wenn bei ihrem schmalen Budget die Preise im Supermarkt so stark nach oben gehen.

Sie feiern nächstes Jahr 20. Jubiläum. Wäre das nicht ein guter Anlass gewesen, zweimal pro Woche zu senden, warum haben Sie damit schon im Mai angefangen?

Das dürfen Sie nicht mich fragen. Ich habe die Entscheidung nicht gefällt. Wir wurden gefragt und haben natürlich gesagt, wir machen das sehr gerne. Denn gerade gibt es so viele Themen zu besprechen, dass man sie mit einmal 75 Minuten pro Woche gar nicht unterbringen kann. Aber letztlich bin ich nicht diejenige, die bestimmt, wie oft ich auf Sendung gehe. Das ist eine Programmentscheidung und die treffe ich nicht.

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Quotation Mark

Wir sind die Spieler, die auf den Platz gestellt werden


Sandra Maischberger


Sind die Sendetage dienstags und mittwochs nicht ein kleiner Angriff auf "Markus Lanz", der an diesen Tagen läuft?

Auch das weiß ich nicht. Ich hab nicht danach gefragt, warum wir es tun. Ich hab es einfach gerne gemacht. Wir sind die Spieler, die auf den Platz gestellt werden. Die Trainer entscheiden, welche Spieler eingesetzt werden.

Braucht das öffentlich-rechtliche Fernsehen wirklich fast jeden Tag eine politische Talkshow?

Bei uns wird das Angebot auch ein bisschen durch die Nachfrage reguliert. Das mag zwar keiner hören. Aber natürlich sind die Quoten, der Zuschauererfolg, ein Maßstab dafür, ob das Angebot angenommen wird. Im Moment haben wir viele Zuschauer, mehr als in anderen Zeiten. Eigentlich hat das schon bei der Finanzkrise angefangen. Anschließend haben wir uns mit den Flüchtlingen beschäftigt, dann kam Corona, jetzt der Ukraine-Krieg. Ich finde es wichtig, dass man abends noch mal einen Platz hat, an dem man gemeinsam "verdauen" kann, was gerade passiert. Wenn die Menschen die Nase voll hätten, würden wir es als erste merken und darauf reagieren.

Gerade die Pandemie und der Krieg haben gezeigt, dass Experten auch falsch liegen können. Welchen Erkenntnisgewinn bieten hier Talkshows?

Ich glaube, man muss das unterscheiden. Diese Experten und Wissenschaftler, die wir einladen, haben auf ihrem Fachgebiet immer eine gute Expertise. Aber auch für sie wird es ganz schwierig, wenn sie Prognosen treffen sollen. Das war sowohl bei Corona als auch beim Ukraine-Krieg der Fall. Gerade beim Krieg haben viele Fachleute die Anzeichen gesehen, aber haben den Krieg nicht für möglich gehalten oder wollten es vielleicht nicht wahrhaben. Aber es gibt natürlich viele Themen, wo man sich die Meinung und den Rat von Experten anhören sollte. Wir fragen außerdem nicht nur einen Experten, sondern setzen mehrere Sichtweisen zusammen, damit sich der Zuschauer selbst ein Bild machen kann.

Allerdings ist es auch heute noch kein Normalzustand, dass beispielsweise Politiker der AfD in Talkshows sitzen. Wie gehen Sie mit Meinungen um, die stark von Ihrer abweichen?

Meine Meinung spielt da überhaupt keine Rolle. Wichtig ist für uns, dass wir ein möglichst breites Meinungsspektrum abbilden. Es gibt Grenzen – da, wo es kriminell wird, verfassungsfeindlich, rassistisch wird oder gegen Menschenrechte geht. Dann ist das keine Meinung mehr, sondern im Zweifel Hetze. Das herauszufiltern, ist nicht immer einfach. Es gibt bei der AfD Stimmen, mit denen man reden kann. Andere, von denen ich glaube, man kann mit ihnen nicht reden. Aber grundsätzlich ist unser Auftrag erst einmal, das gesamte Spektrum abzubilden. Wir streiten auch viel untereinander in der Redaktion. Wir machen uns wirklich einen Kopf darüber, was wir tun und überprüfen die Fakten intensiv.

Gibt es Pläne, "Maischberger vor Ort" zu revitalisieren? Das wurde ja durch die Pandemie ausgebremst.

Ich habe da in den letzten Tagen tatsächlich dran gedacht, nachdem ich mit dem Neun-Euro-Ticket fröhlich durch die Lande gefahren bin. Einerseits denke ich, wir sollten immer wieder mal vor Ort sein und uns anhören, was die Menschen dort zu sagen haben. Leider musste ich aber feststellen, dass sich dann aber nicht jeder dafür interessiert, was in Bochum oder Cottbus passiert. Und wir haben nicht nur die Pflicht zuzuhören, sondern auch jene Dinge zu behandeln, die die Menschen im ganzen Land interessieren. Daran arbeiten wir noch.

Mit welchem Gefühl blicken Sie auf die nächsten ein, zwei Jahre? Hoffen Sie, dass sich die Dinge normalisieren und Sie auch mal wieder eine Woche haben, in der sich das beherrschende Thema nicht aufdrängt?

Wir haben über Prognosen gesprochen – ich würde mich nicht mehr trauen, irgendwelche Vorhersagen abzugeben. Man hat gerade das Gefühl, es wird alles noch schlimmer. In manchen Bereichen wird das sicherlich so sein. Ich habe als persönliches Motto "think the worst, expect the best" – sei auf das Schlimmste vorbereitet, aber erwarte das Beste. Sonst wird man ja völlig verrückt.

Verwendete Quellen
  • Eigenes Interview mit Sandra Maischberger
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