Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Raab und RTL Es ist die Hölle

Das Kapitel Stefan Raab findet bei RTL ein vorzeitiges Ende. Zum Glück. Denn das Experiment ist gescheitert. Ob die Zusammenarbeit noch Zukunft hat, hängt an einem zentralen Element.
Es ist wirklich ein bemitleidenswertes Bild: Stefan Raab sitzt mit seinen 58 Jahren neben zwei Männern, die bei RTL als neue "Bachelor"-Kandidaten anheuern, und versucht, ein Interview mit ihnen zu führen. "Zäh" ist noch ein Euphemismus für das, was dabei herauskommt. Raab stammelt vor sich hin, rutscht auf seinem Stuhl umher. Offensichtlich interessiert er sich kein bisschen für Felix und Martin. Mehr noch: Raab ist genervt. Und doch werden am Ende 20 Minuten vergangen sein, bis die beiden das "Du gewinnst hier nicht die Million"-Studio wieder verlassen.
Man muss es so klar sagen: Wenn der Raab der frühen "TV Total"-Jahre sehen würde, was Raab heute macht, würde er ihn auslachen und verspotten. Der 33-jährige Raab würde einen Ausschnitt dieses RTL-Interviews zeigen und die peinlichen Pausen in dem Gespräch als Blamage brandmarken. Dieser junge Raab würde das Bild einfrieren lassen, wenn die beiden "Bachelor"-Kandidaten zu den Fragen des Moderators schweigen, und dieser schier verzweifelt nach einem Gesprächsfaden sucht, der nicht existiert – und er würde sich den Bauch halten vor Lachen, mit dem Finger auf den seltsamen Moderator in dem hellblauen Hemd zeigen und prusten: "Dieser mittelalte Mann scheint im falschen Film gelandet zu sein!"
Und tatsächlich ist es genau so: Raab und RTL – das ist keine Liebesgeschichte mit Happy End. Es ist eine unangenehme Zweckbeziehung, die Außenstehende verwundert die Augenbrauen hochziehen lässt. Es ist zum Fremdschämen. Diese letzte Folge von "Du gewinnst hier nicht die Million" markiert den Schlusspunkt unter einem TV-Experiment, das gescheitert ist – und aus dem RTL so schnell wie möglich die richtigen Schlüsse ziehen muss.
"So stelle ich mir die Hölle vor"
Als Stefan Raab in der aktuellen Folge so ähnlich agiert wie sein früheres Ich und tatsächlich alte TV-Ausschnitte präsentiert, um diese bissig zu kommentieren, kommt es zu einem bemerkenswerten Moment. Auf unfreiwillige Art sagt er mehr über Raab als über denjenigen, der eigentlich adressiert wird: Harald Glööckler. Mehrfach zeigt Stefan Raab an diesem Abend die Sport1-Castingshow "My Style Rocks", in der Glööckler als Juror tätig ist. Als dieser in einer der neuen Folgen seinen 60. Geburtstag feiert, tanzt er mit seinen Jury-Kollegen im Studio und singt ein Lied. Raab kommentiert das lakonisch mit: "So stelle ich mir die Hölle vor."
Rund 25 Minuten später sitzt Raab mit den "Bachelor"-Männern zusammen, und man denkt exakt das Gleiche: was für eine Fernsehhölle. Das liegt zwar auch am Moderator selbst, aber viel mehr noch an dem Sender, der dieses Format verantwortet.
RTL hat Raab Fesseln angelegt, die aus ihm einen Gefangenen des Senders machen, eingezwängt zwischen Personen, für die er sich nicht interessiert, und Formaten, die er verabscheut. Wenn RTL mit Raab in der jetzt eingeläuteten Sommerpause an einem Neuanfang arbeitet, sollte eines ganz oben auf der Liste stehen: Schluss damit, Raab für Werbezwecke zu instrumentalisieren.
Stefan Raab sollte nicht für den "Bachelor" trommeln, das Dschungelcamp oder "Let's Dance" bewerben. In seiner Show tingelten in den vergangenen Monaten schon alle möglichen RTL-Figuren durchs Studio: von Thorsten Legat über Luca Hänni, Paul Janke und Larissa Marolt bis hin zu Joey Kelly. Nie entstand daraus ein denkwürdiger Unterhaltungsmoment. Die Devise muss daher lauten: Weniger ist mehr. Und damit ist in erster Linie weniger RTL-Inhalt, RTL-PR, RTL-Personal gemeint. Denn wenn RTL so weitermacht, sieht Raab aus wie eine Parodie seiner selbst.
Nachdem der Sender eingestehen musste, dass Raab mit seiner neuen Show "Du gewinnst hier nicht die Million" gescheitert ist und das Format absetzte, sagte Programmchefin Inga Leschek einen bezeichnenden Satz: "Die jetzige Form – ein Mix aus Quiz, Gameshow, Stand-up und Comedy – überzeugt unser Publikum im linearen TV nicht ausreichend. Darüber hinaus hatten Hybrid-Shows es schon immer schwer." Obwohl die Verantwortlichen also von Beginn an wussten, dass eine Show, die wie eine Eier legende Wollmilch-Sau daherkommt, nicht mehr so wie noch vor 20 Jahren funktioniert, ließen sie Raab mit seinem aus der Zeit gefallenen Konzept gewähren. Anders gesagt: RTL schickte Raab sehenden Auges ins Verderben – und verschlimmerte es noch durch inhaltliche Vorgaben.
Die Macher hätten es besser wissen müssen, und angesichts der kolportierten 90 Millionen Euro, die sie für das Engagement Raabs locker machten, gleicht es Masochismus, dass man solch einen vorhersehbar schmerzhaften Weg einschlug.
Mehr Late Night, weniger RTL
Das Credo für die Zukunft kann nur lauten: Lasst Raab unter der Woche maximal 60 Minuten Quatsch machen, mit Studioband, Kommentaren über die vergangenen TV-Tage und ein paar albernen Ideen. Egal, wie unlustig man die aus der Zeit gefallenen Witze auch finden mag: Das Infantil-Befreite war immer noch das am wenigsten Schlechte der neuen Sendung. Dort sollte RTL ansetzen und Raab Einspieler drehen lassen, in denen er andere durch den Kakao zieht, und TV-Ausschnitte kommentieren lassen, mit denen er sich selbst aufwerten kann.
Dann kann RTL immer noch die eine oder andere Samstagabendshow im Wettbewerbsstil mit ihm drehen – aber bitte nicht alles auf einmal und schon gar nicht unter der Woche.
- Eigene Beobachtungen
- RTL: "Du gewinnst hier nicht die Million" vom 11. Juni 2025