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"Tatort"-Star Almila Bagriacik im Interview: "Da reagiere ich allergisch drauf"


"Eine klare Grenze herzustellen, ist manchmal eine Herausforderung"

Von Maria Bode

Aktualisiert am 08.03.2021Lesedauer: 6 Min.
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Almila Bagriacik: Im Interview mit t-online spricht die Schauspielerin unter anderem über winterliche Dreharbeiten im Sommer.Vergrößern des Bildes
Almila Bagriacik: Im Interview mit t-online spricht die Schauspielerin unter anderem über winterliche Dreharbeiten im Sommer. (Quelle: Cigdem Hizkan)

Seit 2018 ermittelt Almila Bagriacik im "Tatort" aus Kiel als Kommissarin Mila Sahin. Warum die Dreharbeiten zum neuesten Fall besonders herausfordernd waren und welche Art der Argumentation sie "grauenvoll" findet, erzählt sie im t-online-Interview.

Im neuen Kieler "Tatort" mit dem Titel "Borowski und die Angst der weißen Männer" (Das Erste, um 20:15 Uhr) ermitteln Kommissar Klaus Borowski (Axel Milberg) und Kommissarin Mila Sahin (Almila Bagriacik) innerhalb der Incel-Bewegung. Incel ist die Abkürzung für "involuntary celibate", zu Deutsch: unfreiwilliger Zölibat. Die Männer, die dieser Subkultur angehören, organisieren und radikalisieren sich in Internetforen und geben Frauen die Schuld an ihrem Schicksal.

Mit t-online spricht die 30-jährige Schauspielerin Almila Bagriacik über die Thematik des "Tatorts", ungerechte Gehaltsverhandlungen und Herausforderungen, die eine coronabedingte Drehpause mit sich brachte.

t-online: Frauenhass und Rassismus. Das ist harter Tobak im neuen Kieler "Tatort".

Almila Bagriacik: Der Film ist nicht ohne und zwingt den Zuschauer, sich mit den Themen auseinanderzusetzen. Man kommt gar nicht drumherum.

Der Film dreht sich um die sogenannte Incel-Subkultur. Wie wichtig finden Sie es, dass solche Themen in einem Sonntagabendkrimi behandelt werden?

Ich finde das unglaublich wichtig, da wir mit dem "Tatort" Millionen Menschen in ihren Wohnzimmern erreichen. Ich selbst habe mich mit dem Thema zum ersten Mal nach den Anschlägen in Halle und Hanau auseinandergesetzt und habe dann auch versucht, mich dazu zu positionieren mit einer Roten-Teppich-Aktion bei der Berlinale. Als wir dann das Drehbuch zum "Tatort" bekamen, war ich umso glücklicher zu sehen, dass dieses Thema nicht einfach vorbeirauscht – wir uns sowohl mit dem Frauenhass, mit dem Antisemitismus und mit dem Rassismus, der damit einhergeht, auseinandersetzen.

Besonders Frauenhass nimmt im neuen Kieler "Tatort" viel Platz ein.

Ja, aber ich finde es wichtig, dass wir nicht zu parteiisch werden und die Frau ebenfalls kritisch gezeichnet wird. Und dass man auch darüber nachdenkt, aus welchen möglichen Gründen, sich Männer der Incel-Subkultur anschließen. Wie schaffen wir es als Gesellschaft, diese Kette an Frust zu unterbrechen, damit der nicht immer weitergegeben wird. Ich glaube einfach sehr stark, dass es hier um Machtausübung, Identitätssuche und um eine Position in unserer Gesellschaft geht. Es entsteht der Eindruck, dass Angehörige einer solchen Subkultur sehr einsame Menschen sind, die sich in einer Synergie wohlfühlen wollen und auf der Suche nach einer gemeinsamen Kraft sind.

Sie haben von Ihrer Berlinale-Aktion erzählt. Wie nutzen Sie Ihre Reichweite auf Instagram für solche gesellschaftlichen Angelegenheiten?

Auf Instagram positioniere ich mich definitiv auch. Aber ich versuche nicht, den Leuten meine Meinung aufzudrängen. Ich finde es wichtig, den Menschen die Möglichkeit zu geben, sich selbst damit auseinanderzusetzen und sich eine eigene Meinung zu bilden. Ich finde Social Media super, weil man dadurch in die Kommunikation tritt. Vorausgesetzt, es wird richtig genutzt.

Sie haben auf Instagram auch auf das Thema häusliche Gewalt aufmerksam gemacht.

Ja, denn gerade zu Zeiten von Corona ist das sehr präsent. Darüber müssen wir sprechen und die betroffenen Menschen wissen lassen, dass sie nicht allein sind und dass man sich nicht dafür schämen muss, wenn einem häusliche Gewalt widerfährt. Dadurch entsteht eine paradoxe Herangehensweise. Dass man die Schuld bei sich sucht, empfinde ich grundsätzlich als einen gesunden Gedankengang. Aber wenn dir Gewalt angetan wird, dann musst du dich davon distanzieren, sei es körperlich oder verbal.

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Ich komme noch mal zurück zur Thematik des "Tatorts". Da fallen auch gegen Ihre Rolle, Kommissarin Mila Sahin, sexistische Sprüche. Sie lässt das souverän an sich abprallen. Wie gehen Sie mit solchen Situationen um?

Ich habe mir für Mila diesen souveränen Umgang gewünscht, weil sie eine Vorbildfunktion als "Tatort"-Kommissarin hat. Privat versuche ich stets entschärfend zu reagieren, indem ich nicht groß auf solche Sprüche eingehe. Ich glaube, dieser Umgang ist eine Gemeinsamkeit von Mila und mir.

Inwiefern ist es schwierig für Sie persönlich, solchen Hass und solche Sprüche gegen Ihre Rolle an sich abprallen zu lassen?

Mein privates Empfinden hat nichts in der Rolle Mila verloren. Ich kann ihr nur mit Erfahrungen dienen, die ich selbst gemacht habe. Aber Mila muss selbst entscheiden, inwieweit sie das an sich heranlässt. Da eine klare Grenze herzustellen, ist manchmal eine Herausforderung.

Welche Erfahrungen haben Sie denn gemacht?

In meinem Privatleben oder bei der Arbeit am Set habe ich bislang keine Erfahrung gemacht mit solchen Sprüchen, weil wir uns alle auf Augenhöhe begegnen – weshalb wir uns auch alle am Set duzen, egal wer wie alt ist.

Vor drei Jahren hatte ich aber in einer Gagenverhandlung die Situation, in welcher argumentiert wurde, dass ein Schauspielkollege weniger verdienen würde als ich. Dass eine höhere Gage für mich deshalb nicht möglich wäre. In dieser Art und Weise zu argumentieren, finde ich grauenvoll. Wir werden eingestuft durch unsere Leistung: Je mehr wir drehen, öffentlich-rechtlich oder je nach Projekt und Rolle, steigt unsere Gage und diese kann nicht mit Geschlechtern bemessen werden. Da reagiere ich schon allergisch drauf.

Axel Milberg bekommt also sowieso aufgrund seiner Erfahrung und nicht aufgrund seines Geschlechtes eine höhere Gage beim "Tatort".

Ja, beim "Tatort" hatte ich noch nie Schwierigkeiten. Axel Milberg ist einfach ein gestandener Schauspieler, der in Deutschland und international in Film und Fernsehen so viel beigetragen hat. Da hat sich die Gage aufgrund der Leistung entwickelt. Das finde ich absolut fair. Für mich ist es immer ein Geschenk, mit Axel Milberg arbeiten zu können. Er ist eine große Bereicherung, sowohl als Kollege als auch menschlich. Da komme ich gar nicht in die Bredouille, dass ich anfange zu vergleichen.

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Milbergs Rolle des Kommissars Borowski kommt im "Tatort" als Feminist daher. Heutzutage sind zum Glück viele Männer Feministen.

Weil sie verstehen, dass es eben nicht gegen Männer geht, sondern für Frauen. Das ist der Unterschied.

Aber warum sträuben sich Ihrer Erfahrung nach immer noch Männer gegen das Thema?

Ich glaube, wir Frauen müssen einfach in unserer Kommunikation über den Feminismus auch Männer abholen. Ich finde Slogans oder Postings, die aussagen, dass sich Feminismus nicht gegen Männer wendet, wichtig, um ein Bewusstsein dafür zu schaffen. Das findet zum Glück statt und ich glaube, deswegen haben wir mittlerweile viel mehr Befürworter, weil verstanden wird, dass es um Gleichheit geht.

Man(n) muss sich auf das Thema einlassen, sich damit beschäftigen.

Total und Man(n) braucht sich nicht angegriffen fühlen. Es ist aber auch wichtig, dass wir Frauen nicht vergessen, dass es um Gleichheit geht. Als wir mit dem Film "Nur eine Frau" auf Kinotour waren, in dem eine starke Frau abgebildet wird, ist mir bei zugehörigen Gesprächen aufgefallen, wie viel in einigen Frauen brodelte und wie dann so ein Geschlechterhass losging. Das ist ungesund. Ich glaube, dass diese Schlenker uns vom Hauptziel abbringen, weil wir versuchen müssen für Gleichheit zu sorgen und nicht Macht auszuüben. Sonst sind wir kein Stück besser, als diejenigen, die wir kritisieren.

Im "Tatort" waren auch Anfeindungen im Netz Thema. Haben Sie mit sowas Erfahrung?

Zu 99 Prozent sind alle Feedbacks und Nachrichten, die ich auf Social Media bekomme, positiv. Mir folgen auch mehr Frauen als Männer, was für mich schön ist, weil ich merke, dass die Filme, die ich mache, den Frauen etwas geben. Ich liebe es mit ihnen in Kommunikation zu treten, schreibe auch mit vielen. Die ein Prozent an Menschen, die irgendwas total Banales schreiben oder mich anmachen auf Instagram, kann man auch gekonnt ignorieren, blockieren, melden und fertig. Ich finde es unnötig, da ins Gespräch zu treten und mich zu verteidigen oder jemanden zu belehren.

Das ist wahrscheinlich sowieso verschwendete Energie.

Ja, total.

Der "Tatort" wurde vom ersten Corona-Lockdown gespalten. Welche Schwierigkeiten brachte diese große Pause mit sich?

In dieser Pause habe ich tatsächlich acht Kilo abgenommen. Da hat uns etwas Angst gemacht, wegen des Anschlusses. Aber Gott sei Dank hatte ich Winterklamotten an, die sehr locker saßen. Was aber auch Nachteile mit sich gebracht hat. Wir haben im Winter angefangen zu drehen und im Frühling weitergemacht. Mit den Winterklamotten war es sehr warm, dazu kam die Maske. Aber wir haben es geschafft. Das war für uns alle eine neue Erfahrung. Wir wurden auch alle zwei Tage getestet, damit wir Schauspieler ohne Maske miteinander spielen können. Aber wenn zum Beispiel ein Kollege oder eine Kollegin ein Close-up hatte, stand ich hinter der Kamera mit Maske.

Warum haben Sie denn acht Kilo abgenommen?

Ich habe in der Zeit tatsächlich viel Sport gemacht. Ich mache Anti-Gravity-Yoga, das macht man mit einem Tuch und man merkt kaum, dass man Sport macht. Es ist schon anstrengend, aber es macht so viel Spaß. Ich bin von dem Ding irgendwann kaum noch runtergekommen, weil mich das in der ersten Lockdown-Phase einfach entspannt hat. Es hat mir sehr gut getan und mir auch in der Körperlichkeit, in der Kampfszene geholfen, die wir nach der Unterbrechung noch gedreht haben.

Der neue "Tatort" aus Kiel mit dem Titel "Borowski und die Angst der weißen Männer" läuft am Sonntag, den 7. März 2021 wie gewohnt um 20:15 Uhr im Ersten.

Verwendete Quellen
  • persönliches Gespräch mit Almila Bagriacik
  • "Tatort: Borowski und die Angst der weißen Männer": Vorabsichtung
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