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Skandal um Ex-RBB-Chefin: Patricia Schlesingers Bärendienst


Frau Schlesingers Bärendienst

  • Steven Sowa
Von Steven Sowa

Aktualisiert am 08.08.2022Lesedauer: 5 Min.
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Patricia Schlesinger: Ihr Wirken wird den RBB noch lange beschäftigen, weit über ihre Beschäftigung hinaus.Vergrößern des Bildes
Patricia Schlesinger: Ihr Wirken wird den RBB noch lange beschäftigen, weit über ihre Beschäftigung hinaus. (Quelle: IMAGO / Michael Handelmann)

Patricia Schlesinger hat ihre Fernsehposten verloren. Doch die Affäre dürfte weitreichende Folgen für die Öffentlich-Rechtlichen haben.

Patricia Schlesinger hat Schaden angerichtet. So viel lässt sich jetzt schon festhalten. Da sind zum einen die unschönen Schlagzeilen: Die RBB-Intendantin räumt erst ihren ARD-Vorsitz und schließlich ihren Chefposten beim Rundfunk Berlin-Brandenburg. Immer neue Vorwürfe tauchen auf. Inzwischen ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Untreue und Vorteilsannahme. Mehr zu den Details lesen Sie hier.

Doch die Kosten dieser "Affäre Schlesinger" könnten noch viel größer sein. Sie werden sich nicht in Quittungen bemessen lassen oder in Spesenrechnungen auftauchen. Denn was Patricia Schlesinger mit ihrem Verhalten angerichtet hat, kostet noch etwas anderes: Vertrauen. Für den RBB ist das ein riesiges Problem, doch auch für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk insgesamt ist es ein Dilemma. Denn das vom Rundfunkbeitrag finanzierte Informationsangebot der Sender rund um ARD und ZDF fußt auf dem Vertrauen der Menschen, ein unabhängiges, seriöses und fundiertes journalistisches Programm präsentiert zu bekommen.

Patricia Schlesinger wird zum Symbol

Nun steht die Frage im Raum: Wer soll einem System vertrauen, in dem eine Frau wie Schlesinger offenbar schalten und walten konnte, wie sie wollte? Das jedenfalls ist der Eindruck in der Berichterstattung. Schlesinger selbst bestreitet viele der Vorwürfe, spricht inzwischen nicht mehr öffentlich – mit einer Ausnahme. Aber dazu später mehr.

Patricia Schlesinger ist etwas gelungen, was nur wenigen anderen Chefs ihrer Güteklasse gelingt: Sie strahlt nun weit über die rbb-Intendanz hinaus – sie wird zu einem Symbol für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Oder haben Sie schon einmal etwas von Karola Wille gehört? Von Katja Wildermuth oder Florian Hager? Von Joachim Knuth vielleicht? Auch nicht? Sie alle sind Intendanten von ARD-Rundfunkanstalten. Doch sie wirken im Hintergrund, vertreten MDR, BR, HR und NDR, planen deren Zielvorgaben – und verfügen dabei allesamt über ein größeres Budget als der RBB.

Doch in den Medien steht seit Wochen Frau Schlesingers Name. Sie könnte dabei nicht nur ihrem Haussender, sondern den Öffentlich-Rechtlichen insgesamt einen Bärendienst erwiesen haben. Einen Dienst, der lange über ihre Beschäftigung hinausgehen dürfte. Angetreten ist sie mit dem Vorhaben, Netzwerke zu bilden, ihren Sender nach Außen wie nach Innen besser aufzustellen, und das unter anderem bei Dinners in den eigenen vier Wänden zu tun. So hatte sie es zuletzt noch in einem Interview erklärt. Wörtlich heißt es dann im "Tagesspiegel": "Die neun Treffen hatten das Ziel, den RBB besser in der Stadt zu verankern, es ging also wirklich und ausschließlich um die Interessen des Senders."

Was Schlesinger also offenbar passiert ist, entspricht exakt der Definition des Begriffs "Bärendienst": Dieser sei laut Duden eine Handlung, "die einem anderen, zu dessen Nutzen sie gedacht war, schadet". Schlesingers Bärendienst wäre demnach: den RBB besser dastehen lassen zu wollen – und dabei gleich den ganzen öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Misskredit zu bringen.

Skandalös oder alles im Rahmen des Erlaubten?

Zumal ihr Abgang beim RBB Fragen aufwirft. In der Mitteilung zu ihrem Rücktritt spricht sie von "persönlichen Anwürfen und Diffamierungen". Diese seien ausschlaggebend für ihre Entscheidung. Es sind also nicht ihr Verhalten, angebliche Fehler oder womöglich unangemessenes Handeln, nein: Der Druck von Außen zwinge sie zum Aufgeben – so der Tenor. Schon in einem früheren Interview hatte Schlesinger betont, "nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt" zu haben, auf die Compliance-Verordnung beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk verwiesen. Was hängen bleibt: Ihre Taten seien im Rahmen der Institution gar nicht skandalös gewesen.

So gelingt es aber nicht, den Schaden für das öffentlich-rechtliche Rundfunksystem zu begrenzen. Im Gegenteil. Wer dieser Tage mit Mitarbeitern von ARD und ZDF über die Affäre Schlesinger spricht, hört oft die gleichen Klagen: Es sei "übel, peinlich, schädlich", was Patricia Schlesinger angerichtet habe, berichtet t-online ein Festangestellter, der lieber anonym bleiben will. Das Urteil einer "katastrophalen Außenwirkung" fällt. Und wer kann da widersprechen?

Jedes Detail wird zum nächsten Skandal

Sinnbildlich dafür steht, wie nun die "Bild"-Zeitung eine Schlagzeile nach der anderen produziert. Es ist kein Geheimnis, dass das öffentlich-rechtliche System der Boulevardzeitung ein Dorn im Auge ist. Mit Vorliebe stürzt man sich dort auf die angebliche "Bräsigkeit" von ARD und ZDF, startet mit Bild TV einen eigenen Nachrichtensender, um der öffentlich-rechtlichen Konkurrenz mit Lautstärke und Schnelligkeit zu begegnen. Dass dieses Vorhaben immer wieder auch katastrophal nach hinten losgeht: geschenkt.

Doch jetzt werden in großen Lettern auch eher normale Vorgänge skandalisiert, ein Massenpublikum bekommt die Öffentlich-Rechtlichen als Sündenpfuhl präsentiert. Am vergangenen Wochenende heißt es dort: "So kaputt sind die Öffentlich-Rechtlichen". Von der "Zwangsgebühr" ist die Rede. Eine Umfrage habe ergeben, "84 Prozent der Deutschen" wollen eine Abschaffung der 18,36 Euro, die jeder Haushalt monatlich zahlen muss.

Man könnte konstatieren: Schlesingers Bärendienst schlägt Wellen. Unfreiwillig hat sie eine Debatte losgetreten, die man bei ARD und ZDF längst überwunden glaubte. Die Diskussionen, es müsse doch auch mit weniger Geld gehen, die Sender seien viel zu groß, es solle endlich das öffentlich-rechtliche System verschlankt und überarbeitet werden. Das sogenannte "GEZ-Bashing" hat immer Konjunktur in einer Zeit, in der es um die nächste Beitragserhöhung geht. Doch die steht gar nicht an – und dennoch: Selten war die Kritik so laut und aufgebracht wie jetzt.

Nun heißt es in aufgeregten Kommentaren, die Aufsichtsgremien müssten "unser verschwendetes Gebührengeld auf Euro und Cent zurückverlangen" und im "Handelsblatt" wird plötzlich von angeblichen Plänen geraunt, MDR und NDR sollen den RBB übernehmen. Ein FDP-Politiker namens Stefan Förster darf dort anmerken: "Mit einem gemeinsamen dritten Programm mit NDR oder MDR lässt sich viel Geld sparen und der Sender entlasten."

Leidet die Akzeptanz und Glaubwürdigkeit?

Der Schaden für das Rundfunksystem, in das der RBB eingebettet ist, wächst von Tag zu Tag, sind sich Experten sicher. "Das ist die stärkste Krise, die der öffentlich-rechtliche Rundfunk gerade durchmacht", erklärt der Medienjournalist Jörg Wagner ausgerechnet im RBB-Programm "Inforadio" und fügt an: "Die Geschichte hier hat wirklich das Potenzial, auf ziemlich lange Zeit die Akzeptanz für einen beitragsfinanzierten Rundfunk extrem zu senken."

Wer Vertrauen verspielt, sägt an der eigenen Existenzgrundlage. Schließlich haben ARD und ZDF unter anderem die Aufgabe, von Werbeeinnahmen losgelöst den Mächtigen auf die Finger zu schauen. Wer auch immer auf Patricia Schlesinger folgen wird, erbt also eine Mammutaufgabe. Das Image polieren, ist das eine. Wirklich glaubhaft an den richtigen Stellschrauben zu drehen, das andere. Vielleicht kann das nur funktionieren, wenn der Sender eine Transparenzoffensive einläutet, seine Zuschauerinnen und Zuschauer bei einer schonungslosen Aufklärung der Sachverhalte mitnimmt.

Das Investigativteam von "Kontraste", eines der Prestigeprojekte beim RBB und für seine journalistische Arbeit vielfach gelobt, fällt einem da ein. Im eigenen Haus fragwürdige Praktiken aufdecken, das hat es so noch nicht gegeben – aber Patricia Schlesingers Verhalten unter die Lupe zu nehmen und nach ihrem Abgang einen Teil zur Aufklärung beizutragen, wäre ein Schritt hin zu der Glaubwürdigkeit, die die öffentlich-rechtlichen Sender nun erst einmal wieder zurückgewinnen müssen.

Verwendete Quellen
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