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Sixt-Vorstand im Interview: Chinesen bestimmen Schicksal unserer Autoindustrie


Deutschlands wichtigster Autokäufer
"Wir laufen Gefahr, das Schicksal der Autoindustrie in chinesische Hände zu geben"

InterviewVon Markus Abrahamczyk

Aktualisiert am 29.04.2019Lesedauer: 5 Min.
Interview
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Der Gesprächspartner muss auf jede unserer Fragen antworten. Anschließend bekommt er seine Antworten vorgelegt und kann sie autorisieren.

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Alexander Sixt (links): Zusammen mit seinem Bruder Konstantin bildet er die vierte Generation der Autoverleiher.Vergrößern des Bildes
Alexander Sixt (links): Zusammen mit seinem Bruder Konstantin bildet er die vierte Generation der Autoverleiher. (Quelle: Sven Simon/imago-images-bilder)

Sixt ist nicht nur Deutschlands größter Vermieter, sondern auch der wichtigste Kunde der Autoindustrie – die ihm manipulierte Neuwagen verkaufte. Alexander Sixt spricht mit t-online.de über die Dieselkrise und unsere Mobilität von morgen.

Aus drei Autos vor mehr als 100 Jahren wurde eine Viertelmillion: Deutschlands größter Autovermieter steckt fast sieben Milliarden Euro in seinen Fuhrpark – Jahr für Jahr. Das macht Sixt zu einem der wichtigsten Autokäufer weltweit. Man kann also behaupten: Das Wort der Verleiher aus München hat in der Autobranche einiges Gewicht.

Die wichtigsten Sixt-Partner heißen Audi, BMW und Daimler – Namen, die eng mit dem Dieselskandal verbunden sind. Auch dem Großabnehmer Sixt wurden manipulierte Autos angedreht. Schlechte Stimmung also zwischen dem Verleiher und seinen Partnern, den milliardenschweren Autobauern? Und wie sieht der Großkunde die Hinwendung zum Elektroauto?

Alexander Sixt (39), Vorstand für Strategiefragen und Sohn des Firmenlenkers Erich Sixt, spricht mit t-online.de über die Dieselkrise und E-Auto, Tesla und die Sinnhaftigkeit von 250 verschiedenen Carsharing-Apps.

t-online.de: Im Zuge des Dieselskandals haben deutsche Hersteller unzählige manipulierte Autos verkauft. Auch an Ihr Unternehmen. Wie sind Sie auf diese Autobauer zu sprechen?

Alexander Sixt: Klar ist, dass wir eine jahrzehntelange strategische Partnerschaft haben: Die Mehrheit unserer weltweit rund 270.000 Autos kommen von BMW, Daimler und den Volkswagen Konzernmarken. Damit gehören wir weltweit zu den größten Fahrzeugabnehmern dieser Unternehmen und haben zudem zahlreiche gemeinsame strategische Projekte. Auf unser Geschäft hat der Dieselskandal aber keine großen Auswirkungen gehabt.

Das ist Sixt
Mit drei Autos beginnt die Sixt-Geschichte im Jahr 1912. Gut 100 Jahre später brachte der heutige Vorstandsvorsitzende Erich Sixt (75) das Unternehmen 2013 an die Börse. Die Familie hält 58 Prozent der Stimmrechte. Nach Stationen bei der Deutschen Bank und bei der Unternehmensberatung Roland Berger stieg Alexander Sixt in das Unternehmen ein. Auch sein jüngerer Bruder Konstantin ist im Vorstand, er verantwortet den Vertrieb. 2011 gründen Sixt und BMW das Carsharing-Angebot DriveNow, aus dem der Verleiher Sixt 2018 mit 270.000 Mietwagen einen Umsatz von 2,9 Milliarden Euro erwirtschaftete und 439 Millionen Euro Gewinn. Damit wurde Europcar als größter Verleiher in Europa überholt.

Verständlich, dass Sie keinen Groll verspüren. Dennoch: Selbst die Hersteller sprechen von verlorenem Vertrauen, das sie zurückgewinnen müssten. Bei Ihnen nicht?

Nein, überhaupt nicht. Man darf auch nicht vergessen, unter welchem Druck ein Automobil-Manager derzeit steht: Die ökologische Wende, Stichwort Elektromobilität; die Aufarbeitung des Dieselskandals; das autonome Auto; die Mobilität der Zukunft; der allgegenwärtige Kosten- und Absatzdruck. Der Job eines Auto-Managers ist derzeit wirklich umfangreich.

Erst nach dem eigenen Skandal scheint sich die deutsche Autoindustrie stärker der Elektromobilität zuzuwenden. Haben sich auch Ihre Sichtweise und die Nachfrage der Kunden geändert?

In der klassischen Autovermietung werden Autos im Schnitt für zweieinhalb Tage gemietet. Da ist den Kunden die Reichweite besonders wichtig. Darum ist die Nachfrage hier nach E-Autos relativ gering. Beim Carsharing ist die Anmietdauer kürzer, man bleibt meist innerhalb der Stadt. Hier machen E-Autos rund 15 Prozent unserer Flotte aus, die Nachfrage liegt sogar bei 30 bis 35 Prozent. Die Kunden suchen also aktiv nach den Elektroautos.

Teilen Sie diese Lust aufs Elektroauto?

Ein Elektroauto zu fahren macht mir großen Spaß – mich fasziniert hier vor allem die Leistung der Ingenieure. Ob der Fokus auf das Elektroauto jedoch gesamtwirtschaftlich die richtige Stoßrichtung ist, wage ich persönlich sehr stark zu bezweifeln. Ich würde den anderen Antrieben auch noch eine Chance geben.

Sie meinen die Verbrenner?

Ich war schon vor Jahren ein großer Fan des Wasserstoffautos, aber danach kräht kein Hahn mehr. Ich sehe es eher aus der makroökonomischen Perspektive: Wir laufen Gefahr, das Schicksal unserer gesamten Autoindustrie in die Hände chinesischer Firmen zu geben und uns beim Thema Kobalt von ihnen abhängig zu machen – ich weiß nicht, ob das konsequent zu Ende gedacht ist.

Das Metall wird für die Akkus der E-Autos benötigt. Es wird unter bedenklichen Bedingungen zum Großteil im Kongo abgebaut. Und der wichtigste Abnehmer ist China.

Sich auf einen einzigen Rohstoff festzulegen, mit begrenzten Schürfrechten, die obendrein chinesischen Firmen gehören, das halte ich für gefährlich. Aber der Trend ist nicht mehr aufzuhalten, die Messe ist gesungen.

Ein anderer großer Trend ist das autonome Fahren.

Interessant ist, dass diese beiden Trends von Unternehmen kommen, deren Geschäftsmodell sich letztlich erst noch als erfolgreich erweisen muss: das Elektroauto von Tesla und das autonome Auto von Uber und Waymo, die ja teils selbst konstatieren, dass es sehr wohl möglich ist, dass sie niemals Gewinn machen werden. Trotzdem treiben beide Themen die gesamte deutsche Autoindustrie derzeit mächtig um.

Und Sie lassen diese Trends kalt?

Ich würde gerne mehr Elektroautos kaufen. Ganz einfach, weil der Kunde es will. Aber neben dem Problem der Ladesäuleninfrastruktur gibt es da einen weiteren Haken: Momentan bekommen wir schlichtweg zu wenige E-Autos.

Sie sind nicht nur der weltgrößte BMW-Neuwagenkunde, sondern waren mit BMW auch auf andere Weise verbunden: 2011 gingen Sixt und BMW eine Ehe ein, die 2018 geschieden wurde. BMW hat sich neu orientiert.

Ich bin sehr gespannt auf das, was kommt.

Was glauben Sie?

Dass beide da einen sehr weitsichtigen Schritt gegangen sind. Fakt ist jedoch auch, dass die Kunden in Großstädten neue Mobilitätsformen haben wollen. Andererseits ist Carsharing dabei eine Nische: Der Carsharing-Markt hat eine Größe von 1,5 Milliarden Euro, bei der Vermietung sind es 60 Milliarden.

Der gesamte Mobilitätsmarkt wird auf eine wahnsinnige Zahl geschätzt: 6,7 Billionen US Dollar. Wir freuen uns über jeden Anbieter, der dem Kunden eine Alternative zum eigenen Auto bietet. Denn das nützt natürlich auch uns. Angst vor der Konkurrenz haben wir nicht.

Eine Wahnsinnszahl haben wir auch. Schätzen Sie mal: Wie viele Apps zum Thema Carsharing findet man in einem App-Store?

Mindestens 20 bis 25.

Es sind knapp 250. Und jetzt seit drei Wochen auch noch eine aus Ihrem Haus. Wie viele werden es in fünf Jahren sein?

Gehen wir mal zurück: Anfang der 80er-Jahre gab es in Deutschland um die 12.000 Autovermieter. Heute sind es 250. Die vier größten machen fast 90 Prozent des Marktes aus. Das zeigt: Für die kleinen Anbieter wird es sehr schwierig zu überleben. Dafür gibt es viele Gründe. Nehmen wir den Finanzierungsbedarf. Wir investieren knapp sieben Milliarden Euro pro Jahr in unseren Fuhrpark. Dementsprechend ist unsere Flotte deutlich größer als andere. Der Kunde entscheidet sich meist für das beste Angebot – und für das größte.

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Ihre App vereint Mieten, Carsharing und Fahrdienste. Aber die Angebote werden sogar noch vielfältiger. E-Roller lassen sich sharen, Tretroller sind sogar im Bundestag ein Thema.

Die Mikromobilität wird ein ganz großes Spielfeld werden. Die Hälfte unserer täglichen Fahrten ist kürzer als zehn Kilometer. Dafür braucht man nicht immer ein Auto mit Vollausstattung, sondern das geht auch anders. Und das wird eine ganz spannende Herausforderung: dem Kunden für seinen jeweiligen Weg das Produkt zu bieten, das er gerade möchte. Das kann ein Auto für den Urlaub sein oder Carsharing zum Einkaufen, aber auch der Elektroroller für einen kurzen Weg zum Kiosk an der Ecke. Das alles muss man den Kunden anbieten und zwar in einer App – das wird das Entscheidende. Wer das schafft, wird eine erfolgreiche Zukunft haben. Wir sind hier durch die Integration von Autovermietung, CarSharing und Taxi in unserer Sixt App einen ersten entscheidenden Schritt gegangen.

"Ich wollte nie bei Sixt anfangen": Lesen Sie hier den zweiten Teil des Interviews.

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