Meinungsfreiheit, Trolle - Was wird aus Musks Twitter?
Berlin (dpa) - "Wenn jemand, den man nicht mag, etwas sagen darf, was man nicht mag." Das ist ein Satz von Elon Musk. Der reichste Mann der Welt, der immer wieder polarisiert, definiert hier Redefreiheit.
Die will er nach eigenen Angaben stΓ€rken und kauft sich voraussichtlich fΓΌr mehr als 40 Milliarden Dollar eines der KernstΓΌcke der weltweiten ΓΆffentlichen Kommunikation: Twitter. Viele Deutsche haben einen Account beim Kurznachrichtendienst, auch der Bundeskanzler. Wie wird sich Twitter verΓ€ndern und was heiΓt das fΓΌr die Presse- und Meinungsfreiheit in Deutschland?
Klischee: Der reiche Mann, der sich ein Medium kauft
Auf den ersten Blick wirkt der geplante Kauf durch den Tesla-Chef wie ein Klischee. Ein steinreicher (weiΓer) Mann, der sich irgendwann im Verlauf seiner Karriere ein Medium kauft. JΓΌngeres Beispiel der Mediengeschichte: Vor fast zehn Jahren etwa erwarb Amazon-Chef Jeff Bezos die renommierte Tageszeitung "Washington Post". Zieht Musk also auf Ebene der US-Tech-MilliardΓ€re nach?
Medienmarken sind attraktiv, weil sie Aufmerksamkeit generieren. Es geht auch um Meinungsmacht und Deutungshoheit. Konzentriert sich die Macht hinter Zeitungsmarken, TV-Sendern und Radiosendern auf wenige Personen oder ecken Medienmogule selbst oder ihre Medien stark an, stΓΆΓt das vielen auf. Beispiel: Der umstrittene Sender Fox News des Medienmanagers Rupert Murdoch, der Donald Trump mit den Weg ins WeiΓe Haus geebnet hat.
Doch jetzt ist etwas anders: Musk, der selbst immer wieder mit markigen und bestimmenden Worten auffΓ€llt, kauft sich mit Twitter kein klassisches Medium wie eine Zeitung oder einen TV-Sender. Er investiert in eine Plattform, auf der sich die Nutzer - nach bestimmten Regeln - frei bewegen kΓΆnnen und von sich aus agieren.
MedienhΓ€user und Twitter
FΓΌr klassische MedienhΓ€user spielt Twitter wie auch andere Netzwerke wie Facebook, Instagram oder Youtube eine groΓe Rolle. Es geht ihnen um Sichtbarkeit in der digitalen Welt. Was ist, wenn diesen MedienhΓ€usern die Bedingungen, die sich nach dem Musk-Deal verΓ€ndern kΓΆnnten, nicht mehr passen - gehen sie dann weg? Und wenn ja, wohin kΓΆnnten sie denn ΓΌberhaupt abwandern?
Deutsche Zeitschriftenverleger reagierten am Tag nach der AnkΓΌndigung des geplanten Twitter-Deals gelassen. Der GeschΓ€ftsfΓΌhrer des Medienverbands der Freien Presse, Stephan Scherzer, sprach am Dienstag auf dpa-Nachfrage zu mΓΆglichen Auswirkungen fΓΌr MedienhΓ€user von einem Blick in die Glaskugel. Die Frage nach der Pressefreiheit sieht Scherzer zunΓ€chst eher entspannt nach dem, was Musk zur Meinungsvielfalt gesagt habe. Er sagte zugleich: "Man muss sehen: Wenn dann irgendwann nur noch Tesla-Werbung lΓ€uft, dann kann man sich seine Gedanken machen. Aber ich glaube, das ist nicht die Intention." Das Ganze zeige aber, wie wichtig Kommunikation in globalem MaΓstab ist.
Verbands-Vorstandssprecher Philipp Welte ergΓ€nzte, an vielen Stellen der Medienbranche gebe es die Situation, dass in einer wirtschaftlich schwierigen Lage Oligarchen oder Magnaten ein Unternehmen ΓΌbernΓ€hmen. Der Verleger-Verband sehe es als seinen Auftrag an, die mittelstΓ€ndisch geprΓ€gte und ΓΌber Generationen gewachsene Vielfalt der Verlagslandschaft in Deutschland zu bewahren.
Was wird aus der Meinungsfreiheit?
Wie viel Musk wird in Twitter einmal stecken? "Zeit Online" ΓΌberschrieb einen Artikel mit "Megafon fΓΌr einen MilliardΓ€r", die "SΓΌddeutsche Zeitung" wΓ€hlte Online die Γberschrift: "AllmΓ€chtiger Troll".
Letztlich spitzt sich die Diskussion vermutlich auf die Frage zu, wie stark Musk Twitter nach seinen Regeln formen wird, um die von ihm propagierte Meinungsfreiheit zu schaffen. HeiΓt das dann auch, dass die Hassreden-Trolle, die von dem Netzwerk wegen des VerstoΓes gegen Regeln verbannt wurden, zurΓΌckkehren? Darf Donald Trump dann wieder twittern?
Die EU ist gerade dabei, die Macht der globalen Online-Konzerne wie Facebook oder Google, die die Medien- und Kommunikationswelt umpflΓΌgten und lΓ€ngst zu den wertvollsten Unternehmen der Welt zΓ€hlen, stΓ€rker einzuhegen. Pakete von Digitalgesetzen definieren Wettbewerbsregeln und stellen HΓΌrden fΓΌr Hassrede auf, die vor Jahren wie Unkraut wuchern konnte - als es noch keine echte Kontrolle gab. Auch Musks Twitter wird in Europa nach diesen Regeln spielen mΓΌssen, wie EU-Kommissar Thierry Breton am Dienstag betonte. "Herr Musk weiΓ das sehr gut."
Die Gewerkschaft Verdi bezeichnete die Twitter-Γbernahme als "sehr besorgniserregend". Man befΓΌrchte Hass und Desinformation unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit. Verdi-Bundesvorstandsmitglied Christoph Schmitz teilte mit: "Die AnkΓΌndigung des Tesla-Chefs, Twitter zu einer globalen Plattform fΓΌr Redefreiheit machen und angebliche EinschrΓ€nkungen der Meinungsfreiheit dort abstellen zu wollen, klingt wenig vertrauenerweckend. Sie lΓ€sst eher befΓΌrchten, dass sich Hass und Desinformation kΓΌnftig ungehindert Bahn brechen kΓΆnnen."
Der Verein Gesellschaft fΓΌr Freiheitsrechte, der sich nach eigenen Angaben fΓΌr die Durchsetzung der Grund- und Menschenrechte auch im Internet einsetzt, reagierte Γ€hnlich: "Dass Elon Musk Twitter ΓΌbernimmt, ist eine groΓe Gefahr fΓΌr unsere Gesellschaft. So viel Macht ΓΌber ein zentrales Meinungsmedium unserer Zeit gehΓΆrt nicht in die Hand des reichsten Menschen der Welt."