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Google Artist Thoka Maer: Die Bilder dieser Künstlerin sehen Millionen Nutzer


Google Artist Thoka Maer
Die Bilder dieser Künstlerin sehen Millionen

InterviewVon Steve Haak

22.04.2023Lesedauer: 6 Min.
Interview
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Der Gesprächspartner muss auf jede unserer Fragen antworten. Anschließend bekommt er seine Antworten vorgelegt und kann sie autorisieren.

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Google Doodle zum Tagebuch der Anne Frank: Der Suchmaschinenkonzern spart auch sensible Themen nicht aus.Vergrößern des Bildes
Google Doodle zum Tagebuch der Anne Frank: Der Suchmaschinenkonzern spart auch sensible Themen nicht aus. (Quelle: Screenshot / Google)

Thoka Maer ist für das Google-Logo bei besonderen Anlässen zuständig. Wie sie zum Teil sensible Themen auf die Seite bringt, erzählt sie im Interview.

Rund 620 Millionen Besucher sehen im Schnitt ihre Kunstwerke. Denn so viele Nutzer hat die Google-Startseite täglich. Die Künstlerin Thoka Maer entwirft für den Internetkonzern die berühmten Doodles für die Startseite der Suchmaschine. Das sind kleine Kunstwerke wie Bilder, Spiele oder Animationen, die zu besonderen Anlässen auf der Seite der Suchmaschine veröffentlicht werden – darunter auch das Doodle zum 75. Jahrestag der Erstausgabe des Tagebuchs der Anne Frank.

Im Interview mit t-online erzählt die gebürtige Brandenburgerin Maer, wie die Doodles auf die Seite kommen und wie es ist, als Deutsche sensible Themen für den Internetkonzern umzusetzen.

t-online: Mal ganz blöd gefragt, was bedeutet das Wort Doodle eigentlich?

Thoka Maer: Im englischen Sprachgebrauch ist es das Wort für Gekritzel, also wenn man so ein bisschen zeichnet. Das Doodeln im Englischen ist aber etwas positiver konnotiert als das Wort "Gekritzel" in Deutschland.

Und was macht ein Art Director im Doodle-Team von Google?

Als Art Director arbeite ich bei Google im Programm für Gastkünstlerinnen und Gastkünstler. Wir schlagen intern Themen für Doodles vor und stimmen uns mit den Kolleginnen und Kollegen in den unterschiedlichen Ländern darüber ab, ob das Thema lokal gut platziert ist. Als Art Director recherchiere ich dann das Thema, lege die Richtung und das Konzept fest und mache mich auf die Suche nach passenden Gastkünstlerinnen und Gastkünstlern.

Reichen Herkunft und Identität aus, um sich mit teils schwierigen Themen auszukennen?

Im besten Fall haben sie auch eine Beziehung zu dem Thema und können interessante Geschichten visuell oder narrativ entwickeln. Und dann fange ich an, mit den Künstlerinnen und Künstlern zu arbeiten. Wir gehen Schritt für Schritt den Entwicklungsprozess durch, vom Konzept über die Skizzen bis hin zum finalen Produkt. Gleichzeitig bin ich auch Ansprechpartnerin für alle internen und externen Beteiligten in dem Prozess.

Wie lange dauert die Erstellung von der Idee bis zum fertigen Doodle?

Das ist unterschiedlich. Es kommt darauf an, wie komplex das Doodle ist und was erstellt werden soll. Bei einem statischen Doodle versuchen wir, den Künstlerinnen und Künstlern so viel Zeit wie möglich einzuräumen, damit sie bei diesem Entwicklungsprozess viel ausprobieren können. Dann sind es meist so sechs bis acht Wochen Entwicklungszeit. Wir haben aber auch Doodles in Form von Videos und interaktive Geschichten zum Durchklicken. Dann gibt es auch immer wieder Doodles, die ganze Computerspiele sind, wie zum Beispiel zu den letzten Olympia-Wettkämpfen oder jedes Jahr zu Halloween. Da ist es dann ein viel längerer Entwicklungsprozess.

Was sind denn die größten Herausforderungen bei der Erstellung eines Doodles?

Wir befassen uns mit Themen, die teilweise äußerst sensibel, sozial und kulturell relevant sind. Da muss man erkennen können: Was ist die Nachricht, die wir transportieren wollen? Was ist relevant für das Thema? Es geht ja bei den Doodles primär um eine Geschichte, die wir erzählen wollen. Wir gestalten Doodles, die das Interesse der Nutzerinnen und Nutzer wecken soll, mehr zu dem Thema zu erfahren. Und in jedem Land ist die Erwartungshaltung der Bewohnerinnen und Bewohner ganz unterschiedlich, allein kulturell bedingt.

Wenn Du ein Doodle selber erstellt, wie arbeitest du dann und was inspiriert dich bei deinen Entwürfen?

Meine letzten beiden großen Themen waren der Internationale Frauentag und Anne Frank (am 25. Juni 2022 war der 75. Jahrestag der Erstausgabe des Tagebuchs der Anne Frank, Anm. d. Red.). Als Deutsche war es etwas ganz Besonderes, an einem Doodle über Anne Frank arbeiten zu können. Die Herausforderung dabei war, wie ich diese vielen schon bekannten Geschichten über sie interessant aufbereiten kann. Da muss man verschiedene Aspekte schon früh im Arbeitsprozess bedenken und überlegen, wie sie sich visuell lösen lassen.

Welche waren das?

Für mich war bei Anne Frank klar, dass ich die Geschichte so erzählen will, wie Anne sie selbst niedergeschrieben hat. Und auch visuell wollte ich meine Entwürfe an ihr Tagebuch anlehnen. So haben wir uns entschieden, aus dem Tagebuch Textstücke zu nehmen, was wir sonst nicht machen. Normalerweise kommen die Doodles ohne Text aus. Beim Anne-Frank-Doodle gibt es sogar drei Ebenen – den Text, die Zeichnung im Hintergrund und Fotos. Die Bilder basieren teilweise auf realen Fotos, teilweise aber auch auf fiktionalen Aufnahmen basierend auf Annes Texten. Als Künstlerin muss ich darauf achten, dass auch Kinder die Google-Suche nutzen. Und ich muss die Geschichte von Anne Frank so erzählen, dass niemand dadurch traumatisiert wird, weil er etwas Ähnliches erlebt hat wie Anne und durch das Doodle getriggert werden könnte. Das ist eine herausfordernde, aber auch interessante Aufgabe.

Bist du für die Recherche an Anne Franks Wohnort nach Amsterdam geflogen?

Leider nein, weil ich das Doodle während der Hochphase der Pandemie bearbeitet habe. Ich war aber ein paar Jahre vorher schon im Achterhuis, dem Versteck von Anne Frank, und habe mir das angeschaut. Und wir haben eng mit dem Anne Frank Fonds in der Schweiz zusammengearbeitet. Dort hat man uns von Anfang bis Ende beratend zur Seite gestanden. Bei jedem einzelnen Schritt haben wir nachgefragt, was sie davon halten. Ist es real? Ist es authentisch? Ist das relevant? Ist das ehrlich? Gerade bei Themen, die sensibel sind, verlassen wir uns sehr stark auf Expertinnen, Experten, Beraterinnen und Berater, die mit dem Thema vertraut sind.

Gibt es bestimmte Vorgaben von Google, die du als Art Director einhalten musst, oder darfst du dich austoben?

Wir können uns bei Google auf jeden Fall sehr gut ausleben und haben viel kreativen Freiraum, den man so aus der Industrie nicht gewohnt ist. Wir setzen uns selbst aber ethische und moralische Richtlinien, die wir einhalten und die wir auch regelmäßig kontrollieren. Das ist wichtig, um respektvoll mit Themen, Gruppen und den Nutzerinnen und Nutzern umgehen zu können. Wir wollen positiv sein und möchten, dass sich die Leute in unseren Arbeiten wiederfinden, sodass es sich gut anfühlt.

Gibt es ein Doodle, bei dem Du überrascht warst, dass Du das erstellen durftest?

Wir erzählen nicht nur Geschichten von Leuten, die eine breite Bekanntheit haben, wie beispielsweise Anne Frank. Für mich am überraschendsten ist es vor allem, wenn es um Personen geht, die ich vorher nicht kannte oder bei denen ich nicht wusste, wie relevant sie waren und was für unglaublich große Beiträge sie geleistet haben. Manchmal sind sie einfach durch andere geschichtliche Ereignisse verdrängt oder vergessen worden. Und dann passiert es, dass wir ein Doodle erstellen und daraufhin ein Wikipedia-Artikel zu dieser Person überarbeitet oder neu angelegt wird. Oder Leute schreiben uns E-Mails und bedanken sich, weil sie vorher noch nie von der Person gehört haben. Das haben wir tatsächlich sehr häufig.

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Hast du ein Beispiel?

Eines meiner ersten Doodles, an denen ich gearbeitet habe, war so eine Überraschung für mich. Das war auch ein deutsches Thema, zu dem ich mit der deutschen Künstlerin Lihie Jacob zusammengearbeitet habe. Es ging um Sidonie Werner, eine jüdische Frau, die sich Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts aktiv in Hamburg für Kinder und Frauen eingesetzt hat. Sie war speziell in diesem Umfeld sehr einflussreich. Wenn man aus Deutschland kommt, dann kennt man bestimmte Teile der jüdischen Geschichte in Deutschland, aber eben nicht solche spezifisch lokalen Momente, die nicht mit dem Holocaust in Verbindung stehen. Ich fand es total spannend, mal eine andere Perspektive auf das jüdische Leben in Deutschland zu bekommen. Und das war auch so ein Fall, wo der Wikipedia-Artikel noch mal erweitert wurde, nachdem wir das Doodle veröffentlicht hatten.

Gibt es Doodles, die jährlich immer wieder kommen oder wird bei wiederkehrenden Anlässen immer neu gestaltet?

Wir haben jedes Jahr wiederkehrende Themen in allen möglichen Ländern. Das sind hauptsächlich viele nationale Feiertage, wie in Deutschland der 3. Oktober. Das sind dann Themen, die wir jedes Jahr wieder bearbeiten. Das ist immer spannend, weil man jedes Jahr eine andere Geschichte erzählen kann.

Und macht dann ein Art Director oder Künstler jedes Jahr denselben Feiertag oder ist das egal?

Das kommt schon vor. Ich bin seit fast zwei Jahren im Team und habe viele deutsche Themen behandelt. Aber das kann natürlich auch jemand anderes übernehmen. Ich wäre dann aber immer noch die Person, die man um Rat fragen würde, da ich den regionalen Kontext habe.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
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