Auch Rentner sind steuerpflichtig – es greift die nachgelagerte Besteuerung. Zu dieser Regelung sollte bereits 2020 ein Urteil fallen. Wird die Rentenbesteuerung also bald gekippt?
In Deutschland gibt es jede Menge Steuern: Einkommensteuer, Mehrwertsteuer, Erbschaftsteuer, Hundesteuer, Kirchensteuer, Abgeltungsteuer und, und, und ... Was viele dabei nicht wissen: Auch Renten in Deutschland werden besteuert.
Seit 2005 gilt eine sogenannte nachgelagerte Besteuerung. Kurz gesagt heißt das: Rentner sollen nicht während ihres Erwerbslebens Steuern auf ihre Renten zahlen, sondern für ihre Rentenzahlungen im Alter. Doch diese Rentenbesteuerung ist möglicherweise verfassungswidrig – entsprechende Verfahren werden vor dem Bundesfinanzhof (BFH) verhandelt.
Bereits 2020 sollte ein Urteil hierzu fallen. Daraus wurde jedoch nichts. t-online hat beim BFH und beim Finanzministerium nachgehakt – ob, und wenn ja, wann die umstrittene Rentenbesteuerung kippt.
Worum geht es genau?
Das Urteil dürften viele Bestandsrentner – aber auch künftige Rentner – mit Spannung erwarten. Es geht bei dem Urteil darum, ob die Rentenbesteuerung in ihrer derzeitigen Form verfassungswidrig ist.
So hatte bereits BFH-Richter Egmont Kulosa 2019 argumentiert. Für Kulosa kommt es durch die derzeitige Regelung zu einer Doppelbesteuerung der Renten (siehe unten).
Das Bundesverfassungsgericht hatte jedoch bereits 2002 angemerkt, dass eine Doppelbesteuerung zu vermeiden sei. Zurzeit sind zwei Verfahren zur Rentenbesteuerung beim Bundesfinanzhof anhängig.
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Wie funktioniert die Rentenbesteuerung?
Doch wie funktioniert die Rentenbesteuerung überhaupt? Und warum sollte sie verfassungswidrig sein?
Seit 2005 gilt in Deutschland eine nachgelagerte Besteuerung von Renten. Das heißt: Menschen sollen im Erwerbsleben entlastet werden, dafür müssen sie aber später auf ihre Renten Steuern zahlen. Dafür gilt eine Übergangsphase: Rentenzahlungen werden zunehmend besteuert, während die Beiträge zur Rente in immer größerem Maße von der Steuer abgesetzt werden können.
Es gilt deshalb: Im Erwerbsleben können Bürger ihre Beiträge für die Rente absetzen – als Vorsorgeaufwendungen, sogenannte "Sonderausgaben" in der Steuererklärung.
Fürs Steuerjahr 2005 konnten 60 Prozent steuerlich geltend gemacht werden. Mit jedem Jahr wird der Anteil um zwei Prozentpunkte größer – ab 2025 können alle Vorsorgeaufwendungen geltend gemacht werden, wie folgende Tabelle zeigt:
Im Gegenzug steigt der Anteil der Renten, der besteuert wird, ebenfalls – den steuerfreien Teil der Rente nennt man auch Rentenfreibetrag. Hier hängt die Besteuerung, der steuerpflichtige Rentenanteil, vom jeweiligen Rentenbeginn ab – und bleibt über das gesamte Rentenleben gleich hoch.
Für Menschen, die 2005 in Rente gingen, liegt der Besteuerungsanteil und der Rentenfreibetrag bei 50 Prozent. 2020 sind 80 Prozent der Rente zu besteuern und 2040 werden volle 100 Prozent erreicht. Folgende Tabelle zeigt, wie die Renten besteuert werden:
Gut zu wissen: Neben dem Rentenfreibetrag gibt es einen steuerlichen Grundfreibetrag. Dieser bezieht sich auf die Summe der Renteneinkünfte, die nach Abzug des Rentenfreibetrages übrig bleibt. Der Grundfreibetrag erhöht sich jedes Jahr ein wenig. Für das Veranlagungsjahr 2020 liegt er bei 9.408 Euro bzw.18.816 Euro für Ehepaare.
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Warum sollte die Rentenbesteuerung verfassungswidrig sein?
Hier setzt die Kritik von BFH-Richter Kulosa ein. "Es bedarf keiner komplizierten mathematischen Übungen, um bei Angehörigen der heute mittleren Generation, die um 2040 in den Rentenbezug eintreten werden, eine Zweifachbesteuerung nachzuweisen", schrieb er bereits 2019 in einem juristischen Fachblatt.
Der Grund laut Kulosa: Diese Personen müssten ihre Rentenbezüge voll versteuern, können ihre Beiträge aber nur 15 Jahre lang – von 2025 bis 2039 – voll als Vorsorgeaufwendungen absetzen. Das hält der Jurist für "evident" verfassungswidrig.
Das Bundesfinanzministerium (BMF) unter Minister Olaf Scholz (SPD) hielt sich auf Anfrage von t-online bereits Ende 2020 knapp. "Die seit 2005 geltenden gesetzlichen Grundlagen wurden seinerzeit verfassungsrechtlich geprüft", hieß es vom BMF – "und seitdem in einer Reihe von Entscheidungen des Bundesfinanzhofs und des Bundesverfassungsgerichts für verfassungskonform befunden." Das Ministerium hat also keine Bedenken angesichts der derzeitigen Steuerregelungen.
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Wann fällt das Urteil?
Ursprünglich sollte es bereits 2020 ein Urteil geben. Daraus wurde aber nichts, es war "zu Verzögerungen gekommen", sagte Volker Pfirrmann, Sprecher des Bundesfinanzhofs, zu t-online.
Nun steht aber ein Zeitraum fest, in dem das Urteil fallen könnte. "Ich rechne mit einer mündlichen Verhandlung im zweiten Quartal 2021", so BFH-Sprecher Pfirrmann. Das wäre also zwischen April und Juni. Gleichzeitig gibt Pfirrmann aber zu bedenken: "Es kann gut sein, dass die mündliche Verhandlung verschoben wird, sofern dies wegen Corona sein muss."
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Nach der mündlichen Verhandlung könnte es entweder zu einem schriftlichen Urteil oder zu einer mündlichen Urteilsverkündung kommen. Bis ein schriftliches Urteil vorliege und veröffentlicht werde, könne es bis zu drei Monate dauern, so Pfirrmann.
Anders sieht es bei einem mündlichen Urteil aus. "Ein Verkündungstermin kann dagegen am gleichen Tag erfolgen", sagte der BFH-Sprecher, "spätestens jedoch zwei Wochen nach der Verhandlung".
- Eigene Recherche
- Deutsche Rentenversicherung
- Gespräch mit Volker Pfirrmann
- Statement vom Bundesfinanzministerium
- Süddeutsche Zeitung: "Bundesrichter hält Rentenbesteuerung für verfassungswidrig"
- Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa und AFP