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Corona | Expertin zum Risiko: Diese Menschen trifft Long Covid häufig


Expertin zum Erkrankungsrisiko
Diese Menschen trifft Long Covid häufig

  • Melanie Rannow
InterviewVon Melanie Rannow

11.01.2024Lesedauer: 5 Min.
Interview
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Untersuchung beim Arzt (Symbolbild): Wer vermutet, von Long Covid betroffen zu sein, sollte sich zunächst an die Hausärztin oder den Hausarzt wenden.Vergrößern des Bildes
Untersuchung beim Arzt (Symbolbild): Wer vermutet, von Long Covid betroffen zu sein, sollte sich zunächst an die Hausärztin oder den Hausarzt wenden. (Quelle: dmphoto/getty-images-bilder)

Für viele ist Corona nach der Infektion nicht vorbei: Sie leiden an Long Covid. Eine Expertin erklärt, was sich bei der Behandlung getan hat und wie sich das Erkrankungsrisiko minimieren lässt.

Bei manchen Infizierten hinterlässt das Coronavirus Langzeitfolgen, das sogenannte Long Covid: Betroffene leiden auch Wochen und Monate nach der akuten Infektion an verschiedenen Krankheitsmerkmalen.

Jördis Frommhold, die sich seit Beginn der Pandemie mit Long Covid befasst, Patienten betreut und 2022 das "Institut Long Covid" gegründet hat, erklärt im Gespräch mit t-online, vor welchen Herausforderungen man bei der Behandlung der Krankheit immer noch steht.

t-online: Viele Menschen infizieren sich derzeit zum wiederholten Mal mit Corona. Erhöht sich denn mit jeder weiteren Infektion auch das Risiko für Long Covid?

Jördis Frommhold: Viele denken, dass wenn sie bei der ersten Infektion keine Long-Covid-Symptome hatten, es sie dann auch bei einer erneuten Ansteckung nicht treffen wird. Das lässt sich so aber leider nicht sagen.

Wir haben viele Patienten, die Long Covid erst nach einer dritten oder vierten Corona-Infektion entwickelt haben. Es ist aber nicht belegt, dass automatisch das Long-Covid-Risiko steigt, wenn man sich häufiger infiziert.

(Quelle: Jürgen Heinrich/imago-images-bilder)

Zur Person

Dr. Jördis Frommhold ist Lungenfachärztin und Expertin für Long-Covid-Erkrankungen. Sie etablierte im Jahr 2022 das "Institut Long Covid" in Rostock.

Die Anzeichen von Long Covid sind vielfältig. Mehr als 200 Symptome sind bisher bekannt – unterscheiden sich diese in Bezug auf das Alter der Betroffenen?

Die meisten Patienten liegen im Alter zwischen Anfang 20 bis Ende 50. Wir haben selten Patienten im höheren Alter. Die Symptome unterscheiden sich immer ganz individuell. Man kann nicht verallgemeinern, dass zum Beispiel Jüngere oder Ältere eher unter Fatigue (Erschöpfungssyndrom) oder Atemproblemen leiden.

Häufig trifft Long Covid Menschen, die sehr agil, dynamisch und ständig unterwegs sind. Ihnen fällt es dann umso schwerer, zur Ruhe zu kommen. Und auch das Pacing (siehe Infokasten) wird für sie oft zum Problem, weil sie es nicht gewohnt sind, sich zurückzunehmen. Aber viele müssen ihren Lebensstil wegen dieser Erkrankung anpassen.

Pacing

Pacing bedeutet, weniger zu tun, als es die Kraft gerade erlaubt. Mithilfe dieser Methode lernen Patienten einen schonenden Umgang mit ihren Ressourcen – auf körperlicher, geistiger und emotionaler Ebene. Der Begriff leitet sich vom englischen Wort "pace" für Geschwindigkeit ab.

Über welchen Zeitraum kann sich eine Long-Covid-Erkrankung ziehen?

Man kann nicht sagen, dass nach sechs oder zwölf Monaten die Beschwerden auf jeden Fall weggehen. Die Dauer hängt auch davon ab, wie früh ich mich an Stellen wende, die sich mit der Behandlung von Long Covid auskennen. Je länger man wartet und keine Hilfe erhält, desto wahrscheinlich wird es, dass die Symptome länger anhalten und chronisch werden.

Das heißt, Long Covid ist chronisch?

Ja, eine chronische Erkrankung, die nicht nach einer gewissen Zeitspanne wie weggeblasen ist. Die Patienten müssen lernen, gut mit ihr zu leben.

Noch gibt es kein spezifisches Medikament gegen Long Covid. Wie groß ist denn die Hoffnung, zeitnah einen anwendbaren Wirkstoff zu haben?

Wir nutzen schon Off-label-Medikamente (siehe Infokasten) aus anderen Bereichen. Da müssen jedoch noch Studien laufen, die den Einsatz bei Long Covid mit Evidenz belegen. Wir gehen davon aus, dass wir in Zukunft weitere Medikamente und Therapien anwenden werden. Aber ich warne davor zu glauben, dass das bereits im nächsten oder übernächsten Jahr geschieht.

Es geht eher darum, dass diese Krankheit von so vielen verschiedenen Faktoren beeinflusst wird und wir noch nicht mal die wirkliche Ursache geklärt haben. Und ohne Ursache wird es schwierig, eine kausale Therapie zu finden. Das wird noch mehr Zeit in Anspruch nehmen.

Off-label-Use

Wenn ein Medikament off-label eingesetzt wird, bedeutet dies, dass es gegen eine Krankheit verabreicht wird, für die es von den Zulassungsbehörden keine Genehmigung hat.

Sie haben das "Institut Long Covid" in Rostock etabliert. Welche Hilfen können Patienten dort erhalten?

Wir schauen uns die Patientengeschichte genau an und überlegen, was therapeutisch für den Einzelnen Sinn macht. Man muss immer eine individualisierte Therapie anbieten: Was kann man aus der Physiotherapie nutzen? Wann sollte Atemtherapie eingesetzt werden? Wir blicken auch über den Tellerrand hinaus und gucken, was die Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) bietet. Wir nutzen Medikamente, aber auch experimentelle Therapieverfahren wie Immunadsorption, Blutwäsche oder Überdrucktherapien. Das kann im speziellen Fall sinnvoll sein.

Es ist jedoch ein großes Problem, dass viele Patienten aus der Hilflosigkeit heraus glauben, dass eine bestimmte Therapie, von der sie mal gehört haben, bei ihnen wirksam sein könnte. Doch all diese Verfahren müssen immer individuell betrachtet werden. Hier fehlt es noch an Aufklärung.

Nun ist die erste Anlaufstelle meist der Hausarzt. Manche scheinen jedoch damit überfordert zu sein, die Diagnose Long Covid zu stellen und passende Therapieangebote anzubieten. Sollte der Fokus nicht darauf liegen, sie mehr zu schulen?

Ja, Ärzte sollten mehr auf dieses Krankheitsbild geschult werden. Es laufen zwar bereits viele Angebote, aber es gibt leider keinen "Zwang", dass Ärzte daran teilnehmen. Es wäre hilfreich, wenn sie eine Art Zertifizierung machen könnten. Dasselbe gilt für Reha-Einrichtungen und Kliniken. Denn es kann schädlich für Patienten sein, wenn sie an Stellen mitbetreut werden, an denen Ärzte gar nicht richtig auf Long Covid geschult sind. Und natürlich kostet das auch viel Geld – von der Gesellschaft.

Was hat sich bei der Krankheitsakzeptanz von Long Covid in den letzten Jahren verändert?

Ich befasse mich seit April 2020 mit Long Covid, und als ich im Sommer 2020 das erste Mal darüber gesprochen habe, wurde man fast gesteinigt. Da gab es überhaupt keine Akzeptanz. Das ist nun fast dreieinhalb Jahre her, und mittlerweile wurde so viel in den Medien über Long Covid berichtet, es gibt Fortbildungen und auch die Politik sieht ein, dass etwas passieren muss. Dennoch ist die Patientenversorgung noch immer nicht optimal.

Wie meinen Sie das?

Bei vielen Ärzten fehlt einfach das Lernen am Patienten. Sie müssen sie sehen, da hilft kein theoretisches Wissen aus Büchern und Vorträgen.

Sie bezeichnen Long Covid als Volkskrankheit. Wie kommen Sie zu dieser Klassifizierung?

Wir sehen immer noch viele Infizierte, und zwischen fünf und zehn Prozent entwickeln Langzeitfolgen. Das ist ein beträchtlicher Anteil Betroffener, deshalb denke ich, dass der Begriff Volkskrankheit berechtigt ist. Long Covid ist eine Krankheit, mit der sich die Gesellschaft auseinandersetzen muss. Nicht nur mit dem Umgang mit den Patienten oder mit den Behandlungen. Es stellen sich auch Fragen wie: Wie geht es mit dem Arbeitsleben weiter? Wie können die Patienten in den Arbeitsprozess integriert werden? Auch das macht eine Volkskrankheit aus.

Long Covid lässt sich nicht vorbeugen. Kann ich dennoch etwas beachten, wenn ich mich mit dem Virus infiziert habe?

Es ist extrem wichtig, sich bei jeder Infektion ausreichend auszukurieren. Denken Sie nicht: Nun bin ich zwar infiziert, habe vielleicht etwas Schnupfen, aber kann trotzdem meinen Alltag normal weitermachen. Man darf nicht leichtsinnig werden und sich zu schnell übernehmen. Denn das kann ansonsten Long Covid Vorschub leisten.

Vielen Dank für das Gespräch, Frau Frommhold!

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
Verwendete Quellen
  • Interview mit Dr. Jördis Frommhold
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