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Alkoholkonsum in der Corona-Zeit: Wie viel ist zu viel?
Bei vielen Menschen steigt der Konsum von Alkohol seit Beginn der Corona-Krise. Woran liegt das und ab wann wird das vermehrte Trinken zum Problem?
Wein, Sekt und Bier: Seit Beginn der Corona-Pandemie kaufen die Deutschen deutlich mehr Alkohol, wie Marktforscher berichten. Doch sie kaufen nicht nur, sie trinken auch zu Hause mehr Alkohol als zuvor, meinen einige. VerlÀssliche Zahlen liegen dazu aber noch nicht vor.
Dennoch: Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) warnte bereits zu Beginn der Corona-Krise vor einem erhöhten Alkoholkonsum, der in der sozialen Isolation drohen könnte.
"Alkohol wird hĂ€ufig als vermeintlicher Sorgenlöser genutzt, und es ist auch verstĂ€ndlich, dass angesichts der derzeitigen Lage Entspannung gesucht wird â in welcher Form auch immer", erklĂ€rte Christina Rummel von der Deutschen Hauptstelle fĂŒr Suchtfragen (DHS) dem "Handelsblatt". "Die Gefahr ist, dass man sich an den Konsum gewöhnt und der regelmĂ€Ăige Konsum zu einer Suchtproblematik fĂŒhren kann."
Dass die Corona-Krise die Einstellung der Menschen zu Alkohol tatsĂ€chlich beeinflusst, zeigt auch eine Veröffentlichung im Fachblatt "JAMA". Die Autoren fanden heraus, dass die Pandemie und die damit verbundenen Regeln und MaĂnahmen eine erhebliche Zunahme von unter anderem AngstzustĂ€nden, Depressionen und Medikamenten- und DrogenmissbrĂ€uchen zur Folge haben. Dazu zĂ€hlt auch Alkohol. Vor allem psychisch kranke und labile Menschen seien gefĂ€hrdet.
Wichtig: Die Behauptung, Alkohol zu trinken könne helfen, Coronaviren im Körper abzutöten, ist falsch. Denn der Alkohol gelangt ĂŒber die Speiseröhre in den Magen-Darm-Trakt. Dort kann er gegen das Virus nichts ausrichten, da dieses in der Lunge und in den Atemwegen sitzt. GrundsĂ€tzlich kann reiner Alkohol nur dazu dienen, beispielsweise FlĂ€chen von Viren zu befreien, im Körper wirkt er nicht desinfizierend.
Alkohol kann Risiko fĂŒr schweren Covid-19-Verlauf steigern
Erhöhter Alkoholkonsum schadet so gut wie jedem Organ im Körper. Vor allem die Leber als Entgiftungsorgan kann durch ĂŒbermĂ€Ăiges Trinken langfristig geschĂ€digt werden. Die Folge: Das Risiko fĂŒr Krebserkrankungen wie Mund-, Speiseröhren-, Leber-, Brust- und Darmkrebs kann durch hohen Alkoholkonsum steigen.
Der Bundeszentrale fĂŒr gesundheitliche AufklĂ€rung zufolge ist Alkohol ein Zellgift, das auch das Immunsystem schwĂ€cht. Damit könne die FĂ€higkeit des Körpers, mit Infektionen umzugehen, verringert werden. AuĂerdem erhöhe starker Alkoholkonsum das Risiko eines akuten Atemnotsyndroms. Dieses ist eine der schwerwiegendsten Komplikationen von Covid-19.
Wie viel Alkohol ist noch in Ordnung?
FĂŒr die Menge an Alkohol, die ein gesunder Erwachsener zu sich nehmen kann, ohne sich zu schaden, hat die DHS Grenzwerte ermittelt:
- So sollten MÀnner tÀglich nicht mehr als 20 bis 24 Gramm des Stoffes zu sich nehmen, was in etwa einem halben Liter Bier oder einem Glas Wein entspricht.
- Bei Frauen wird diese Höchstmarke noch tiefer angesetzt: Sie sollten tĂ€glich nicht mehr als 0,25 Liter Bier oder 0,12 Liter Wein trinken â das macht insgesamt 10 bis 12 Gramm Alkohol.
Doch auch diese Werte gelten laut DHS nur fĂŒr einen risikoarmen, also keinen risikofreien Alkoholkonsum. Zwei Tage pro Woche sollten komplett alkoholfrei sein, damit sich keine Gewöhnung einstellt, die zur AbhĂ€ngigkeit fĂŒhren kann. NatĂŒrlich ist eine Alkoholabstinenz am gesĂŒndesten.
Ab wann spricht man von AlkoholabhÀngigkeit?
AlkoholabhÀngigkeit (Alkoholismus) ist eine Erkrankung, die sich meist schleichend entwickelt. Sie kann körperliche, psychische sowie soziale Symptome hervorrufen. Prinzipiell kann jeder Mensch, der alkoholische GetrÀnke konsumiert, alkoholabhÀngig werden. In Deutschland sind rund drei Prozent der Erwachsenen davon betroffen.
Aus suchtmedizinischer Sicht ist die Unterscheidung zwischen normalem Alkoholkonsum und sĂŒchtigem Trinken oft schwierig. Laut WHO besteht eine behandlungsbedĂŒrftige AlkoholabhĂ€ngigkeit, wenn mindestens drei der folgenden sechs Kriterien in den vergangenen zwölf Monaten erfĂŒllt worden sind:
- Craving â ein starkes Verlangen oder eine Art Zwang, Alkohol zu trinken
- Kontrollverlust ĂŒber den Alkoholkonsum bezĂŒglich Beginn oder Menge
- Toleranzentwicklung gegenĂŒber der Alkoholwirkung â das heiĂt, um den gewĂŒnschten Effekt zu erreichen, mĂŒssen zunehmend gröĂere Mengen Alkohol getrunken werden
- Einengung auf das Alkoholtrinken und dadurch VernachlÀssigung anderer Interessen
- Anhaltender Alkoholkonsum trotz schÀdlicher Folgen (körperlich, psychisch oder sozial)
- Körperliche Entzugserscheinungen wie Schwitzen oder Zittern bei Reduzierung der Alkoholmenge oder Abstinenz
Selbsttest: Sind Sie alkoholgefÀhrdet?
Die DHS empfiehlt, den eigenen Alkoholkonsum â besonders in Zeiten der Corona-Krise â kritisch zu hinterfragen. Es gibt verschiedene Tests, die eine SelbsteinschĂ€tzung der GefĂ€hrdung durch Alkohol zulassen. Der CAGE-Fragebogen etwa besteht aus vier Fragen. Werden zwei davon mit "Ja" beantwortet, ist eine AlkoholabhĂ€ngigkeit wahrscheinlich:
- Haben Sie schon einmal daran gedacht, weniger zu trinken?
- Haben Sie sich jemals ĂŒber die Kritik anderer Personen an Ihrem Trinkverhalten geĂ€rgert?
- Haben Sie sich wegen Ihres Trinkverhaltens schuldig gefĂŒhlt?
- Haben Sie morgens Alkohol getrunken, um wach zu werden oder sich konzentrieren zu können?
Beratungsstellen, Hilfsangebote und weitere Informationen finden Sie bei der Deutschen Hauptstelle fĂŒr Suchtfragen.