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Corona | Laborexperte: "Bei diesen Tests haben wir ein Qualitätsproblem"


Laborexperte warnt
"Bei diesen Corona-Tests haben wir ein Qualitätsproblem"

  • Melanie Rannow
InterviewVon Melanie Rannow

Aktualisiert am 20.04.2021Lesedauer: 7 Min.
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Der Gesprächspartner muss auf jede unserer Fragen antworten. Anschließend bekommt er seine Antworten vorgelegt und kann sie autorisieren.

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PCR-Test: Er gilt als Goldstandard unter den Corona-Tests.Vergrößern des Bildes
PCR-Test: Er gilt als Goldstandard unter den Corona-Tests. (Quelle: VioletaStoimenova/getty-images-bilder)

Ein Selbsttest ist immer noch besser als gar kein Test, sagt Labormediziner Harald Renz. Doch wie viel müsste eigentlich getestet werden? Ein Gespräch über falsche Sicherheit, Testoffensiven und die Rückkehr zur Normalität.

Antigen-Test, PCR-Test, Selbsttest – Abstriche aus Nase und Rachen, aus dem vorderen Nasenbereich und Speichelproben: Was hat es mit den verschiedenen Corona-Testverfahren auf sich? Welche sind am zuverlässigsten und wie könnte der Weg aus der Pandemie aussehen? Diese Fragen beantwortet Professor Harald Renz im t-online-Interview.

t-online: Inzwischen sind immer mehr Corona-Schnelltests für zu Hause erhältlich. Was halten Sie von Selbsttestungen?

Harald Renz: Erst einmal muss man sagen: Testen als solches ist absolut sinnvoll, denn es gibt nur zwei Wege aus der Pandemie. Der eine ist Testen und der andere ist Impfen. Natürlich muss man hier aber auf die Details schauen.

Welche Details sind denn bei den Tests entscheidend?

Bei allen Testmethoden müssen wir zwei Dinge berücksichtigen: die Probennahme und die Testqualität. Wir unterscheiden also, welche Proben für diese Tests eingesetzt werden. Da gibt es den Nasen-Rachenabstrich, den Nasenabstrich, aber auch Speichelschwämmchen und Rachenspüllösungen.

Und was hat es mit der Testqualität auf sich?

Mit der Testqualität sind zwei wichtige Größen gemeint: die Sensitivität und die Spezifität. Sensitivität bedeutet, wie viel Viruslast vorhanden sein muss, damit der Test anschlägt, und mit der Spezifität beschreiben wir, wie genau der Test das Coronavirus nachweist.

Welche Testmethoden sind Ihrer Einschätzung nach von höchster Qualität?

Hier lässt sich tatsächlich eine Rangordnung aufstellen. Die Topqualität besitzt der PCR-Test. Dieser ist nach wie vor unschlagbar – insbesondere in Bezug auf die Sensitivität. Mit dem PCR-Verfahren lassen sich selbst niedrige Virusmengen mit sehr hoher Sicherheit nachweisen.

Auf der zweiten Stufe haben wir die Antigen-Schnelltests, die von geschultem Fachpersonal durchgeführt werden. Da ist der Nasen-Rachenabstrich als Goldstandard bei den Antigen-Tests ganz oben.

(Quelle: privat)


Professor Harald Renz ist Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Laboratoriumsmedizin (DGKL) und Direktor des Instituts für Laboratoriumsmedizin und Pathobiochemie, Molekulare Diagnostik am standortübergreifenden Institut der Universitätskliniken Gießen und Marburg.

In der untersten Stufe kommen die Selbsttests bei den Laien. Dabei haben wir wenig Einfluss auf die Probennahme – wir können immer nur hoffen, dass der Anwender den Test richtig durchführt. Und außerdem haben wir bei diesen Tests ein gewisses Qualitätsproblem.

Was heißt Qualitätsproblem genau?

Der Laie weiß nicht, ob die Tests von Lidl, Aldi oder aus der Apotheke von sehr ordentlicher Qualität sind oder eher von mittlerer oder schlechterer Qualität. Es gibt bestimmte Mindeststandards, die die Firmen für eine Zulassung der Tests erfüllen müssen. Aber diese sind relativ niedrig angesetzt – vor allem was die Sensitivität betrifft.

Das bedeutet, dass ein Selbsttest eine mögliche Infektion nicht so leicht aufspüren kann?

Bei den gängigen Selbsttests wird die Probe aus der vorderen Nasenhöhle entnommen. Wenn aber eine Corona-Infektion im frühen Stadium vorliegt, ist das Virus gar nicht vorne in der Nase, sondern hinten oben im Rachen. Deshalb ist der Nasen-Rachenabstrich deutlich sensitiver.

Trotzdem sage ich: testen, testen, testen. Ein Selbsttest, den Sie zu Hause oder am Arbeitsplatz durchführen, ist immer noch besser als gar kein Test.

Aber dennoch ist ein Test von geschultem Personal die sicherere Variante?

Genau, das ist ein Argument dafür, den Schnelltest lieber in einem Testzentrum, beim Arzt oder in der Apotheke durchführen zu lassen. Wer die Möglichkeit hat, sollte lieber dort hingehen und sich professionell testen lassen. Das ist deutlich besser als das Selbsttesten zu Hause am Küchentisch.

Wie lange ist das Ergebnis eines Schnelltests dann gültig?

Das ist ein wichtiger Punkt. Beim Antigen-Schnelltest ist das Ergebnis nur am Tag der Testung gültig. Wir wissen, dass die Inkubationszeit mit dem Virus zwischen vier und 14 Tagen liegt. Bei den meisten Menschen entwickeln sich Symptome zwischen vier und zehn Tagen. Doch bereits einige Tage vor Symptombeginn scheidet man schon eine ordentliche Virusmenge aus und kann das Virus weitergeben. Das heißt also, wenn ich heute ein negatives Testergebnis habe, bedeutet das nicht, dass ich morgen auch noch negativ bin. Diese ganze Dynamik muss man bei den Testungen im Blick haben.

Einmal testen pro Woche ist also wenig aussagekräftig und bietet nur für einen Moment Sicherheit …

Richtig, deswegen sollte man die Taktung der Antigen-Testung – ob nun als Selbsttest oder als professionell durchgeführter Schnelltest – deutlich herauffahren. Am besten drei Tests pro Woche oder sogar vier. Man sollte sich nicht scheuen, Testangebote zu nutzen und sich immer wieder zu testen. Nur das bringt Sicherheit.

Ein PCR-Test ist aber länger gültig als nur einen Tag?

Genau, bei der PCR-Methode ist das etwas anders. Da ist es schon sinnvoll, dass bei Fluggesellschaften oder an den Grenzen gesagt wird, dass das Ergebnis nicht älter als 48 oder 72 Stunden sein darf. Die Gültigkeitsdauer ist hier länger.

Woran liegt das?

Der PCR-Test ist viel sensitiver als der Antigen-Schnelltest. Auch sehr niedrige Virusmengen können damit schon in der frühen Phase der Infektion erkannt werden.

Bei den PCR-Testungen dauert die Laborauswertung allerdings deutlich länger. Könnte man dies beschleunigen?

Es gibt auch PCR-Schnelltests, die zum Beispiel an Flughäfen angeboten werden oder auch in einigen Kliniken zum Einsatz kommen. Die sind jedoch nicht überall verfügbar und recht teuer, da man spezielle Geräte benötigt. Da erhält man das Ergebnis innerhalb von einer Stunde.

Ansonsten bleibt nur der mühsame, harte Weg: die Probe zum Labor schicken und auf das Ergebnis warten.

Im Kanton Graubünden in der Schweiz finden seit Ende 2020 PCR-Testungen flächendeckend in der Bevölkerung statt. Was halten Sie von dieser Strategie?

Das ist ein tolles Projekt. Dort wurden in den Schulen und in den Betrieben regelmäßig Proben gesammelt und ins Labor transportiert. Die Ergebnisse der Tests wurden per Handy-App mitgeteilt.

Andere Kantone in der Schweiz bauen das jetzt auch auf, weil man erkannt hat, dass das Testen der Bevölkerung mehr Sicherheit geben kann. Und dann kann auch sukzessive bei entsprechenden Infektionszahlen das Leben wieder normalisiert werden. In Graubünden konnten zum Beispiel die Skilifte, die Hotels und auch die Restaurants in den Hotels offengehalten werden. Das dort für die Wirtschaft wichtige touristische Leben blieb aufrecht. Und es zeigt sich: Trotz dieser Öffnungen gehen die Infektionszahlen zurück bzw. stagnieren auf einem niedrigen Niveau.

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Wäre so etwas auch in Deutschland denkbar?

Das Beispiel Graubünden zeigt: Wenn man es will, kann man PCR-Testungen in der Fläche der Bevölkerung durchführen. Machbar ist das alles – aber es ist eben eine politische Entscheidung.

An den Schulen in Graubünden wurden sogenannte Pool-Tests durchgeführt. Wie wird dabei vorgegangen?

Poolen bedeutet, dass die Proben von acht oder zehn Kindern zusammengenommen werden zu einer Probe. Diese wird an das Labor geschickt und mittels PCR-Testverfahren ausgewertet. Ist das Ergebnis positiv, weiß man, dass mindestens eines der Kinder aus dem Pool das Virus in sich trägt. Dann können die übrig gebliebenen Einzelproben der Kinder erneut untersucht werden.

Mit dem Poolen reduziert man die Anzahl der durchgeführten PCR-Tests deutlich. Das ist ein sehr effizientes, kostengünstiges Verfahren, das nicht nur für Schulen und Kindergärten sinnvoll ist, sondern auch am Arbeitsplatz.

Neben den Nasenabstrichen gibt es auch Speichel- und Gurgeltests. Wie zuverlässig sind diese Verfahren im Vergleich?

Es gibt Untersuchungen, bei denen verschiedene Probennahmen in den einzelnen Testmethoden verglichen werden. Das Ergebnis lautet: Der Speicheltest ist schlechter als der Nasen-Rachenabstrich. Damit erhält man mehr falsch-negative Testergebnisse.

Und das bedeutet?

Das heißt, jemand, der eigentlich Virus ausscheidet, wird dann negativ getestet, wiegt sich in falscher Sicherheit und läuft weiter herum, bis er eventuell Symptome bemerkt. Und genau diese asymptomatischen Überträger sind die besonders gefährlichen, weil sie gar nicht ahnen, dass sie das Virus in sich tragen.

Stimmt es, dass Kinder häufig asymptomatische Überträger sind? Sie entwickeln ja oftmals keine Symptome.

Ja, die asymptomatischen Überträger finden wir vor allem in der jungen Bevölkerung – bei Schulkindern und Jugendlichen, die in größeren Gruppen zusammen sind. Der Hauptübertragungsort für das Coronavirus ist im Moment das häusliche Milieu. Zu Hause ist also die Gefahr – sie ist nicht so sehr am Arbeitsplatz. Nicht so sehr in der Schule.

Die meisten Menschen stecken sich also zu Hause an …

Richtig, wenn sie eng zusammensitzen, wenn sie nicht mehr so aufpassen, wenn sie doch mal abends Besuch haben und sich mit ein paar Freunden treffen. Deswegen kann ich überhaupt nicht verstehen, warum man die Restaurants immer noch geschlossen hält. Die Gastronomie hat so gute Schutzkonzepte in den ersten beiden Wellen entwickelt und gezeigt, dass man das Virus professionell beherrschen kann. Mir wäre es lieber, man geht zu viert ins Restaurant und verbringt dort unter Hygiene- und Schutzmaßnahmen einen netten Abend anstatt zu Hause oder demnächst am Grill im Garten ohne Abstand.

Glauben Sie, dass uns Corona-Tests noch lange begleiten werden?

Ja, Testen wird ein Stück weit Normalität werden. Genauso wie die Hygienemaßnahmen. Denn auch wenn wir Ende des Sommers alle durchgeimpft sind, sollte man nicht erwarten, dass alles wieder zur Normalität zurückkehrt. Das Virus wird nach wie vor in unserer Bevölkerung vorhanden sein – es ist damit nicht ausgerottet.

Das Virus wird auch weiterhin mutieren und wir werden uns zukünftig die Frage stellen, ob die Impfungen auf diese Mutanten ansprechen. Womöglich werden dann neue Impfstoffe entwickelt werden müssen. Und die Bevölkerung wird nach ein oder zwei Jahren nachgeimpft werden.

Das Coronavirus wird uns also noch mehrere Jahre beschäftigen.

Genau, deswegen muss man jetzt mittel- und langfristige Strategien entwickeln. Wir sollten den öffentlichen Raum wieder nutzen dürfen und in die Geschäfte oder ins Kino gehen, Restaurants und Kulturveranstaltungen besuchen und vieles mehr. All das wird man in den nächsten ein bis eineinhalb Jahren mit Teststrategien unterstützen müssen.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Renz!

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
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