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Corona | Virologe Kekulé fordert: Quarantäne unter Omikron abschaffen


"Jeder sollte sich wegen Omikron Vorräte anlegen"


Aktualisiert am 24.01.2022Lesedauer: 5 Min.
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Alexander Kekulé: Der Virologe hat klare Forderungen an die Politik.Vergrößern des Bildes
Alexander Kekulé: Der Virologe hat klare Forderungen an die Politik. (Quelle: Eventpress Stauffenberg/dpa)

Bund und Länder beraten über die aktuelle Strategie zur Eindämmung der Omikron-Variante. Was ist dazu nötig? Alexander Kekulé hat klare Forderungen.

Wie umgehen mit der Omikron-Variante des Coronavirus? Sie ist wesentlich ansteckender, aber scheint zu weniger schweren Krankheitsverläufen zu führen. Wieder berät die Politik darüber. Was sagen Experten?

Der Epidemiologe Markus Scholz von der Universität Leipzig teilte auf t-online-Anfrage mit: "Leider gibt es bezüglich des wichtigsten Parameters, nämlich wie stark die Gefährlichkeit der Omikron-Variante gegenüber Delta reduziert ist, noch sehr hohe Unsicherheiten, sodass es nicht klar ist, wie schwer die Omikron-Welle sich auf das Gesundheitssystem auswirkt. Aufgrund der zu niedrigen Impfquote kann eine erneute Überlastung derzeit nicht ausgeschlossen werden. Zudem wird es aufgrund der hohen Fallzahlen wahrscheinlich auch erstmalig zu Einschränkungen bei kritischen Infrastrukturen kommen. Ein Durchlaufenlassen der Omikron-Welle halte ich deshalb für zu riskant:"

Was sagt der Virologe Alexander Kekulé? Er wird im Interview mit t-online deutlich.

t-online: Herr Kekulé, wie beurteilen Sie unsere momentane Lage unter Omikron?

Alexander Kekulé: Infektionen mit Omikron verlaufen, entgegen den vor Weihnachten geäußerten Beurteilungen des Expertenrates und des RKI, in der Regel deutlich milder als die mit der Delta-Variante. Dies liegt nicht nur an der zunehmenden Immunisierung der Bevölkerung durch Impfungen und durchgemachte Infektionen, sondern auch an den veränderten Eigenschaften des Virus selbst.

Also prognostizieren Sie keine Überlastung des Gesundheitssystems?

Nicht in Bezug auf die Auslastung der Intensivbetten. In anderen Ländern, in denen die Omikron-Welle bereits wieder zurückgeht, kam es nicht zu Überlastungen der Intensivkapazitäten, wie sie bei uns von einigen meiner Kollegen befürchtet wird. Stattdessen konnten in Allgemeinstationen und Notaufnahmen die Patienten teilweise nicht mehr ausreichend versorgt werden.

Dies war zum einen durch eine große Zahl leichter Omikron-Fälle verursacht, die aufgrund der Warnungen von Behörden und Fachleuten trotz milder Symptome sicherheitshalber einen Arzt sehen wollten. In einigen Regionen der USA kam hinzu, dass viele Menschen zum Testen in die Krankenhäuser kamen, weil die PCR-Kapazitäten der Labore erschöpft und käufliche Selbsttest ausgegangen waren. Zum anderen, und das war die Hauptursache für die Überlastungen, fiel in der Hauptphase der Omikron-Epidemie sehr viel medizinisches Personal durch Erkrankungen und Quarantänen aus.

Alexander Kekulé ist Professor für Medizinische Mikrobiologie und Virologie an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. In der Corona-Pandemie

Wir sehen nicht die gleichen hohen Verdopplungszahlen wie in anderen Ländern. Woran liegt das?

Im Gegensatz zu fast allen anderen Industrienationen hatten wir in Deutschland bereits zu Beginn der Omikron-Welle sehr strenge Gegenmaßnahmen in Kraft gesetzt. Diese waren von Bund und Ländern im November mit großer Verspätung beschlossen worden und kamen zu spät, um auf die damalige Delta-Welle noch nennenswerten Einfluss zu nehmen. In gewisser Weise kann man also heute von Glück sprechen, dass die Politik im Herbst so spät agiert hatte.

Die Omikron-Welle wird deshalb im Vergleich zu anderen Industriestaaten bei uns flacher verlaufen. Das hat den Vorteil, dass die Inzidenz weniger stark ansteigt, also die schweren Erkrankungen, die es auch bei Omikron manchmal gibt, nicht alle auf einmal in den Kliniken auflaufen. Der Nachteil ist, dass die flachere Welle länger dauert, das heißt wir werden möglicherweise erst nach vier bis sechs Wochen damit durch sein.

Werden wir auch unter Omikron einen Anstieg der schweren und sogar tödlichen Verläufe sehen?

Ja, leider. Die wirksamste Maßnahme zur Vermeidung schwerer und tödlicher Verläufe durch Omikron wäre, das haben gerade veröffentlichte Studien der US-Gesundheitsbehörde CDC eindrucksvoll belegt, das priorisierte Boostern der Menschen ab 60 gewesen. Für diese Strategie, die ich ja vor Weihnachten dringend empfohlen hatte, ist es jetzt leider zu spät.

Stattdessen haben sich, entsprechend den öffentlichen Aufrufen, massenweise jüngere Menschen die dritte Spritze geholt, während noch fast ein Drittel der Altersgruppe über 60 nicht geboostert ist. Die bei der Omikron-Variante weniger häufigen, aber trotzdem unvermeidbaren Todesopfer werden weit überwiegend älter als 60 Jahre und entweder geimpft ohne Auffrischung oder ganz ohne Immunschutz sein.

Wenn die Überlastung der Intensivkapazitäten nicht mehr unser größtes Problem ist, was ist es dann?

Nach meiner Beurteilung stellt der Ausfall von Mitarbeitern in der Krankenversorgung, in der kritischen Infrastruktur und auch in anderen Bereichen des Arbeits- und Soziallebens für die Gesamtbevölkerung eine größere Gefahr dar als eine Überlastung der Intensivkapazitäten.

Unsere im Vergleich zu vergleichbaren Ländern etwas schlechtere Impfquote bei den über 60-Jährigen wird durch eine deutlich höhere Zahl von Intensivbetten ausgeglichen, so dass es im Intensivbereich möglicherweise zu lokalen Engpässen, aber nicht zu ernsten Versorgungsproblemen kommen wird. Auf Covid-Intensivstationen ist es auch vertretbar, wenn gut geschultes Personal bei einer leichten oder symptomfreien Corona-Infektion zur Arbeit kommt.

Aber Sie rechnen mit Personalausfällen in großem Umfang?

Ein sehr hohes Ausfallrisiko besteht für die medizinischen Versorgungsbereiche, wo zugleich mit einem erhöhten Aufkommen verunsicherter, aber nur leicht erkrankter Covid-Fälle viele Mitarbeiter aufgrund eines positiven Corona-Tests oder einer angeordneten Quarantäne zu Hause bleiben müssen. Im ersten Fall, der so genannten "Isolierung" von positiv Getesteten, haben wir – mit Ausnahme der speziellen Corona-Stationen – keine andere Wahl. Dass auch alle Kontaktpersonen zu Hause bleiben müssen, man spricht dann von "Quarantäne", führt jedoch zu einem zusätzlichen, vermeidbaren Personalausfall.

Das wäre vermeidbar?

Ich plädiere dafür, die Quarantäne in fast allen Bereich abzuschaffen. Quarantäne macht nur Sinn, wenn die Behörden die Kontakte eines positiv Getesteten in der Regel nachverfolgen können. Für jeden positiven "Fall" muss ein Vielfaches von Kontaktpersonen in Quarantäne und fällt im Arbeitsleben aus, von denen haben sich aber nur wenige tatsächlich infiziert.

In der massiven Omikron-Welle wird das nicht mehr funktionieren, weil die Gesundheitsämter nicht mehr nachkommen und die größtenteils geimpften oder genesenen Menschen auch nicht mehr einsehen, warum sie nicht aus dem Haus gehen dürfen. Zudem verbrauchen die Quarantänen Unmengen an Schnelltests und PCR-Kapazitäten, die in Kürze ohnehin knapp zu werden drohen.

Die Folgen unserer Gegenmaßnahmen für die Bevölkerung, die ich "sekundäre Kollateralschäden" nenne, können durch die Quarantänen schwerer wiegen als die gesundheitlichen Schäden durch das Virus selbst.

Sie setzen auf die Eigenverantwortung der Infizierten?

Ja, Covid-Erkrankte sollten konsequent alles tun, um niemanden anzustecken. Hier ist die Infektionsgefahr wesentlich größer als bei denjenigen, die ohne Symptome in Quarantäne sind. Die Isolierung positiv getesteter oder symptomatischer Corona-Infizierter ist deshalb unverzichtbar, auch wenn wir dadurch – in diesem Fall "primäre" – Kollateralschäden für das Wirtschafts- und Sozialleben in Kauf nehmen. Die einfache Formel für die Omikron-Welle lautet deshalb: Wer Symptome hat, bleibt zu Hause!

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Und darauf sollte man sich vorbereiten?

Da sich ein Großteil der Bevölkerung, einschließlich Geimpfter und Genesener, mit der Omikron-Variante infizieren wird, sollte sich jeder schon einmal ein paar Vorräte anlegen, damit er im Fall der Fälle nicht zuerst in den Supermarkt zum Einkaufen muss. Ich würde mir wünschen, dass auch die Ministerpräsidenten nach der MPK dazu aufrufen.

Herr Kekulé, wir danken Ihnen für das Gespräch!

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
Verwendete Quellen
  • Anfrage an Markus Scholz
  • Interview mit Alexander Kekulé
  • Eigene Recherche
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